Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
10.11.2003. In dieser Woche lesen Sie: Auf wieviel Potters die Branche hofft - vielleicht fünf Millionen? Und warum man da skeptisch sein kann. Mit wem der Bertelsmann Club immer npoch im Clinch liegt. Und wer glaubt, dass man den Börsenverein entzweischlagen sollte. Von Sandra Evertz

Börsenblatt

Harry Potter beschäftigt dieser Tage viele Deutsche - auch den Medienpsychologen Stephan Grünewald. In mehrfacher Hinsicht leiste die Figur reale und generationsübergreifende psychologische Entwicklungshilfe, erklärt Grünewald im Börsenblatt und misst dem Roman über seinen Unterhaltungswert hinaus große Bedeutung zu. "Die widrigen Lebensumstände und beschränkten Verhältnisse, denen Harry Potter zu entkommen sucht, sind gleichzeitig Trost und Zuversicht." Vorbildlich findet Grünewald auch den Lebensweg der Autorin. Die sei ihrer inneren Stimme gefolgt und habe sich mit dem Schreiben der "Potter"-Romane aus dem Sumpf einer persönlichen Lebenskrise gezogen.

"Search Inside The Book", das neue Angebot des amerikanischen Online-Buchhändlers Amazon (Archiv), stößt auf Kritik. Man könne nicht nur innerhalb von 20 Minuten ein Fünftel eines Buchs herunterladen, auch der komplette Download eines Werks sei kein Problem und damit werde das Urheberrecht verletzt, bemängelten amerikanische Verleger und Autoren im Fachmagazin Publishers Weekly. So gut wie sicher sei, dass die Suchmaschine Google dem Beispiel von Amazon folge, Verhandlung mit Verlagen liefen bereits. "Ob und wann wir (in Deutschland) den Service anbieten werden, ist nicht sicher", erzählte Amazon.de-Sprecherin Christine Höger dem Börsenblatt.

Die kleinste Auflage bei Books on Demand (mehr) besteht aus einem Exemplar. Das kostet vergleichsweise wenig, ab 369 Euro aufwärts. Die Gestaltungsfreiheit ist bei entsprechenden Aufpreisen groß. Klingt erst mal gut. Und während viele deutsche Verlage derzeit ihre Novitätenproduktion zurückfahren, nimmt BoD im Schnitt auch täglich sieben neue Buchprojekte an. "BoD hat zwar bewiesen, dass die Geschäftsidee ,Erst verkaufen, dann produzieren' funktioniert, doch der große Durchbruch steht noch aus", schreibt das Börsenblatt. Kein sicheres Sprungbrett also für Nachwuchsautoren. Das Image digital gedruckter Bücher sei nach wie vor nicht das beste. Die BoD-Titel fänden im Literaturbetrieb kaum Beachtung.

Meldungen: Mit dem internationalen Buchpreis Corine wurden in München folgende Schriftsteller ausgezeichnet: Donna Leon, Inge und Walter Jens, Nina Hagen und Marcel Feige, Cornelia Funke, Hans-Olaf Henkel, Jonathan Safran Foer, Nadine Gordimer und Ken Follett. Der Sortimentsbuchhandel hat sich im September mit einem elfprozentigen Plus gegen den Trend des gesamten Einzelhandels positiv entwickelt. Ted Honderichs umstrittenes Buch "Nach dem Terror" (Suhrkamp) wird im Dezember in neuer Übersetzung im Abraham Melzer Verlag erscheinen. Roger Willemsen wird ab Februar als Nachfolger von Daniel Cohn-Bendit den Literaturclub bei 3sat moderieren. Frankfurter Buchmesse: Für einen Messeverkauf an allen Tagen sprachen sich 45,2 Prozent von 527 befragten deutschen Ausstellern aus, von den 1025 ausländischen Ausstellern votierten nur 27,6 Prozent dafür. Festgelegt hat die Buchmesse, dass der Mittwoch bis Freitag künftig den Fachbesuchern vorbehalten bleibt - der lange Messefreitag fürs Publikum ist damit gestrichen.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Die Verkaufsschlacht um Harry Potter V ist eröffnet, der Buchreport hat dem Zauberlehrling ganze 11 (von 40) Seiten reserviert. Einer kann sich jetzt entspannt zurücklehnen: Klaus Fritz. Er übersetzte das 768 Seiten fassende englischsprachige Original ins Deutsche - 13 Wochen hatte er dafür Zeit. "Die Ruhe für diese Höchstleistung fand Fritz, indem er an wechselnden Orten abtauchte: im Gartenhaus, in der Zweitwohnung und sogar der Einsamkeit eines Weinbergs", weiß der Buchreport. Angespornt worden sein dürfte er von Joanne K. Rowling selbst. Die schottische Autorin, die passabel Deutsch sprechen soll, habe Fritz versichert, dass ihr seine Übersetzungen gut gefielen.

Der deutsche Potter-Verlag Carlsen glaubt, dass er, unter der Voraussetzung, dass die Verkaufskurve in Deutschland weiterhin linear steigt, Harry Potter V "locker" fünf Millionen Mal absetzen kann. Zweifler stellen das, laut Buchreport, in Frage, denn die 1024 Seiten Umfang der deutschen Fassung überstiegen das Durchhaltevermögen junger Leser, der Preis von 28,50 Euro liege außerhalb der Jugendbuch-Dimension und im Vorfeld seien in Deutschland schon eine halbe Million Exemplare des Originals verkauft worden.

Joanne K. Rowling hat ihre ganz eigenen Marketingstrategien. Sie leistet sich auch unpopuläre Entscheidungen und scheint damit richtig zu liegen. Den ausländischen Verlagen schickte sie die Wirtschaftsprüfer ins Haus, den einzigen Auftritt ihrer "Lesetour" sagte sie ab, die Internetseiten ihrer Fans ließ sie offline stellen. "Doch all das konnte ihrem Image nicht schaden", kommentiert Peggy Voigt im Buchreport. "Joanne K. Rowling ist und bleibt eine große Kinderbuchautorin (...) Parallel dazu gelingt ihr die brillante Vermarktung der eigenen Fantasie." Beide Fähigkeiten machten sie zu einem Phänomen, so Voigt.

Der Streit zwischen dem Bertelsmann Club und dem Börsenverein um im Club erscheinende preiswertere Parallelausgaben - zeitgleich mit dem Original - ist noch im Gange (Archiv), schon sorgen die Bertelsmänner erneut für Ärger: Sowohl Bohlens "Hinter den Kulissen" als auch Beckers "Augenblick, verweile doch..." sind als gebundene Ausgaben im Club für jeweils knapp drei Euro billiger als das Original zu haben. Vom Konsens zwischen Club und Börsenverein, den Preis zu korrigieren oder eine broschierte Ausgabe anzubieten, sei im Weihnachtskatalog des Bertelsmann Clubs nichts zu sehen. "Chaos beim Club oder berechnendes Kalkül?" fragt der Buchreport.

Meldungen: Die Mayersche, in Köln seit 1998 Marktführer mit ihrem Buchhaus am Neumarkt, eröffnet im kommenden Jahr in der hochfrequentierten Einkaufsstraße Schildergasse eine weitere Filiale - auch mit dem Insolvenzverwalter von Bouvier-Gonski will die Mayersche Buchhandlung Gespräche über die Häuser in Köln und Bonn führen. Nach der Insolvenz der Buchhandlung Kiepert in Berlin ist die Fachbuchhandlung Lehmanns in deren "Haus Hardenberg" eingezogen. Und: die Bestsellerlisten.

buchreport.magazin

Wie entwickeln sich die Buchhandelsketten in Deutschland? Der für 2004 zum dritten Mal erscheinende Buchreport-Filialatlas besagt, dass die Filialisten, "seit zwei Jahrzehnten die Wachstumsmotoren der Branche", ihr "Tempo gedrosselt" haben. 2001 sei - mit 45 neu eröffneten Filialen und mehr als 28.000 zusätzlichen Quadratmetern Verkaufsfläche - das Rekordjahr gewesen. Statt auf Wachstum "auf Teufel komm raus", setzten die Ketten heute auf die Qualität des Standorts und größere Verkaufsflächen. Mit einer abgeschlossenen Filialisierung in Deutschland sei nicht zu rechnen.

Mit ihrer geplanten Übernahme von Ullstein Econ List hat die schwedische Bonnier-Gruppe die Aufmerksamkeit der Branche auf sich gezogen. "Von der kleinen Buchhandlung, die Gerhard Bonnier anno 1804 in Kopenhagen gegründet hat, bis zum Konzern mit 1,96 Milliarden Euro Umsatz - weltweit über 170 Töchtern in 20 Ländern verteilt - war es ein langer Weg. Doch immer stand (und steht) der Name Bonnier an der Spitze", bemerkt der Buchreport. Heute gehörte 60 Familienmitgliedern die Dachgesellschaft Albert Bonnier, viele Bonniers arbeiteten aktiv im Medienkonzern mit. Dessen Philosophie lasse sich in nur drei Stichworten zusammenfassen: Verantwortung, Qualität, Redefreiheit.

Wenn das, was Unternehmensberater Helmut von Berg prognostiziert, tatsächlich eintrifft, dann wird es die heutige Buchbranche in fünf Jahren nicht mehr geben. Die kleineren produzierenden Betriebe würden als Erste auf der Strecke bleiben, sagte von Berg im Buchreport-Interview. Die Theorie, dass die Großen zwangsläufig die Gewinner seien, sei ein Irrtum. Sie kämpften gegen die Wachstumsfalle. Von Bergs Rat: "Statt unbedingtes Wachstum zu suchen, sollten Unternehmen vor allem ihr jeweiliges Kerngeschäft pflegen und nur kalkulierbare Risiken eingehen."

Den wichtigsten Preis für Nachwuchsschriftsteller, den der Aspekte-Jury, konnte sich in diesem Jahr Roswitha Haring ins Regal stellen. Sie hätte das jetzt preisgekrönte Stück, "Bett aus Schnee", aufgrund der vielen Absagen von Verlagen schon abgeschrieben gehabt, und ein neues Buch angefangen. Die Lektorin des schweizerischen Ammann Verlags, Stephanie von Harrach, hätte sich dann des Manuskripts angenommen. Von Harrach nach der Preisvergabe: "Ich bin überrascht gewesen, dass solch ein Text, der sich nicht den Moden des Literaturbetriebs unterwirft, ausgezeichnet wird. Das hat mir den Glauben an den Literaturbetrieb zurückgegeben."

BuchMarkt

Was kaum jemand in der Branche laut auszusprechen wagt, verwurstet Heinz Gollard in seiner Kolumne im BuchMarkt. Im Streit zwischen den Sparten im Börsenverein rät er zu einer Trennung: "Gründet einen Verein für den Handel und einen für die Produzenten." Die von Börsenvereins-Vorsteher Dieter Schormann vielbeschworene Stärke, Konflikte intern zu lösen, werde von der Realität widerlegt. "Geklagt wird, weil der Ausgleich eben nicht hergestellt werden kann." In zwei Verbänden könnte es, vermutet Gollard, Nachteile für die Kleinen geben, aber es gäbe klarere Absprachen und deutlichere Sanktionen.

Billigausgaben, MA-Überproduktion und Kaufzurückhaltung haben die Kunstbuchverlage in den letzten Jahren ernüchtert. Die Emotionen der Verleger, die mit ihrer Sparte am Gesamtmarkt einen Anteil zwischen vier und sechs Prozent haben, schwanken hinsichtlich der aktuellen Marktsituation und programmatischen Perspektiven zwischen Hoffen und Bangen. Sie hätten sich auf die Realitäten eingestellt, ihre Programme angepasst und Wege aus der Krise gesucht, informiert der BuchMarkt in einem "Special Kunst". Dr. Edmund Jacoby (Gerstenberg) konzentriere sich zum Beispiel auf Titel, die neue ungewöhnliche Zugänge zur Kunst eröffnen und trotzdem für ein hinreichend großes Publikum interessant seien. Annette Kulenkampff (Hatje Cantz) berichtet von einer positiven Umsatzentwicklung durch eine enge Anbindung an große Kulturereignisse wie die Dürer-Ausstellung in Wien, zu der der Verlag den Katalog veröffentlicht habe.

Der einzige deutsche Staatspreis für erzählende Literatur ist der Deutsche Jugendliteraturpreis. Dass dieser Preis auf der weltgrößten Buchmesse im Rahmen einer "provinziellen Zeremonie" unter "Ausschluss der breiten Öffentlichkeit" verliehen worden sei - und das in Zeiten einer "bedrohliche Ausmaße" annehmenden Lese-Unlust junger Leute und "katastrophaler" PISA-Ergebnisse, beklagt Harald Kiesel in einem Kommentar im BuchMarkt. Attraktivität und Animation hätte man bei dieser Veranstaltung vergebens gesucht. "Eine traurige Vorstellung, dem (Staats-)Preis völlig unwürdig", ärgert sich Kiesel. Als erfahrener Marketingstratege solle sich doch mal Buchmessedirektor Neumann kümmern...

Meldungen: Der Manuscriptum Verlag hat sich mit neuen Titeln und der Reihe "Bibliothek des skeptischen Denkens" im Buchhandel zurückgemeldet. JKL Publikationen benannten sich in Zeitgut Verlag um. RavensBuch (Ravensburg) wurde zur Buchhandlung des Jahres 2003 gewählt. Mit "EarBooks" wollen Edel Music und Edel Classics großformatige Bildbände mit themenbezogenen Musik-CDs kombinieren. Das Konzept des Argon-Verlags, 20 rechtefreie Klassiker als Hörbuch für fünf Euro auf den Markt zu bringen, ist aufgegangen - eine zweite Staffel soll im Frühjahr erscheinen.
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