Spätaffäre

Endlos, gestaltlos und ein bisschen traurig

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07.05.2014. Aus Anlass des Todes von Tatiana Samoilowa lassen wir noch einmal die Kraniche ziehen. Synthetische Nahrung befreit das Leben von lästigen Essensunterbrechungen, berichtet der New Yorker. Arte spürt der Magie der Polaroid-Ästhetik nach. Und Jan Jelinek besiegelt im SWR "Das Scheitern der bemannten Raumfahrt".

Für die Augen

Die russische Schauspielerin Tatiana Samoilowa ist gestorben. Nach der Vorführung von Michail Kalatosows Film "Wenn die Kraniche ziehen" lag ihr 1958 ganz Cannes zu Füßen: "Glück und Schmerz liegen in ihrem beseelten Gesicht in den 'Kranichen' ganz dicht nebeneinander, und weil Vergleiche bequem sind, taufte man sie 'die russische Audrey Hepburn'", schreibt Hanns-Georg Rodek in seinem Nachruf in der Welt. Im Youtube-Kanal der Mosfilm Studios gibt es den Film in voller Länge mit englischen Untertiteln (92 Minuten).



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Für die Ohren

Wieviel Transparenz wollen wir? Und wieviel Privatsphäre? Darüber diskutierten auf SWR 2 der Tagesspiegel-Redakteur Peter von Becker, Literatur- und Medienprofessor Jochen Hörisch und der Literaturwissenschaftler Manfred Schneider, der im letzten Jahr in seinem Essay "Transparenztraum" über die seit Descartes mit Transparenz verknüpften Hoffnungen nachdachte. Hier zum Nachhören (44 Minuten).

"Das Scheitern der bemannten Raumfahrt", ein neues Hörstück des experimentellen Elektromusikers Jan Jelinek für den SWR, das sich mit dem gescheiterten Projekt Biosphäre 2 befasst. Aus dem Programmtext: "Vor allem aus soziologischer Perspektive war die Mission ein Debakel: Das Team spaltete sich während des Aufenthalts in zwei rivalisierende Lager. Warum kam es zum Bruch des Teams? Weshalb versagte die zwischenmenschliche Kommunikation? 'Das Scheitern der bemannten Raumfahrt' versucht diese Fragen anhand von psychologischen Studien und Aussagen der Insassen auf akustischem Wege nachzugehen." Hier kann man das Hörspiel anhören und herunterladen (45 Minuten).
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Für Sinn und Verstand

Der Corriere bringt ein Gespräch zwischen Hans Ulrich Obrist und Gerhard Richter. Unter anderem kommen sie auf den RAF-Zyklus Richters zu sprechen. Richter erzählt, dass ein Gefühl der Befremdung am Anfang stand: "Wir kamen aus dem Osten, und wir waren glücklich, in den Westen gelangt zu sein. Wir waren überwältigt von der Freiheit, die es da gab. Und dann kam die sogenannte 68er-Generation und sagte, das ist gar keine Freiheit, das ist Faschismus. Ich kam aus einem quasi faschistischen Staat und war erstaunt über ihre Konsequenz und darüber, wie mächtig ein Glaube werden kann."

Im New Yorker untersucht Lizzie Widdicombe die neuesten Entwicklungen aus den Küchen synthetischer Essensforscher. Soylent heißt tatsächlich das Produkt der Stunde, zusammengerührt von ein paar vom ewigen Aufwärmen der Fertiggerichte und dem Abwasch angenervten Elektroingenieuren und dazu angetan, nicht nur unsere Essgewohnheiten, sondern unsere ganze Lebensweise zu verändern: "Als Ende der Ernährung apostrophiert, beschwört Soylent eine Welt ohne Pizzerias und Taco Bell herauf. Beigefarbenes Pulver anstelle von Bananenbrot. Wir schlürfen Brei anstatt uns in der Eisdiele zu vergnügen." Rob Rhinehart, einer der Macher von Soylent, sieht das ein bisschen anders, nämlich als Trennung von funktionalem und sozialem Essen. "Soylent soll nicht unsere Potluck-Dinners ersetzen, sondern Tiefkühlkost … Die Formel für Soylent besteht aus sämtlichen Hauptnahrungsmittelgruppen - Lipide aus Canolaöl, Kohlehydrate aus Maltodextrin, Protein aus Reis usw., ergänzt durch Fischöl, Vitamine und Mineralien und etwas Sucralose, um den Geschmack der Vitamine zu kaschieren." Vorteil des synthetischen Essens: Man kann tagelang mit Arbeit zubringen ohne lästige Essensunterbrechungen. Nachteil: "Mit einer Pulle Soylent auf dem Schreibtisch, dehnt sich die Zeit schier endlos, gestaltlos und ein bisschen traurig."