Vorgeblättert

Leseprobe zu Michael Hardt, Antonio Negri: Common Wealth. Teil 2

22.02.2010.
S. 46 ff

Das Verschwinden der Körper im Fundamentalismus

"Fundamentalismus" ist zu einem unscharfen und überstrapazierten Ausdruck geworden, der in den allerhäufigsten Fällen rigide und intolerante Glaubens­systeme bezeichnet. Was die verschiedenen Fundamentalismen allerdings in hohem Maße eint, ist ihr eigentümliches Verhältnis zum Körper. Auf den ers­ten Blick könnte man annehmen, Fundamentalismen seien ein extremes Beispiel für eine Körperperspektive, die für die Biopolitik zentral ist. Tatsächlich widmen sie dem Körper eine außerordentliche, ja sogar obsessive Aufmerksamkeit, machen nicht nur sein Äußeres, sondern zugleich alles, was er aufnimmt oder abgibt, seine Ausdrucks- und Praxisformen zum Gegenstand ständiger Beobachtung und Bewertung. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die fundamentalistische Wachsamkeit und Kontrolle über den Körper ausschließt, was für die Biopolitik im Mittelpunkt steht: die Produktivität der Körper, die Möglichkeit der Konstruktion des Seins "von unten", durch Körper in Aktion. Fundamentalismen hingegen sind von dem Gedanken beherrscht, jene Produktivität zu unterbinden oder einzuschränken. Letzten Endes bringen Fundamentalismen den Körper zum Verschwinden, insofern sich zeigt, dass der Körper nicht wirklich Objekt der obsessiven Aufmerksamkeit ist, sondern bloßes Zeichen einer transzendenten Form oder eines höheren Wesens. (Das ist im Übrigen ein Grund, warum Fundamentalismen angesichts heutiger Machtstrukturen so unzeitgemäß scheinen: Schluss­endlich beziehen sie sich auf eine transzendente statt auf eine transzendentale Ebene.) Es ist also eine doppelte Beziehung zum Körper - ihn in den Mittelpunkt zu stellen und ihn zugleich zum Verschwinden zu bringen -, die den Fundamentalismus charakterisiert und definiert; an diesem Punkt treffen sich die verschiedenen, disparaten Fundamentalismen, sodass es möglich wird, im Vergleich dazu den Charakter und die Eigenart der biopolitischen Körperperspektive deutlicher herauszustellen.
     Die religiösen Fundamentalismen der großen Glaubensgemeinschaften - Judentum, Christentum, Islam und Hinduismus - sorgen sich alle nachdrücklich um den Körper und unterwerfen ihn ständiger Überwachung: durch E­rnährungsregeln und körperliche Rituale, durch Sexualvorschriften und -ver­bote, durch Praktiken körperlicher Kasteiung und Verleugnung. Tatsächlich unterscheiden sich Fundamentalisten von gewöhnlichen Anhängern einer Religion in erster Linie durch die extreme Bedeutung, die sie dem Körper, seinen Handlungen und Verrichtungen beimessen, dem, wie er in der Öffentlichkeit erscheint, was er aufnimmt und abgibt. Wenn fundamentalistische Regeln vorschreiben, bestimmte Körperteile durch einen Schleier, einen Schal, ein Kopftuch oder andere Kleidungsstücke zu verbergen, so unterstreicht auch das in Wahrheit die außerordentliche Bedeutung des Körpers. Es sind ganz offensichtlich die Körper von Frauen, die für die religiösen Fundamentalismen zum Gegenstand der obsessivsten Formen der Überwachung und Reglementierung werden, doch bleiben Körper in keinem Fall von Kontrolle und Beobachtung verschont - männliche so wenig wie die von Heranwachsenden und Kindern oder sogar die Körper von Toten. Der fundamentalistische Körper ist mächtig, brisant, prekär, und deshalb bedarf er ständiger Kontrolle und Sorge.
     Die religiösen Fundamentalismen eint zugleich, dass sie den Körper letzten Endes in einem transzendenten Reich verschwinden lassen. Die religiös-fundamentalistische Fokussierung auf den Körper durchdringt ihn wie ein Röntgenstrahl, denn eigentlich geht es um die Seele. Existierten Ernährungsvorschriften nur um der körperlichen Gesundheit willen, so gäbe es lediglich ausgearbeitete Speisepläne, und die Regeln über den Verzehr von Schweinefleisch, Rindfleisch oder Fisch würden sich nach dem Kalorienbedarf richten und danach, durch Nahrungsmittel übertragbare Krankheiten auszuschließen. Was der Körper aufnimmt, ist allerdings in erster Linie für die Seele und ihr Befinden von Bedeutung - oder vielmehr für die Zugehörigkeit der und des Einzelnen zur religiösen Gemeinschaft. Faktisch unterscheiden sich beide Themen nicht besonders, denn schließlich ist das Wohlbefinden der Seele in gewisser Weise einfach ein Indikator, um die identitäre Zugehörigkeit zu bestimmen. Vergleichbar gilt die Kleidung, die den Körper bedeckt, als ein Hinweis auf innere Tugendhaftigkeit. Die höchste Form der Verleugnung des Körpers schließlich findet sich in fundamentalistischen Vorstellungen des Märtyrertods. Der Körper des Märtyrers (oder der Märtyrerin) ist für die heroische Tat zentral, doch die Tat selbst zielt auf eine transzendente Welt, ein Jenseits. An diesem Punkt steigert sich die fundamentalistische Beziehung zum Körper ins Extrem, seine Affirmation ist gleichbedeutend mit seiner Vernichtung.
     Auch nationale und nationalistische Fundamentalismen konzentrieren sich auf den Körper, wenn sie ihre ganze Sorge und Aufmerksamkeit der Bevölkerung zuwenden. Die nationale Politik setzt auf eine breite Palette von Maßnahmen im Gesundheits- und Wohlfahrtsbereich, sie untersucht Geburtenraten und sanitäre Verhältnisse, Ernährungsverhalten und Wohnsituation, kümmert sich um Seuchenschutz und das Reproduktionsverhalten. Die Körper selbst konstituieren die Nation, und daher ist die vornehmste Aufgabe der Nation, sie zu schützen und zu bewahren. Vergleichbar den religiösen Fundamentalismen allerdings sehen Nationalismen in den Körpern, obwohl der Blick einzig auf sie gerichtet scheint, vor allem ein Indiz oder Symptom eines höheren, transzendenten Zwecks, nämlich der nationalen Identität. Was die Sittlichkeit anbelangt, schaut der Nationalismus an den Körpern vorbei, denn es geht ihm um das nationale Wesen; während der Militarismus in den Körpern die Opfer in der Schlacht sieht, in denen sich der nationale Geist offenbart. Der Märtyrer oder der patriotische Soldat sind daher auch für den Nationalismus paradigmatische Figuren: Der Körper ist dafür geschaffen, zu verschwinden und lediglich einen Fingerzeig auf ein Höheres zu geben.
     Legt man dieses charakteristische doppelte Verhältnis zum Körper zugrunde, ist es sinnvoll, auch Vorstellungen weißer Suprematie (und Rassismus im Allgemeinen) als Formen des Fundamentalismus anzusehen. Den modernen Rassismus im 19. und 20. Jahrhundert kennzeichnet ein Prozess der "Epidermisierung", durch den rassistische Hierarchien auf die "Haut" projiziert werden - auf die Hautfarbe, ihren Geruch, ihre Konturen und ihre Oberflächenbeschaffenheit.(34) Vorstellungen weißer Suprematie und kolonialer Macht sind nicht zuletzt dadurch charakterisiert, sich auf geradezu manische Art mit dem Körper zu beschäftigen, auch und gerade weil die körperlichen Merkmale von "Rasse" nicht wirklich stabil und verlässlich sind. Eine Person, die als "weiß" durchgeht, es aber nicht ist, stellt für den weißen Rassisten die größte Besorgnis dar, und tatsächlich ist etwa die Kultur- und Literaturgeschichte der Vereinigten Staaten voller Beispiele der existenziellen Angst vor "Übergängen" und "rassischer Ambiguität". In solchen Ängsten wird zugleich klar, dass es in den Vorstellungen weißer Suprematie letztlich nicht wirklich (oder nicht einfach) um Körper geht, sondern dass auch hier der Blick durch den Körper hindurch auf ein Wesen gerichtet ist, das ihn transzendiert. Diskurse über das Blut, der Verweis auf Herkunft und Abstammung - im Übrigen das wichtigste Band zwischen Rassismus und Nationalismus - stellen einen weiteren Weg dar, jene Wesensdifferenz auch jenseits des Körpers zu artikulieren. In jüngerer Zeit haben sich rassistische Diskurse darüber hinaus weiter verschoben und sind in gewisser Weise von der Haut auf die Molekularstruktur übergegangen, da heute Biotechnologie und DNA-Tests neue Markierungen "rassischer" Unterschiede ermöglichen, doch auch diese molekularen körperlichen Merkmale sind in Wirklichkeit nur Verweise auf ein transzendentes "rassisches" Wesen.(35) (Schließlich weist der Rassismus immer schon eine spirituelle oder metaphysische Seite auf.) Allerdings sollten uns all diese Aspekte nicht zu der Annahme verleiten, Vorstellungen weißer Suprematie hätten nun gar nichts mit dem Körper zu tun. Denn wie auch im Fall anderer Fundamentalismen kennzeichnet den Rassismus ein doppeltes Verhältnis zum Körper: Der Körper bedeutet alles und verschwindet zugleich.
     Die gleiche doppelte Beziehung zum Körper schließlich verweist darauf, dass auch der Ökonomismus als eine Art Fundamentalismus anzusehen ist. Auf den ersten Blick geht es auch im Ökonomismus nur um Körper in ihrer reinen Materialität, insofern davon ausgegangen wird, dass die materielle Realität ökonomischer Verhältnisse und Aktivitäten ausreicht, die Reproduktion zu gewährleisten, ohne dass andere, weniger körperlich greifbare Faktoren wie etwa Ideologie, Recht, Politik oder Kultur etc. einbezogen werden oder hinzutreten müssten. Die Körper, die der Ökonomismus in erster Linie im Blick hat, sind die Warenkörper, und zu diesen Waren gehören gleichermaßen die produzierten materiellen Güter wie die leibhaftigen menschlichen Körper, die sie produzieren und zum Markt tragen. Zugleich muss auch der menschliche Körper selbst - mittels anderer Waren, durch deren produktive Konsumtion - beständig produziert und reproduziert werden. In diesem Sinne sieht der Ökonomismus lediglich eine Welt von Körpern: produktive Körper, produzierte Körper, konsumierte Körper. Obwohl es also scheint, dass die Aufmerksamkeit ganz exklusiv den Körpern gilt, geht der Blick durch sie hindurch, denn im Mittelpunkt steht der Wert, der sie transzendiert. Von daher rühren die "metaphysischen Spitzfindigkeiten und theologischen Macken" des Ökonomismus, sowohl in seinen kapitalistischen als auch seinen sozialistischen Spielarten.(36) So gesehen sind die tatsächlichen Körper, von Menschen oder von Gütern, letztlich für den Ökonomismus nicht Gegenstände des Interesses; was wirklich zählt, ist die Quantität des (ökonomischen) Werts, der in den Körpern steckt oder hinter ihnen steht. Hier begegnen wir dem Grund, warum menschliche Körper Waren werden können, das heißt sich von anderen Waren nicht unterscheiden: vor allem, weil ihre Singularität verschwindet, sobald sie nur unter dem Aspekt betrachtet werden, Wert zu sein. Dergestalt ist auch dem Ökonomismus eine typisch fundamentalistische Beziehung zum Körper eigen: Der stoffliche Körper ist von großer Bedeutung, doch zugleich verschwindet er auf der transzendenten Ebene des Werts.
     Eine letzte Überlegung, bevor wir die Thematik verlassen: Auch wenn all diese Fundamentalismen - religiöser, nationalistischer, rassistischer und ökonomistischer Art - in letzter Instanz den Körper und seine Potenziale negieren, unterstreichen sie, zumindest zunächst, seine Bedeutung. Das ließe sich eventuell bearbeiten. Eine Umleitung und Subversion der fundamentalis­tischen Aufmerksamkeit für den Körper könnte, mit anderen Worten, als Ausgangspunkt einer Perspektive dienen, der es darum zu tun ist, die Bedürfnisse und Potenziale der Körper geltend zu machen.
     Was den religiösen Fundamentalismus angeht, so ist eines der interessantesten und faszinierendsten (doch zugleich komplizierten und widersprüchlichen) Beispiele das biopolitische Potenzial, das Foucault im Jahr vor der Revolution im Iran in den islamistischen Volksbewegungen gegen die Regierung des Schahs wahrnimmt. Im Auftrag der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera unternimmt er im September und November 1978 zwei einwöchige Reisen in den Iran und schreibt eine Serie kurzer Artikel, in denen er in einfachen, oft bewegenden Worten die Entwicklung des Aufstands gegen das Regime schildert; er liefert grundlegende Analysen der Kräfteverhältnisse im Lande, erörtert die Bedeutung des iranischen Öls im Kalten Krieg, die politische Macht des Schahs, die Brutalität der Repression und vieles andere. In seinen Aufsätzen wird Foucault selbstverständlich nicht zum Unterstützer des politischen Islam und stellt klar, dass es am schiitischen Klerus oder am Islam als solchem nicht Revolutionäres gebe, doch zugleich erkennt er, dass die Religion im Iran, wie es sich auch in Europa und anderswo in anderen historischen Situationen zugetragen hat, die Kämpfe in ihrer Form definiert, das heißt die Massen (als Massen) mobilisiert. Die Vermutung liegt nahe, dass Foucault, obwohl er die Begriffe nicht verwendet, über das biopolitische Potenzial des islamischen Fundamentalismus im iranischen Widerstand nachdenkt. Zwei Jahre zuvor veröffentlichte er den ersten Band von Sexualität und Wahrheit, und kurze Zeit später sollte er die Vorlesungen am College de France zur Geburt der Biopolitik halten. Es überrascht daher nicht, dass er in den Aufsätzen zum Iran sensibel für die Art und Weise ist, wie sich religiöse Kräfte in den sozialen Bewegungen mit großer Sorgfalt in das Alltagsleben, in familiäre Bande oder in die gesellschaftlichen Beziehungen einschalten. Im Zusammenhang mit dem Volksaufstand, so Foucault, "versprach und garantierte ihnen die Religion ? vor allem, dass sie die Möglichkeit hatten, ihr subjektives Dasein radikal zu verändern".(37) Nun ist es nicht unsere Absicht, Foucault vorzuwerfen, dass nach dem Sturz des Schahs ein theokratisches repressives Regime die Macht übernahm, ein Regime, gegen das er im Übrigen protestierte. Wesentlich ist an seinen Artikeln vielmehr, wie es ihm gelingt, in den religiösen Fundamentalismen der Rebellion und in ihrer Fokussierung auf Körper die Elemente einer biopolitischen Potenzialität auszumachen: Unter Umständen hätte sie, wäre die Entwicklung anders verlaufen und die Blockade im theokratischen Regime vermieden worden, eine radikale Transformation der Subjektivität herbeiführen und Teil eines Projekts der Befreiung werden können.
     Im Falle des Nationalismus bedarf es keines ähnlich komplexen Beispiels, um die möglicherweise darin enthaltenen progressiven Elemente zu erkennen. Besonders im Verlauf der nationalen Befreiungskämpfe gaben nationalistische Ideologien die Folie für ein Experimentieren mit zahlreichen unterschiedlichen politischen Praxisformen ab.(38) Zu denken wäre beispielsweise an die extrem körperliche Dimension der Unterdrückung (wie auch der Befreiung), die Frantz Fanon im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Psychiater während der Algerischen Revolution analysiert. Die Gewalt des Kolonialismus, die die Institutionen wie die alltäglichen Formen der Herrschaft durchzieht, lagert sich in den Körpern der Kolonisierten ab. Der Arzt Fanon erklärt, mit der Gewalt verhalte es sich wie in einem thermodynamischen System, das heißt, Gewalt, die der Körper zu "schlucken" habe, müsse irgendwo wieder heraus. Meistens manifestiert sie sich bei den Kolonisierten durch psychische Störungen - durch eine nach innen, gegen die eigene Person gerichtete Gewalt - oder auch in Formen von Gewalttätigkeit unter Kolonisierten, einschließlich blutiger Fehden zwischen Stammesgemeinschaften, Clans und Individuen. Den nationalen Befreiungskampf interpretiert Fanon als eine Art Training für den Körper, um die Gewalt nach außen wenden zu lernen gegen die, von denen sie ausging, die kolonialen Besatzer.(39) Die Flagge des revolutionären Nationalismus versetzt die gefolterten, leidenden Körper mithin in die Lage, ihre wahre Macht zu entdecken. Fanon ist sich dabei sehr wohl bewusst, dass mit dem Erreichen der Unabhängigkeit Nation und Nationalismus erneut zu Hindernissen werden und die Dynamik beenden, die die Revolution eröffnete. Nationalismus kann dem Fundamentalismus niemals vollständig entgehen, doch sollte uns das nicht blind für die Tatsache machen, dass sich, insbesondere im Kontext nationaler Befreiungskämpfe, mit der nationalistischen Fokussierung auf den Körper biopolitische Praxisformen entwickeln, die sich, solange ihre Dynamik ungebrochen ist, als außerordentlich mächtig erweisen können.
     Auf eine ein wenig paradoxe Weise kann man auch im Fall des mit Vorstellungen weißer Suprematie verbundenen Fundamentalismus erkennen, wie sich, ausgehend von der Fokussierung auf den Körper, die Möglichkeit einer biopolitischen Praxis eröffnet. So geht, um ein Beispiel anzuführen, in den USA der 1960er und 1970er Jahre die Black Power-Bewegung daran, die dem rassistischen Denken zugrunde liegende "Epidermisierung" der Unterschiede zwischen Menschen umzukehren und umzuwerten. Black Power konzentriert sich auf das Körperäußere - auf Hautfarbe, Aussehen der Haare, Gesichtsform etc. -, doch nicht, um die Haut zu "weißen" oder das Haar zu glätten. "Schwarz werden", lautet das Ziel, nicht so sehr wegen des "black is beautiful" als vielmehr aus der Vorstellung heraus, blackness sei gleichbedeutend mit dem Kampf um Freiheit.(40) Hier entfaltet sich weniger ein antirassistischer denn ein gegenrassistischer Diskurs, einer, der die Fokussierung auf den Körper dazu benutzt, blackness positiv zu besetzen. Zugleich bleibt hervorzuheben, dass der Bumerang Gegenrassismus die Fokussierung auf den Körper in diesem Fall nicht an irgendein transzendentes, metaphysisches Moment koppelt, durch das der Körper verschwinden würde; in Fällen allerdings, in denen das geschieht, in denen also tatsächlich eine essentielle, spirituelle blackness zum dominanten Element des Gegenrassismus wird, entwickelt er sich zu einem neuen Fundamentalismus. Bleibt er mit dem Materiellen verknüpft, mit der Schönheit und der Macht der Körper, eröffnet der Gegenrassismus die Möglichkeit einer biopolitischen Praxis.
     Marx schließlich zeigt in der Auseinandersetzung mit der klassischen politischen Ökonomie in seinem Frühwerk die Möglichkeit auf, den Ökonomismus zu untergraben. Er arbeitet heraus, in welch hohem Maß der Körper und seine Produktivität im Werk von Adam Smith und anderen im Mittelpunkt stehen, stellt aber zugleich fest, wie jene Produktivität der arbeitenden Körper immer weiter eingeschränkt und schließlich ausgeblendet wird, sobald sie lediglich als Produzenten des Werts für das Kapital gelten. Diese Erkenntnis inspiriert Marx zu ein paar der lyrischsten Passagen seines Werks, und er unternimmt den Versuch, die ganze Produktivität der Körper in allen Bereichen des Lebens zu rehabilitieren. Die vom Privateigentum befreite Arbeit berührt all unsere Sinne und Fähigkeiten zugleich, mit anderen Worten, jedes unserer "menschlichen Verhältnisse zur Welt, Sehn, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, Denken, Anschauen, Empfinden, Wollen, Tätigsein, Lieben".(41) Werden Arbeit und Produktion in diesem weiten Sinn verstanden, der alle Bereiche des Lebens einbezieht, ist es unmöglich, die Körper auszublenden und sie einem transzendenten Maß oder einer transzendenten Macht zu unterwerfen.
     In jedem der genannten Zusammenhänge eröffnet sich so durch die gesteigerte Aufmerksamkeit für den Körper, die dem Fundamentalismus eigen ist, zugleich eine biopolitische Perspektive. Biopolitik ist das ultimative Gegengift gegen den Fundamentalismus, weil sie sich der Installation transzendenter, spiritueller Werte und Strukturen widersetzt, weil sie Widerstand dagegen leistet, die Körper in den Hintergrund zu drängen, und stattdessen deren Macht und Potenzial betont.

Teil 3