Zu Links zur Debatte

08.06.2000. "Seit ich mich mit der Entwicklung neuer Technologien befasse, haben deren ethische Dimensionen mich interessiert, aber erst im Herbst 1998 wurde mir bewusst, welche Gefahren uns im einundzwanzigsten Jahrhundert erwarten." In der FAZ antwortet Bill Joy auf Ray Kurzweils "Homo s@apiens". Einige Lese- und Surftipps zur Debatte
Die FAZ hat am 6. Juni 2000 die wohl erstaunlichste Debatte eröffnet, die zur Zeit in den deutschen Feuilletons geführt wird. Dabei verfuhr sie ganz einfach: Sie übernahm einen langen Artikel von Bill Joy, einem Mitbegründer des Computer-Giganten Sun Microsystems, der zunächst in der amerikanischen Internetzeitschrift Wired erschienen ist. Titel: "Warum uns die Zukunft nicht braucht". Frank Schirrmacher, Feuilleton-Herausgeber der FAZ, scheute bei der Vorstellung dieses Textes das Pathos nicht und verglich ihn mit dem Brief, in dem Albert Einstein 1939 den amerikanischen Präsidenten Roosevelt auffordert, die Atombombe zu bauen, bevor es die Deutschen tun.

Joy schreibt über neue Technologien: Nanotechnik, Gentechnik und Robotik, die seinem dunklen Gesicht nach verschmelzen und den Menschen überflüssig machen oder schlicht eliminieren werden. Es wimmelt in dem Text von Robotern, die sich von selbst vermehren, mikroskopischen Nanomaschinen, die zur Kriegsführung eingesetzt werden, und Computerprogrammen, die das menschliche Hirn einscannen. Das Dumme ist, dass Joy diese Visionen mit Hinweis auf die rasanten Fortschritte dieser Technologien recht glaubhaft machen kann. Als Termin für die Abschaffung des Menschen gibt er das Jahr 2030 an. Am Ende seines Textes plädiert er für den Verzicht auf diese Technologien.

Da Joy in seinem Text auf einige Bücher und Internetdadressen verweist, hat sich der Perlentaucher entschlossen, einige Lese- und Surftipps zu der Debatte zu geben.

Erste Informationen zu Bill Joy selbst findet man bei Yahoo. Hier stößt man unter anderem auch auf ein einstündiges Radiogespräch zwischen Joy und Ray Kurzweil, das am 17. März für die Wissenschaftssendung des National Public Radio (NPR) geführt wurde und das man sich unter folgendem Link anhören kann.

Wer Joys Text in deutsch lesen will, hat allerdings schon mal Pech gehabt: Er wird sich schon die FAZ vom 6. Juni besorgen oder sie in der Bibliothek kopieren müssen denn diese Zeitung verweigert sich dem neuen Medium bislang und stellt mit Ausnahme ihrer englischen Ausgabe keine Inhalte ins Netz. In englisch ist der Text aber im Archiv von Wired noch zu haben.

Joy bezieht sich in seinem Essay prominent auf ein Buch des Computerforschers Ray Kurzweil, das deutsch unter dem Titel Homo s@piens bei Kiepenheuer und Witsch erschienen ist. Einen Auszug aus dem Buch finden Sie hier.

Ausführliche Informationen zu dem Buch finden sich auch bei Kurzweils englischem Verlag Penguin. Kurzweil hat auch eine eigene Internetadresse, in der er sich allerdings mit kybernetischer Lyrik beschäftigt! Wer amerikanische Reaktionen auf Kurzweils Buch sucht, wird im Archiv der New York Review of Books fündig. Hier besprach der Philosoph John Searle (der bei Joy auch vorkommt) das Buch. Es handelt sich um einen Verriss: "Let us suppose for the sake of argument that we soon will have computers that are more 'intelligent' than we are. Then what? This is where Kurzweil's book begins to go over the edge." Kurzweil beschwerte sich mit einem Leserbrief an die Review: "John Searle starts with a distorted caricature of my book and then attacks the caricature. Had I written the book he describes, I would attack it also."

Eine andere, ebenfalls eher skeptische Besprechung von Kurzweils Buch findet sich in Atlantic Monthly. Autor ist hier Harvey Blume, der neben Kurzweil auch Neil Gershenfelds "When Things Start to Think" rezensiert. Auch die New York Times besprach Kurzweil in ihrer Books-Section. Der Artikel ist unter folgendem Link kostenlos zugänglich, allerdings braucht man zunächst ein Passwort, um ihn lesen zu können. Autor ist der Philosoph Colin McGinn, der an gleicher Stelle übrigens auch Hans Moravec' Buch "Robot" bespricht ebenfalls eine wichtige Referenz für Joy (siehe unten). In der New York Times findet man dann auch das Erste Kapitel von Kurzweils Buch, natürlich nur in englisch.

Ein anderes wichtiges Buch bei Joy ist Eric Drexlers Engines of Creation, das nur in englisch erschienen ist. Hierbei handelt es sich um einen Klassiker aus grauer Vorzeit: Das Buch wurde in den achtziger Jahren geschrieben und war wohl eines der ersten, die ein breites Publikum auf die Zukunft der Nanotechnologie hinwiesen. Drexlers zweites Buch Unbounding the Future über das gleiche Thema erschien in deutsch unter dem Titel "Experiment Zukunft" beim Verlag Addison-Wesley in Bonn 1994. Es ist aber sowohl in der deutschen wie in der englischen Ausgabe vergriffen. Drexler leitet heute das Foresight Institute, das die Öffentlichkeit auf die Gefahren und Chancen jener winzigen Maschinchen aufmerksam macht, die demnächst - 200 mal kleiner als ein Haar dick ist - in unserer Blutbahn zirkulieren werden, um Krankheiten zu bekämpfen. Das Institut hat eine umwerfende Internetadresse, auf der man stundenlang in dieser Zukunft stöbern kann: www.foresight.org. Hier wird unter anderem ein Engine of Creation 2000 Project annonciert, das Drexlers Buch aktualisieren soll. Auch eine leicht verständliche Einführung in die Nanotechnologie wird geboten, und schließlich kann man sich Bilder herunterladen, die die Maschinchen bei der Arbeit zeigen.






Ein Nanoroboter.
(Abb.foresight.org)


Ein drittes Buch, das wichtig ist für Joys Argumentation, ist Hans Moravec' Robot - Mere Machine to Trancendent Mind. Die deutsche Übersetzung des Buchs ist letztes Jahr unter dem Titel "Computer übernehmen die Macht" (352 Seiten, gebunden, 49,90 DM, ISBN 345508575X) bei Hoffmann & Campe erschienen - da dieser Verlag nicht mal eine Internetadresse hat, wird man nach Informationen oder gar einem erstem Kapitel im deutschen Internet nicht fündig. Das erste Kapitel in englisch präsentiert aber wiederum die New York Times, in der Colin McGinn das Buch neben Kurzweil im Januar 1999 besprach. Moravec, so schreibt McGinn, "envisages autonomous robot-run industries that we tax to siphon off their wealth, and the gradual replacement of organic humans with mechanical descendants -- our ''mind children.'' His vision is of a world in which machines are the next evolutionary step, with organic tissue but a blink in the eye of cosmic history. Once intelligence is created by natural selection it will be only a matter of time (a very short one by cosmic standards) before the products of intelligence outshine their creators, finally displacing them altogether. This is good knockabout stuff, a heady and unnerving glimpse into a possible future. Where Moravec is weak is in attempts at philosophical discussion of machine consciousness and the nature of mind. He writes bizarre, confused, incomprehensible things about consciousness as an abstraction, like number, and as a mere 'interpretation' of brain activity. He also loses his grip on the distinction between virtual and real reality as his speculations spiral majestically into incoherence." Ausführliche Informationen zur Robotik und zu dem Buch finden sich auf Hans Moravec' Homepage, der wir auch die folgende Illustration entnehmen.





Wie ein Roboter das Büro von Hans Moravec sieht.


Als weitere Autoren nennt Joy den Computer-Spezialisten Danny Hillis, den Science-Fiction-Romancier Frank Herbert und den Ideengeschichtler George Dyson. Sie seien hier für die selbständige Recherche interessierter Surfer genannt.

Wer sich für die Gegenwart der Zukunft interessiert, sollte auch bei Adressen vorbeischauen, die sich mit Bio- oder Nanotechaktien befassen. Eine äußerst facettenreiche Adresse für alle, die an Biotechnologie interessiert sind, ist biospace.com. Hier gibt es nicht nur kleine Firmenporträts, Investor News und Neuigkeiten von klinischen Studien. Features beschäftigen sich mit aktuellen Themen sowohl zum neuesten Stand der Krebs-, AIDS- oder Alzheimerforschung wie auch zu Themen wie "biological warfare". Dabei werden Links zu entsprechenden Zeitungsartikeln gebündelt, zu denen man sich weiter durchklicken kann. Nicht zuletzt ist die Suchfunktion von biospace angesichts der Informationsvielfalt äußerst nützlich und auch brauchbar. Für Anleger ist vor allem die Biotech-Sektion von Yahoo.com zu empfehlen. Hier kann man zu mehreren hundert amerikanischen Biotech-Firmen alles finden, was für Anleger von Interesse ist. Die Boards, die es zu jedem einzelnen Wert gibt, sind teilweise auf recht hohem Niveau. Auch börsennotierte Nanotechnologiefirmen gibt es: Da ist zum einen die Firma Nanopierce, die sich mit Chips als Strichcodeersatz befasst. Nanophase hingegen stellt Nanopartikel für Lacke und Oberflächen her. Auf ihrer Internet-Adresse befindet sich ein äußerst benutzerfreundliches "Glossar of Terms", für diejenigen, die in der Nanotechnologie noch nicht ganz sattelfest sind. Die Firma Veeco stellt Rasseltunnelmikroskope her, unter di - digital instruments kann man etwas über einen Hersteller von Rasterelektronenmikroskopen erfahren. Weitere Firmen sind molecular-robotics und Nanogen. Deutschsprachige Informationen zu Firmen, die sich mit Nanotechnologie beschäftigen, bieten die Adressen Nanoworld.de, Nanonet und die Adresse des Forschungszentrums Karlsruhe.