Lutz Büge, Charles Dickens

Der Fall Edwin Drood

Eine Zeitreise
Cover: Der Fall Edwin Drood
MännerschwarmSkript Verlag, Hamburg 2003
ISBN 9783935596169
                         , 332 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Übersetzung der Originalpassagen aus dem Englischen von Heike Steffen. Ein verschlafenes Nest im England des 19. Jahrhunderts: ein sportlicher Vikar, der bei seiner Mutter wohnt, ein exotisch-schönes Geschwisterpaar aus den Kolonien, ein opiumsüchtiger Kantor und sein reizender Neffe. Wie in Filmen von Alfred Hitchcock scheint die Welt in Ordnung zu sein, aber dann geschieht das Undenkbare: Edwin Drood, der Neffe des Kantors, verschwindet spurlos. Die Bewohner des Städtchens geraten in Aufruhr ... und der Autor Dickens stirbt, ohne seinen letzten Roman vollendet zu haben. In England hat es seit Dickens' Tod zahlreiche Versuche gegeben, den fehlenden Schluss nachzuliefern; vor einigen Jahren hat sich das italienische Autorenduo Fruttero&Lucentini an dem Stoff versucht. Lutz Büge zeigt, was allzu nahe liegt und doch noch niemandem in den Sinn gekommen ist: wie gut sich alles zusammenfügt, wenn man in Betracht zieht, dass es auch zwischen Männern zarte Gefühle geben kann. Innerhalb einer Rahmenhandlung aus dem Jahr 191 n. D. liefert der Autor eine verschlankte Fassung der Romanhandlung; die Höhepunkte der Geschichte wurden für diese Ausgabe neu aus dem englischen Original übersetzt. Und dann entwickelt sich ein Schluss, wie wir ihn von Dickens kennen: die Guten werden glücklich, die Bösen werden bestraft, die Liebenden finden zueinander, und die Seelen der untoten Romanfiguren werden endlich erlöst!

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.02.2004

Der Rezensent Wolfgang Hettfleisch fühlt sich durchaus gut unterhalten von dieser Weiterbearbeitung der von Charles Dickens unvollendet gelassenen Detektivgeschichte - auch wenn die Auflösung des Mordes an Edwin Drood zunächst ungewöhnlich anmutet. Lutz Büge hat die Geschichte zu Ende geschrieben und aus dem Protagonisten einen lebensfrohen Schwulen gemacht, der nach seinem Coming Out von seinem Onkel ermordet wurde - nach dem Eindruck des Rezensenten musste er dafür gar nicht viel an dem Original verändern. Dementsprechend findet Hettfleisch solche Einwände, wie er sie vom "ambitionierten Literaturfreund" erwartet - etwa "Dickens sei als verkannter Erfinder des schwulen viktorianischen Schlüsselromans denkbar ungeeignet", schon allein wegen seiner großen Kinderschar - überflüssig. Die Wahrheit ist sowieso kaum feststellbar, insofern ist ja entscheidend, dass die Erzählung unterhaltsam ist. Und weil das so ist, wünscht sich der Rezensent, dass "Büges an Anspielungen und Ironie reich verziertes Spiel mit Dickens' unvollendetem Spätwerk nicht im rosafarbenen Elfenbeinturm der Schwulen-Buchläden verkümmert".