Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
30.09.2003. Diese Woche lesen Sie: Wem es diesen Sommer die Gerste verhagelt hat, und warum, wer glaubt, dass es die Gesellschaft mit der Wahrheit nicht so genau nimmt und wie viel den Deutschen in diesem Jahr ihre Bücher wert sein werden. Von Sandra Evertz

Börsenblatt

Im "Thema der Woche" beschäftigt sich das Börsenblatt mit dem boomenden Gebrauchtbuchhandel übers Internet. Einer Studio von Amazon und Emnid zufolge, seien die Deutschen offenbar bereit, sich von jedem vierten Buch wieder zu trennen. 50,3 Milliarden Euro ließen sich damit verdienen - wenn es denn tatsächlich so wäre. Und wer will sich schon mit seiner Bücherkiste auf den Flohmarkt stellen? Dass Internet-Bücherbörsen zumindest indirekt zu Umsatzverlusten bei den Sortimentern führen könnten, glaubt Rudolph Braun-Elwert, Vorsitzender des Sortimenterausschusses im Börsenverein: "Im Zuge der ,Geiz ist geil'-Mentalität wird den Kunden vorgespiegelt, dass es immer noch billiger geht. Das Problem sind nicht die Privatleute, die ein paar ihrer Bücher verkaufen, sondern das System, das dahinter steckt."

Sten Nadolny ("Die Entdeckung der Langsamkeit") erzählt im Börsenblatt, wie er mit dem Namen Ullstein aufgewachsen und warum er der richtige Autor für einen Roman über die Verlegerfamilie ist (siehe auch Börsenblatt-Homepage). Auf die Frage, wie es sich mit Dichtung und Wahrheit im "Ullsteinroman" verhalte, antwortet er: "Einige Dinge habe ich tatsächlich erfunden. Die Vorgabe war dann nur: Es darf nicht irgendetwas sein, was - von allem anderen her gesehen - undenkbar wäre."

War Thomas Mann ein guter Ehemann? War er ein Antisemit? Warum sind seine Werke so dick? - An Fragen, mit denen sich die Thomas Mann-Gemeinde seit Jahrzehnten plagt, hat sich Thomas Klugkist herangewagt ("49 Fragen und Antworten zu Thomas Mann", S. Fischer). Der Sprecher der Wirtschaftsjunioren Deutschlands promovierte über Mann und veröffentlichte zwei weitere wissenschaftliche Bücher über ihn. "So salopp sich das Buch auf manchen Seiten präsentiert, es beruht auf einem soliden Fundament. Leichtigkeit verbindet sich mit Seriosität", lobt Wolfgang Schneider das neue Werk im Börsenblatt. Aber wieso 49 Fragen? Mit der sieben habe es in Thomas Manns Werken ja immer eine besondere Bewandnis gehabt, erklärt der Autor. Sieben mal sieben Fragen habe ihm die angemessene Portion erschienen.

Personalien: Herbert Richert löst zum Jahreswechsel Günther Störrle als Geschäftsführer des Stuttgarter Verlagskontors ab. Wolf Dieter Eggert verstärkt künftig neben Michaela Hueber die Geschäftsführung des Münchener Max Hueber Verlags. Der Ex-Geschäftsführer der Bertelsmann Stiftung, Andreas Schlüter, wird neuer Generalsekretär des Goethe-Instituts. Roswitha Haring erhält für ihren im Frühjahr bei Ammann erschienen ersten Roman, "Ein Bett aus Schnee", den "aspekte"-Literaturpreis des ZDF. Mehr hier.

Meldungen: 2002 waren den Deutschen, laut Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), Bücher und Schreibwaren 217 Euro im Schnitt wert (vier Prozent des verfügbaren Einkommens), 2003 rechnet die GfK mit durchschnittlich 204 Euro (3,9 Prozent). Der Börsenverein teilt mit, dass der Vorstand sich erst im November mit der Immobiliensituation des Verbands befasst - die FR hatte über einen Häusertausch mit der Stadt Frankfurt gemutmaßt. Laut einem Bericht des Wall Street Journals will Konzernchef Arnaud Lagardere möglicherweise einen Teil der Verlagsgruppe Vivendi Universal Publishing weiterverkaufen, um Einwände der EU-Kommision gegen die Übernahme zu entkräften.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Dass der traditionelle Sortimenter immer mehr Konkurrenz bekommt, ist das Titelthema im Buchreport. Zusammengefasst werden die Entwicklungen der letzten Wochen: Eine dieser "Bedrohungen" ist die Offensive des finanziell stark angeschlagenen Bertelsmann Clubs. Der will "ab sofort wichtige Neuerscheinungen nahezu zeitgleich mit den Originalausgaben, jedoch wesentlich preisgünstiger herausbringen." Außerdem stehe seinen Mitgliedern zukünftig übers Internet das gesamte buchhändlerische Angebot zu Originalpreisen zur Verfügung. Die Clubcenter sollten, mit neuem Design, in bessere Lagen verlegt werden. Weitere Rivalen des Sortimentbuchhandels seien das Versandgeschäft - "der Verkauf sämtlicher Bestseller und Bücher, die zu den Brotartikeln des Buchhandels gehören" - von Weltbild und seine mittlerweile mehr als 229 Filialen sowie die Bertelsmann-Tochter Random House. Ab Herbst 2004 plant Random House einen eigenen Shop-Vertrieb in Supermärkten (siehe Archiv).

Derk Haank, früher Elsevier, hält ab 1. Februar 2004 als CEO seine Hand über das neue Unternehmen Springer Science+Business Media. Unter diesem neuen Firmennamen werden die britischen Private-Equity-Firmen Cinven und Canover ihre beiden Wissenschaftsverlage Kluwer Academic Publishers (Niederlande) und BertelsmannSpringer verschmelzen. "Wie wenig die neuen Besitzer mit der Tradition des wissenschaftlichen Springer Verlages am Hut haben, zeigt die Ankündigung, dass der Sitz des neuen Unternehmens aus steuerlichen Gründen nach Luxemburg verlegt wird", schreibt der Buchreport. Damit könnten die deutsche Standorte Berlin und Heidelberg erheblich an Bedeutung verlieren. Die rund 20 leitenden Mitarbeiter von BertelsmannSpringer bekamen übrigens für ihre "loyale Haltung während der Verkaufsverhandlungen" insgesamt fünf Millionen Euro zum Abschied.

Die vorläufige Bilanz des Schulbuchgeschäfts 2003 fällt durchwachsen aus. Gewinne und Verluste verteilten sich regional unterschiedlich, meldet der Buchreport und zitiert den VdS-Sprecher Rino Mikulic: "In den neuen Ländern war das Geschäft katastrophal." Die Finanznot der öffentlichen Hand und sinkende Schülerzahlen hätten den Schulbuchhändlern die Gerste verhagelt.

John Irving tut es Schriftstellerkollegen wie Isabel Allende, Henning Mankell und Elke Heidenreich nach: Er ist unter die Kinderbuchautoren gegangen. Ein paar Tage auf dem Markt ist "Ein Geräusch, wie wenn keiner versucht, ein Geräusch zu machen" (Diogenes), eine Auskopplung aus Irvings Roman "Witwe für ein Jahr". Die Vertriebler freuen sich über bekannte Autoren, die das Kinderbuch für sich entdecken. "Etablierte Belletristen sind für Kinder- und Jugendbuchverlage eine sichere Bank", sagt Friedbert Stohner, Verlagsleiter von Hanser Kinderbuch im Buchreport. "Bei Kritikern hat man mit diesem Namen schlagartig eine enorme Aufmerksamkeit, die Vertreter brauchen den Buchhändlern nicht mehr viel über den Autor zu sagen und auch die Leser sind mit dem Namen vertraut." Gibt's bald also illustrierte "Stephen Kings" für Sechsjährige?

Zum zweiten Mal in diesem Jahr gerät Hoffmann und Campe in die Schusslinie: Nach Ulla Ackermanns erdichteten Erinnnerungen "Mitten in Afrika" will Herbert Grönemeyer den Verkauf der im Verlag erschienenen, von ihm nicht autorisierten Biografie (siehe auch Perlentaucher-Archiv), von Autor Ulrich Hoffmann stoppen. Sie verletze seine Persönlichkeits- und Urheberrechte, ließ der Sänger über Capital Music verlautbaren. HoCa-Verlagsleiter Rainer Moritz bleibt gelassen: Die Beanstandungen würden geprüft, das Buch sei weiter lieferbar. Moritz springt für die Lektoren in die Bresche, denn sie müssten unter zu großem Zeitdruck arbeiten und dabei Marketing und Vertrieb von Büchern im Auge haben. Außerdem nehme es die Gesellschaft mit der Wahrheit nicht mehr so genau, glaubt er.

Zum Schluss: die Bestsellerlisten.