Magazinrundschau

Die Magazinrundschau

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
05.08.2002. Im Merkur gibt Ralf Dahrendorf den etablierten Parteien Schuld am Erfolg der Populisten. Outlook India sieht die Mafia in Bollywood. Der Nouvel Obs befragt neun Philosophen - darunter Habermas - über ihre Disziplin. Im Spiegel streut Tom Clancy Salz in die Wunden der CIA. Die LRB stellt erstklassigen Business Class trash von Stephen L. Carter vor. Die NYT Book Review feiert ein Buch über Strawinsky und Balanchine. Der Economist will Nikotin in seinem Hamburger. Folio liefert einen internationalen Schulvergleich.

Folio (Schweiz), 05.08.2002

Auch die Schweiz steht unter PISA-Schock. Die Autoren des Folio haben sich deshalb in die Schulen begeben und liefern aus der Schweiz, Schweden, Japan und den USA ihren eigenen internationalen Schulvergleich.

Urs Schoettli war in der Morisaki-Grundschule in Yokosuka und bemerkt erste Anzeichen von Disziplinlosigkeit in japanischen Schulen: "In den letzten Jahren hat unter jungen Frauen und Mädchen der Trend eingesetzt, die Haare blond oder braun zu färben. Einige Privatschulen verbieten dies, weil sie es für ein Zeichen der Verwahrlosung halten. Ein Grund für die Disziplinprobleme sieht Yoko Aoki in der Zunahme der Einzelkinder. Die Folgen sind wachsender Egoismus und Schwierigkeiten bei der Sozialisation im Klassenverband."

Stefanie Friedhoff hat die 6d der Baker School in Boston besucht, in der die Schüler nicht Englisch, sondern Amerikanisch lernen sollen, und Tugenden wie Toleranz, Gemeinschaft, Sozialverhalten oder selbstbewussten Individualismus und grenzenlosen Optimismus. "Wissensaufbau und Intellekt sind dabei entscheidend, spielen aber nicht immer die Hauptrolle."

Weitere Artikel: Wolfgang Matl nimmt die schwedischen Schulen unter die Lupe. Obwohl das Land bei der PISA-Studie ganz gut abgeschnitten hat, leidet es unter Lehrermangel: "Viele Schulleiter setzen bei Engpässen tüchtige Gymnasialabgänger ein, die eben noch selbst die Schulbank gedrückt haben." Andreas Heller wundert sich über den Unterricht einer sechsten Klasse im deutschschweizerischen Niederteufen, deren Unterricht an Ferien im Club Med erinnere: Ausflug zur Expo 02, Freiluftkonzert, Veloprüfung unter den Augen der Kantonspolizei, zweitägiger Schlussbummel mit Zelten am Wissbach. Kaspar Meuli erklärt, warum an der Ecole du Schoenberg in Freiburg die Deutschschweizer die Schule viel lockerer nehmen als die Welschen.

Dazu gibt es ein Loblied auf die Studie mit Grenzen, Schülerporträts sowie einen Vergleich der Schulsysteme. Und fünf Lehrer aus vier Ländern diskutieren über Disziplin, Noten, Eltern und Kaugummis im Unterricht. Und natürlich gibt es noch vieles mehr.

Archiv: Folio

Outlook India (Indien), 12.08.2002

In der Cover Story erkundet Manu Joseph das dichte Netz, das Indiens Filmindustrie, die Politik und die Exekutive mit der Unterwelt verbindet. Die Zusammenhänge sind verflixt kompliziert. Und vielfältig sind die Wege der indischen Mafia in die Glitzerwelt von Bollywood: Mal sichern sich die Dons (mit sanfter Gewalt) die Überseerechte erfolgreicher Produktionen, ein anderes Mal wird ein Erfolg erst richtig angeschoben: "The don 'backs' a project. Some calls are made and top stars sign for the film. Some are forced to sign. But some are only happy with the intervention because it really doesn't matter if their market value is down in the dumps, when the don makes the calls, they get the films. Once the stars sign up, it's never a problem finding a financier."

Pratap Bhanu Mehta stellt mit "The Maverick Republic" des Journalisten Jawid Laiqs eine Essaysammlung vor, in der die indische Politik ("our economic policy to our nuclear shenanigans, our information technology revolution to our urban policy") als eine einzige "Demonstration von Torheit" erscheint. Geprägt von der tiefgreifenden Skepsis gegenüber der indischen Demokratie und der Amoralität der Macht sowie von einem ebenso tiefen Glauben an die moralische Festigkeit der Belogenen und Betrogenen, schreibt der Rezensent, habe das Buch allerdings zwei gewichtige Mängel: "Laiq does not comment on whether this amoralism is a cause or a consequence of the failures of Indian democracy. And like any good reporter, he ought to have reminded himself that moral vacuums are never filled by moral exhortation alone. They require a more complex response that eludes this book and all of us as well."

Weitere Buchbesprechungen widmen sich einem "practical guide" für den Kampf gegen den Krebs sowie einer Biografie über den indischen Filmemacher Yash Chopra (mehr hier). Madhu Trehan schließlich vergleicht das Frauenbild in Sanjay Leela Bhansalis aktueller Leinwandadaption von Saratchandras Roman "Devdas" mit Bimal Roys Version von 1955 und stellt fest: die Emanzipation geht voran.
Archiv: Outlook India

Merkur (Deutschland), 01.08.2002

Eine recht müde, polemikfreie Sommerausgabe präsentiert der Merkur im August. Ralf Dahrendorf immerhin beweist Haltung und gibt den etablierten Parteien die Schuld am Erfolg von Le Pen, Bossi, Haider, Kjaersgaard, Schill und Co. Alle die neuen Populisten in Europa seien die Antwort auf die Verharzung der politischen Apparate, meint Sir Ralf und geht mit den Parteien zu Gericht: "Parteien waren immer schon Mechanismen zum Machterwerb und zur Machterhaltung, aber lange Zeit waren sie als solche mit den Wählern verbunden. Jetzt ist die Nabelschnur zum Volk gerissen. Was bleibt, sind nur noch Machtmaschinen ... Die Apparate, denen das Volk verloren gegangen ist, brauchen nun finanzstarke Sponsoren, um am Leben zu bleiben. An die Stelle von Macht und Volk treten Macht und Geld."

Tobias Plebuch sieht gute Chancen für die Musikwissenschaft, sich von Adorno zu erholen. Er selbst ist sozusagen endlich entgiftet und plädiert für eine hörzentrierte Musikästhetik, die mit dem Vorurteil aufräumt, dass Hören einfacher sein soll als Komponieren.

Nur im Print: Der Kunstwissenschaftler Hans Belting sieht die Museen in einer schweren Sinnkrise und empfiehlt ihnen mehr Inhalt und weniger Inszenierungen, mehr Reflexion und weniger Sensation. Tilman Krause bemerkt eine Renaissance preußischer Bürgerlichkeit und fragt sich, wie Großmama und Großpapa das wohl gefunden hätten ("Sie hätten nach der Leistung gefragt, die der neuen Repräsentationskultur zugrunde liege. Und Großmama hätte noch gesagt: 'Wer nur an die Form sich klammert, zeigt, dass er sie nicht beherrscht'").

Michael Jeismann sieht den Nahostkonflikt in seinem "Konglomeratcharakter" von Region, Religion, Nation und Vereinten Nationen als prototypisch für die Auseinandersetzungen der Zukunft, bei denen wie bei einem chinesischen Brettspiel auf mindestens vier verschiedenen Ebenen gleichzeitig gespielt wird. Weitere Texte beschäftigen sich mit Mystik und Gewalt, mit dem Streit zwischen Alarmisten und Entwarnern in der Ökologie oder mit Lessing.

Archiv: Merkur

New York Times (USA), 04.08.2002

Die Times bespricht ein "meisterliches" Buch über die fruchtbare Künstlerbeziehung zwischen Igor Stravinsky und George Balanchine. Charles M. Josephs ''Stravinsky and Balanchine'' (Auszug) bietet, worauf zumindest Elizabeth Kendall immer gewartet hat. Wenn der Autor die russischen Wurzeln der beiden auch etwas vernachlässigt, sobald es um die amerikanische Zeit der beiden geht, ist er auf seinem Gebiet. "He is an intrepid researcher, who seems to have read every book that touches on these two men and their times, and he has spoken to every living person who was close to them. Not only that, his manner is engaging. He remains at the reader's side, laying out evidence, sharing his critical judgments, gravely convinced we can understand it all. His text fills in whatever background we need; his footnotes brim with further information ?We can almost see Stravinsky's densely woven structures and Balanchine's fiendishly lyrical, intelligent responses to them, which have been analyzed before but never together on such a scale."

Was macht eigentlich John McEnroe? Seine Biografie schreiben zum Beispiel. ''You Cannot Be Serious'' (Leseprobe) hält Hugo Lindgren für ein einnehmendes Buch seiner Art. "The prose is readable and engaging, if inartfully colloquial at times. And although McEnroe dishes dirt here and there, he mostly tries to be serious, setting out to understand his own behavior and the strange arc of his career. This is unexpected and admirable, and though moments of genuine insight come rarely, he does make a good show of giving it his best shot." Und wenn der ehemalige Rivale von Björn Borg mit dem unterhaltsamen Platzverhalten in Sachen Selbstbewusstsein auch noch immer nicht zu schlagen ist: "The net effect, however, is more endearing than phony."

Zum Schluss ein Gedicht von Katha Pollitt: "Ten blocks downtown, it's/ Zanzibar:/ smugglers and palm trees, ceiling fans,/sunsets that knock you out like a tropical cocktail?" Hier gelesen von der Autorin höchstselbst.
Archiv: New York Times

Nouvel Observateur (Frankreich), 01.08.2002

Titel und Dossier des Nouvel Obs gehören in dieser Woche der immer wieder gern gestellten Frage nach Zustand und Zukunft der Philosophie. "In den Medien", konstatiert Aude Lancelin, der das Dossier zusammenstellte, "wird die Philosophie viel zu oft lediglich als eine sanfte Medizin für den Geist gehandelt, als ein Linderungsmittel gegen den Weltschmerz." Deshalb hat das Magazin neun Philosophen eingeladen, die gegenwärtige Bedeutung und Chancen der Disziplin auszuloten. Leitsystem dafür waren drei Fragen nach jeweils demjenigen Philosophen, der ihre intellektuelle Entwicklung am stärksten beeinflusste, für ihre derzeitigen Fragestellungen am bedeutsamsten ist und welchen zeitgenössischen Zunftkollegen sie derzeit besonders aufmerksam lesen.

Jürgen Habermas etwa würdigt Hegel als seinen "Erwecker", lässt sich von den amerikanischen Pragmatisten inspirieren und lernt am meisten von der "intelligenten Kritik" seiner eigenen Schüler. Für Alain Finkielkraut dagegen war "Levinas der erste Philosoph, bei dem ich das Gefühl hatte, dass er mir von den Sternen spricht". Finkielkraut schwärmt von der Schärfe in Heideggers Beschreibungen des Geists der Technik und verfolgt heute die Arbeit einer ganzen Reihe von Kollegen, von Paul Thibaud über Peter Sloterdijk bis Vincent Descombes. Weitere Auskünfte geben: Pascal Bruckner (hier), Andre Glucksmann (hier), Bernard-Henri Levy (hier), Frederic Schiffler (hier), Luc Ferry (hier), Alain de Botton (hier) und Clement Rosset (hier).

Und alle die glauben, sie beherrschten die französische Sprache, machen zur Bestätigung (besser: zur Ernüchterung) einfach einmal das französische Sprachquiz, mit dem der Nouvel Obs den Sommer über seine Leser quält.

Express (Frankreich), 01.08.2002

Ein Porträt des französischen Kulturministers Jean-Jacques Aillagon zeigt die Richtung an, die die französische Kultur einschlagen soll: nach rechts. "Es gibt eine Form von Kultur, die von staatlichen Strukturen stark beeinflusst ist bzw. weniger von der Öffentlichkeit, dennoch ist Aillagon ein Liberaler, der auf gesellschaftliche Initiativen hören wird", sagt der Berater von Jacques Chirac gegenüber dem Express. Aillagon war einer der wenigen Rechten, die an den Protesten am ersten Mai gegen Le Pen teilgenommen haben, die von der PS und den extremen Linken veranstaltet worden war. Er protestierte auch als einziger seiner Partei gegen die Verfolgung ägyptischer Homosexueller. Auf der rechten Seite will er die französische Kultur neu erfinden, ohne dabei konservativ oder vaterländisch zu sein, aber auch ohne in verschwenderische Kreativität zu verfallen. Die Partei hält ihn für den idealen Mann, der "bourgeois" und "bobos" vereinen kann.

Außerdem: Franck Erikson hat das Festival von Verbier in der Schweiz besucht. Dieses Jahr sind unter anderen Künstler wie Jewgeni Kissin, Vadim Repin, Yuri Bashmet oder Zubin Mehta 1500 Meter den Berg hinauf gefahren. Dominque Simonnet hat bei Jean-Claude Casadesus (homepage), dem Leiter des Orchestre National de Lille, nachgefragt, ob man sich als Dirigent nicht manchmal komisch fühlt. Schließlich sei man der Einzige, der kein Musikinstrument in der Hand hält. Für Casadesus ist das Wesentliche an der Kunst des Dirigierens, das Unsagbare wahrnehmbar zu machen. So etwas ähnliches hat uns doch schon in der letzten Woche Jean-Luc Godard über die Kunst des Filmemachens erzählt.

Fortsetzung folgt in Sachen Liebe und französische Verlage: In dieser Woche führt der Historiker Alain Corbin den Leser in die Bordelle des 19. Jahrhunderts und erklärt, warum Madame Bovary kein Engel war. Olivier Le Naire ist im Quartier Latin zwischen den acht verschiedenen Sitzen der Editions du Seuil hin und her geirrt. Er weiß jetzt, warum das Logo des Verlags ein Baum ist. Und: Mit mehr oder weniger Strenge urteilen einige Neuerscheinungen auf dem französischen Buchmarkt über die Niederlage Lionel Jospins.
Archiv: Express

London Review of Books (UK), 05.08.2002

Lorin Stein bespricht Stephen L. Carters "The Emperors of Ocean Parc", einen "Murder-Mystery"-Roman, in dem die "bad guys" nicht wie üblich "OK" sagen, sondern "very well", ein "Flugzeug-Buch", wie Stein erklärt, kein "Strand-Buch" eben: "it's trash, but it's Business Class trash, relentlessly high-toned, tastefully furnished and driven by a Rube Goldberg-like love of complication, minus the suspense." Und Stein ist cleverer als all die anderen Rezensenten ("from Grisham to K. Anthony Appiah in the 'New York Review of Books'"), hat er doch, als einziger scheinbar, "die Albernheit des Plots" durchschaut, anstatt das Buch, das in den "well-to-do black neighbourhoods" von Washington spielt, (aus Verlegenheit, wie Stein vermutet) als ein bahnbrechendes Stück Sozialrealismus zu preisen. Was es ganz und gar nicht ist. Die meiste Zeit, so Stein, haben die Leute nämlich gar keine Farbe, "because there are no real people here."

Hilary Mantel beugt sich tief über das Manuskript von "The Bondwoman's Narrative", dem um 1850 entstandenen wohl ersten Roman einer farbigen Frau, der Sklavin Hannah Crafts: "This is what history feels like, under the hand, under the microscope: the manuscript's cloth binding is broken, but all its numbered pages are intact. The paper is machine made, of linen and cotton fibres, not wood pulp, and has blue guidelines to write on; the pen that touched this paper was a goose quill, and the pigment was acidic iron-gall ink ? The handwriting is serviceable rather than elegant. The manuscript has been corrected in various ways ? If the correction was longer, a paragraph perhaps, the writer attached a slip of paper to cover the unwanted text. These correction slips were cut, experts suggest, with sewing scissors, and the paste wafers that made them adhere to the page have been pressed down with a thimble." Was auf eine der eigentlichen Beschäftigungen der "Haussklavin" Crafts hinweist: das Stopfen und Nähen nämlich.

Leider nur im Print zu lesen ist der Inselblick von David Midgley auf Martin Walsers "Tod eines Kritikers".

Economist (UK), 03.08.2002

Saddam Hussein, adieu! Der Economist macht keinen Hehl aus seiner Meinung über die Halbwertzeit des Diktators und die notwendigen Mittel, ihn abzusetzen. "Painful as it is, our vote is for war", heißt es im Leader. Ein Wink für den zögernden amerikanischen Präsidenten. Ein Special probt die möglichen Kriegsszenarien und besichtigt einen saddamlosen Irak.

Weil die Amerikaner jetzt sogar gegen ihre geliebten Fastfood-Ketten klagen ("5 Big Macs täglich haben mich krank gemacht", Caesar Barber), schlägt ein Artikel vor, die Burger künftig mit Nikotin oder Koks zu versetzen. "Nobody should be keener for fast food to be made addictive than governments. Once fast food became a genuine compulsion, there could be no economic or moral objection to regulating its consumption, as alcohol and tobacco are regulated, and to taxing it. The revenue from this 'sin tax' could be used in a pretend effort to wean people off bad food." Und McDonald's und Co. wäre schließlich auch geholfen: "They might follow the tobacco firms, who are living proof that even after murderous litigation you can be both universally reviled and still successful."

"Books and Arts" räumt auf mit dem Klischee vom Dumm-TV. Zumindest in den USA, so die Nachricht, hat das Kino das Fernsehen an Einfallslosigkeit überrundet. Während auf der "big screen" schwarzgekleidete Männer und "Scooby-Doos" einander an Stumpfheit überbieten, hat sich die Mattscheibe mit Effekten wie Echtzeithandlungen, "split screen" o.ä. zum Experimentierfeld des dramatischen Genres gemausert. Serien wie "The Sopranos", "Sex and the City" oder "24", die oftmals von den Drehbuchautoren mitproduziert werden, bieten nicht nur mehr Spielraum, komplexe Plots und Charaktere zu entwickeln, als ein 90-Minuten-Film, im Zahlkanal HBO, heißt es, haben sie zudem einen unerschrockenen Partner gefunden.

Weitere Autoren besuchen Washingtons neues Internationales Spionage-Museum, sehen bzw. hören in Bruce Springsteens 09/11-Album "The Rising" jede Menge Schmalz im Dienst nationaler Katharsis am Werk und erkunden die Ursachen für Gewalt anhand des Zusammenspiels genetischer und sozialer Determinanten.
Archiv: Economist

New Yorker (USA), 05.08.2002

Night Shyamalan, der mit seinem Film "Der sechste Sinn" auch in Deutschland Erfolge feierte, hat einen neuen Film herausgebracht: "Signs". Anthony Lane ist ziemlich begeistert. Und David Denby fragt den Regisseur im Interview, wie er Angst erzeugt. Seine Antwort: "Freddie Krueger with the blood-that doesn't really scare me. What scares me is something like this: if I had a photo of my wife on my desk, and it was face down, and I put it up and I walked out of the room and I came back and it was face down again. That's scary."

Weiteres: Mark Singer schickt eine lange Reportage aus Hollister, Kalifornien, eine Kleinstadt, die mehr oder weniger von den Hell's Angels übernommen wurde. Peter J. Boyer porträtiert Ron Kirk (mehr hier), mit dem die texanischen Demokraten hoffen, den Senat erobern zu können - und das trotz des in Texas so beliebten texanischen Republikaners im Weißen Haus. Hendrik Hertzberg fragt im Kommentar: "On to Iraq?" Leider nicht lesen dürfen wir den langen Brief aus Pakistan der begnadeten Reporterin Isabel Hilton (mehr hier), die sich mit den Verhältnissen im Palast des Präsidenten Pervez Musharraf auseinandersetzt: "Der General in seinem Labyrinth".
Archiv: New Yorker

Spiegel (Deutschland), 05.08.2002

Titelthema sind die staatlich geförderten Frequent Flyer - in der Luft und auf dem Boden. Wir erfahren, wie in den Parlamenten Europas und der USA Nebenjobs kontrolliert werden und was Wolfgang Thierse über Miles & More-Sünden und die Rücktritte von Özdemir und Gysi zu sagen hat.

Apropos Fliegen. Im Interview streut ein oberzynischer Tom Clancy Salz in die Wunden der amerikanischen Geheimdienste. In Clancys bereits 1994 erschienenen Roman "Ehrenschuld" steuert ein Kamikaze-Pilot einen Jumbo ins Kapitol in Washington und ermordet so fast die gesamte US-Regierung. Und schon vorher war das Szenario bekannt: "Ende der achtziger Jahre habe ich einem General, der für die Luftüberwachung der Hauptstadt verantwortlich war, erzählt, was wir uns überlegt hatten. Er wurde sehr still. Dann meinte er: Wenn es einen Plan für solche Fälle gäbe, dürfte ich nicht darüber reden. Aber wir haben noch nie über eine solche Bedrohung nachgedacht."

In einem anderen Beitrag verfolgt Ulrike Knöfel die klammheimlichen Begehrlichkeiten um Friedrich Christian Flicks sagenhafte Sammlung der Gegenwartskunst. Heimlich, weil Flicks Reichtum als anrüchig gilt: Der Sammler ist einer der Erben des Rüstungsmoguls Friedrich Flick, und mit dem will man in Berlin, wo man nichtsdestotrotz schon weiß, wo die Sammlung untergebracht werden könnte (im Hamburger Bahnhof), zumindest offiziell nichts zu tun haben. "Einerseits will in Berlin lieber niemand als Verhinderer gelten, wenn es darum geht, einen unbezahlbaren Kunstbatzen zu ergattern - andererseits will sich keiner der Hauptstadt-Kulturwächter als später Kriegsgewinnler beschimpfen lassen müssen." Die notorische Klammheit der Berliner Kultur aber, da ist Knöfel fast sicher, wird siegen über das bisschen Gewissen.

Außerdem spricht der Finanzchef des Papstes, Kardinal Sergio Sebastiani, über die Geldnöte seines Chefs und Coca-Cola-Werbung auf Radio Vatikan. Hans-Jürgen Schlamp erinnert an das skandalöse Rechtsempfinden des italienischen Premierministers Silvio Berlusconi. Wir lesen über Saddam Husseins diplomatische Winkelzüge. Und nur im Print äußert sich Wladimir Sorokin über den ihm drohenden Pornografie-Prozess.
Archiv: Spiegel

Espresso (Italien), 08.08.2002

Was die großen Film-Stars so gemacht haben, bevor sie Stars wurden - Eleonora Attolico verrät's. In einem Artikel zitiert sie die wenig glamourösen Initiationsbeichten von Al Pacino, der vom Boten bis zum Hausmeister so ziemlich jeden Job gemacht hat, von Clint Eastwood, der sich in den Wäldern von Monterey als Holzsammler und Forstwart verdingte, und von den Hollywood-Schönheiten Cameron Diaz, Sharon Stone und Bo Derek. Alle drei - man möchte vom Glauben abfallen - mit richtig ekligen Gastronomie-Vergangenheiten belastet: Während sich Diaz als Verkäuferin in einer Joghurteria mit Eis und Sahne eindeckte und Stone bei McDonald's Burger zusammenpappte, brachte Derek am Strand von Long Beach Fish 'n' Chips unter die Leute. Im Gegensatz zu den anderen aber bereut Derek das heute herzlich: "Widerlich, so zwischen den Friteusen! Am Ende war man von oben bis unten mit einer Fettschicht überzogen und mit einem unerträglichen Gestank..."

Ein anderer Artikel resümiert den "schwarzen Juli des italienischen Personenverkehrs" - eine Beinahe-Kollision auf dem Mailänder Flughafen Linate, eine Havarie zweier Passagierschiffe im Hafen von Neapel und ein Zugunglück mit 8 Toten auf Sizilien - und fragt: Schicksal oder Fahrlässigkeit einer laxen Regierung? Pier Paolo Filippi schürt die Ängste westlicher Hard- und Software-Giganten - mit einem Blick nach China, wo sich der Computerhersteller "Legend" für den globalen Markt rüstet und Entwickler an Microsoft-Klonen basteln. Und der Aufmacher widmet sich - wie unschwer zu erkennen ist - dem weiblichen Raubtier.
Archiv: Espresso

Times Literary Supplement (UK), 03.08.2002

What a difference a hundred days make! Bei den französischen Präsidentschaftswahlen sei Jacques Chirac noch die dumme Antwort auf eine dumme Frage gewesen, staunt Henri Astiers in einem bösen Text über das alte Frankreich und den neuen Chirac, der leider nur in Auszügen zu lesen ist. "Three months on, the President oozes energy, purpose and vision. He has massive majorities in both houses of parliament, as well as the support of most regions and France's highest court. Even General de Gaulle in the 1960s did not enjoy such power. He has unleashed a legislative blitzkrieg that has dazzled doubters and dazed opponents. The scandals are forgotten (for now), as commentators focus on Chirac's plans to address the country's ills - from lawlessness to unsustainable pensions, high taxes and inflexible labour regulations."

Iain Elliot lobt Robert Moores Buch "A Time to Die", in dem der frühere Moskau-Korrespondent Moore die Geschehnisse um das gesunkene russische U-Boot Kursk so packend bilanziere, dass sich das Buch wie ein Thriller lese. Auch das desaströse Krisenmanagement findet Elliot einleuchtend dargestellt: "Perhaps the military and political leaders, who delayed the rescue attempt, believed that men should die to protect the State?s vital secrets. In fact, the real secrets they were determined to protect were those that most threatened their own careers ? Russian officers have learned not to pass bad news to their superiors, and when in doubt tend to delay." (Mehr zur Kursk finden Sie hier und zu den Bergungsarbeiten hier)

Weitere Artikel: Wendy Doniger bemerkt zu "The Myth Of The Holy Cow", dass Dwijendra Narayan Jha darin nur sehr trocken darlege, was eh jedes Schulkind wisse: Die alten Inder haben Rindfleisch gegessen: "The only shocking thing about this book is the news that someone has found it shocking." Ian Tattersall schließlich stellt fünf neue Bücher zur Evolution vor, wir dürfen aber nur einen Auszug aus der Besprechung lesen.

Profil (Österreich), 04.08.2002

Der Nahostkonflikt beherrscht die Schlagzeilen dieser Tage. Auch europäische Biografien tragen diesen Konflikt in sich. Karl-Markus Gauß zeichnet die Lebenswege von zwei Juden nach, die unterschiedlicher nicht sein konnten und doch etwas gemeinsam hatten: ihre Europamüdigkeit und ihre Hoffnungen auf den Orient, auf Palästina: Poldi Weiss (Jahrgang 1900) und Eugen Hoeflich (Jahrgang 1891) litten an Europa, "am Zerfall der Werte, am herzlosen Kapitalismus", schreibt Gauß. Aus Poldi Weiss wird Muhammad Asad, ein islamischer Gelehrter, und aus Eugen Hoeflich ein israelischer Offizier und Beststellerautor Moshe Ya'akov Ben-Gavriel. Beide hätten in Palästina eine nicht-europäische Zivilisation gesucht, nur glaubt Weiss, dass der Zionismus diese verhindern, und Hoeflich, dass er sie errichten werde. Weiss sei eigentlich religiös desinteressiert gewesen und habe nur politisch argumentiert. Den Zionismus habe er verachtet, weil er ihn für eine Spielart des europäischen Kolonialismus hielt. Hoeflich sei dagegen fromm gewesen und habe nicht politisch argumentiert, sondern religiös und sozial. Für ihn sei der Orient "die Heimat von Juden und Arabern, die sich darin gleichen, keine Europäer zu sein; während es die Araber schon wissen, müssen es die Juden erst wieder lernen", schreibt Gauß und schließt, "es ist paradox, aber der politische Intellektuelle Leopold Weiss wird wenige Jahre später ein führender islamischer Theologe und der fromme Eugen Hoeflich Offizier im israelischen Unabhängigkeitskrieg sein."
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