Spätaffäre

Ankunft einer neuen Nanny

Vorschläge zum Hören, Sehen, Lesen. Wochentags um 17 Uhr
30.05.2014. Auf Youtube finden wir eine Aufführung von Alois Zimmermanns grandioser Oper "Die Soldaten" in der Inszenierung von Alvis Hermanis. Es spielen die Wiener Philharmoniker unter Ingo Metzmacher. Ein SWR-Radioessay von Daniel Hornuff umkreist das Verhältnis zwischen Dokumentation und Kunst. Und im New Statesman nimmt John Gray die Sinologen am Ohr: Sie waren es nicht, die über Maos Verbrechen aufgeklärt haben.

Für die Augen

In München ist gerade eine vielfach gelobte Inszenierung von Alois Zimmermanns grandioser Oper "Die Soldaten" zu sehen. Hier die Aufführung von den Salzburger Festspielen aus dem vorigen Jahr, inszeniert von Alvis Hermanis und dirigiert von Ingo Metzmacher. Es spielen die Wiener Philharmoniker.



Und hier der zweite Teil von Elmar Theveßens ZDF-Dokumentation "Verschwörung gegen die Freiheit", der sich u.a. mit der Rechtmäßigkeit einer flächendeckenden Überwachung durch deutsche oder ausländische Geheimdienste beschäftigt. Etwa 45 Minuten. (Den ersten Teil findet man hier.)
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Für die Ohren

Das Dokument und die Kunst - in seinem SWR-Radioessay "Tribunal über die Wirklichkeit?" umkreist Daniel Hornuff die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Dokumentarischen und den Künsten. Aus dem Programmtext: "Für den Schriftsteller Peter Weiss war die Sache klar: Ein Künstler, der mit Dokumenten arbeitet, ist Richter über die Wirklichkeit. Seine Räume - ob Theater, Museum oder Kino - seien Tribunale in zweiter Instanz. Kunst als Nachverhandlung der Realität - hat sich diese Vision nicht längst erschöpft? Keineswegs. Nie zuvor war das Dokumentarische in der Kunst so präsent wie heute." Hier kann man die Sendung hören (47 Minuten)

Neu im Hörspielangebot des WDR: "Turing Bytes - Botschaften aus einer unsichtbaren Welt", ein Hörspiel von Nika Bertram über die rätselhaften Nachrichten, die Computerpionier Alan Turing unter der Überschrift "Messages from the unseen World" kurz vor seinem Selbstmord per Postkarte verschickt hat. Aus dem Programmtext: "Die junge Bioinformatikerin Sarah versucht 60 Jahre später, Turings Rätsel zu entschlüsseln. Im Nachlass ihrer Mutter, die auch für den britischen Geheimdienst gearbeitet hat, hat Sarah eine Nachricht von Turing mit Hinweisen auf einen 'Silberschatz' gefunden. Die Suche danach wird für Sarah zum Beginn einer Obsession." Hier kann man das Hörspiel herunterladen (53 Minuten).
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Für Sinn und Verstand

John Gray bespricht im New Statesman den Sammelband "Mao's Little Red Book", der zwar ganz interessant beleuchte, welchen Einfluss einst die Mao-Bibel im Westen hatte, aber kein Wort über Maos Verbrechen verliere. Gray findet das symptomatisch für die Sinologie an den Universitäten: "Wahrscheinlich werden einige einwerfen, dass wir um Maos Versäumnisse wissen - warum also auf ihnen herumreiten? Aber wenn wir heute das Ausmaß von Maos Verbrechen kennen, dann ist das nicht das Ergebnis von jahrzehntelanger akademischer Arbeit. Die erste gründliche Untersuchung zur großen Hungernot, 'Hungry Ghosts' (1996), wurde von dem in Hongkong lebenden Journalisten Jasper Becker verfasst. Erst 2010 erschien 'Maos Großer Hunger' des Historikers Frank Dikötter, eine wegweisende Studie, die auf jahrelanger Forschung in den jüngst geöffneten chinesischen Archiven basiert. Abgesehen von den Erinnerungen der Überlebenden, wurden die menschlichen Kosten der Kulturrevolution am besten in den Büchern 'Chinese Shadows' und 'The Burning Forest' von Simon Leys erfasst (ein Pseudonym des belgischen Sinologen und Schriftstellers Pierre Ryckmans). Eine Offenbarung und Maßstab für alle ist die Arbeit 'Mao' von Jung Chang und ihrem Mann Jon Halliday. Abgesehen von Dikötters wurde keines dieser Bücher über die menschlichen Erfahrungen unter Mao von einem Wissenschaftler geschrieben."

In der aktuellen Ausgabe des Magazins befasst sich Ian Parker mit dem englischen Schriftsteller Edward St. Aubyn und seinen kommerziell höchst erfolgreichen Versuchen, den von der Mutter geduldeten sexuellen Missbrauch durch den eigenen Vater und seine Drogensucht mittels des Alter Ego Patrick Melrose literarisch zu verarbeiten. Parker stellt die Verbindung her zwischen Fiktion und einer finsteren Wirklichkeit, die in der "Patrick Melrose"-Trilogie offenbar nur ansatzweise Niederschlag findet: "Edward St. Aubyn zufolge begannen die Übergriffe durch den Vater, als er drei Jahre alt war und endeten, als er acht war. Nick Ayer kennt eine Frau, die als Kind ebenfalls von Roger (St. Aubyn) missbraucht wurde. Wenn Patrick in 'Zu guter Letzt' Momente der Missbrauchsgeschichte in seiner Familie rekapituliert, eine Geschichte, die laut St. Aubyn Reportagecharakter hat, gibt es Bezüge zu anderen Opfern neben Patrick … Dies erinnernd, beschreibt St. Aubyn die Ankunft einer neuen Nanny. 'Sie sagte, ich bin deine neue Nanny, und nun ist es Zeit für ein Bad, mach dich fertig. Ich ging und zog einen Anzug an, Krawatte, Schuhe, Socken. Sie fragte, was das soll, und ich antwortete: Sie sind eine Fremde, ich werde mich nicht vor ihnen ausziehen. Ich stieg also bekleidet wie ich war in die Wanne. Es ist klar, warum ich das tat."