Michael Hampe

Die Wildnis, die Seele, das Nichts

Über das wirkliche Leben
Cover: Die Wildnis, die Seele, das Nichts
Carl Hanser Verlag, München 2020
ISBN 9783446265776
Gebunden, 304 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Wie finden wir das wirkliche Leben? Im Rückzug in unberührte Natur? Nach dem Tod in der Unsterblichkeit? Durch das Leben unserer Kinder? Diese Fragen treiben auch den fiktiven Lyriker und Philosophen Moritz Brandt um. Sein Freund Aaron sortiert dessen Nachlass, stößt dabei auf Tagebücher und Essays, in denen Brandt über das wirkliche Leben nachdenkt. Je mehr er sich aber in diese Texte vertieft, desto häufiger fragt sich Aaron: Woher kommt der Wunsch, sich zu verwandeln, wirklich zu werden? Michael Hampe verknüpft  Erzählung und Reflexion, damit wir erkennen, wie uns die Unterscheidung zwischen Schein und Wirklichkeit daran hindert, mit unserem Leben klarzukommen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 17.07.2020

Rezensent Eike Gebhardt scheint etwas frustriert angesichts der radikalen Ergebnisoffenheit dieses philosophisch-narrativen Experiments. Ohne richtige Handlung, "irgendwo zwischen Erzählung und Reflexion", so Gebhardt, schreibt der Autor und Philosophie-Professor hier über einen verstorbenen Dichter, dessen Aufzeichnungen über das "wirkliche Leben" und dessen Biografen. Dem Setting einer zukünftigen, in zwei Blöcke zerfallenen Welt 2039 scheint dabei einzig atmosphärische Bedeutung zuzukommen, meint der Rezensent skeptisch; dafür erfährt er "1001 folgenlose Details" eines Frühstücks. Eher wachsende konzentrische Kreise sieht er in diesem Roman als Tangenten, die sich irgendwo treffen, und das passe im Grunde ja auch zum philosophischen Anspruch, gesteht er ein. Trotzdem hätte er sich wenigstens über ein kleines Fazit gefreut.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 16.07.2020

Rezensent Eike Gebhardt versucht das Gute zu erkennen im Umstand, dass Michael Hampes zwischen Erzählung und Reflexion angesiedelter Text über das "wahre Leben" kein Fazit anbietet. Besser als immer neue fragwürdige "Orientierungssicherheiten" anzubieten sei das doch allemal, vermutet der Rezensent. Die textliche Struktur der wachsenden konzentrischen Kreise passt für Gebhardt insofern ganz gut dazu, führt sie doch zu wechselnden Positionen und Ansichten. Als "tastende Entdeckungsreise" narrativer Philosophie birgt das Buch, in dem vor dem Hintergrund des Jahres 2039 ein Philosophen-Biograf und eine KI-Expertin Fragen und Spekulationen austauschen, laut Gebhardt allerdings durchaus Lektüreglück.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.05.2020

Thomas Ribi schätzt den Schriftsteller im Philosophen Michael Hampe und umgekehrt. Wie der Autor die großen Fragen der Philosophie in einem Beinahe-Roman aus Dialog, Abhandlung und Essay vor apokalyptischer Kulisse umkreist, gefällt Ribi gut. Anregend findet er unter anderem, dass Hampe, sein privatgelehrter Held und dessen KI-Gesprächspartnerin ihm in Erinnerung rufen, dass Philosophie eine erzählende Disziplin ist. Elegant, mit feiner Ironie und voltenreich geht Hampe vor, und Ribi wird klar: Das Leben und der Körper gehören zusammen, das Denken und die Phänomene auch.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.05.2020

Erst am Schluss seiner ausführlichen Rezension ringt sich Rezensent Burkhard Müller dazu durch, dieses Buch "bemerkenswert" zu finden. Die meiste Zeit schwankt er eher ambivalent hin und her und hält dem Autor ein Zuviel - an Diskursivität - und Zuwenig - an Wahrheit - vor. Im Vergleich zum Vorgängerbuch (Tunguska oder das Ende der Natur), das ebenfalls schon vier verschiedene Stimmen die drängenden Sinnfragen des Lebens erörtern ließ, scheint dem Kritiker hier vieles besser gelungen. Besonders wie "Platon, Kant und die Bibel auf je einer halben Seite" präsent werden, konnte ihn durchaus begeistern. Kritischer sieht er allerdings die Grundidee vom "wirklichen" Leben, da doch jegliche Vorstellung von Authentizität inzwischen gründlich verworfen sei. Dennoch hat er sich eingelassen und selbst das Nicht-Gelungene ist ihm sympathisch geworden. In jedem Fall überzeugt ihn der "Ernst", mit dem Professor Hampe philosophische Fragen als nicht rein akademische, sondern echte Lebensfragen verhandelt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.03.2020

Allzu "grillenhaft" findet Kai Spanke das Buch des Philosophen Michael Hampe. Als quecksilbrige Mischung aus Essay und fiktivem Gelehrtengespräch fordert es den Rezensenten ganz schön heraus. Spanke hat Mühe, dem Hin und Her von Abstraktion und Konkretion zu folgen, wenn der Autor fragt, was das wirkliche vom Scheinleben unterscheidet. Einerseits goutiert Spanke den Verzicht auf endgültige Wahrheiten, das assoziative Denken und skrupulöse Sprechen und die Vielstimmigkeit im Band, die einen Dichter sowie eine Künstliche Intelligenz gleichermaßen zu Wort kommen lässt, andererseits sind ihm Hampes Befunde oft allzu unspektakulär. Nur manchmal blitzt da etwas auf, stellt Spanke fest, der "überraschende Dreh" einer Idee, doch die stammt häufig leider nicht vom Autor.
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