Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
19.05.2003. In dieser Woche lesen Sie: Warum Bertelsmann die Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer möglicherweise eines Tages zurückkaufen könnte. Warum Verlage und Bibliotheken zum Dialog und Verlage und Sortiment zum Konsens zurückkehren müssen. Und warum Buchhändler sich beim neuen "Harry Potter" nicht auf die Post verlassen sollten. Von Hubertus Volmer

Börsenblatt

Verlage und Bibliotheken müssen zum Dialog zurückkehren, fordert Friedrich Geißelmann, der Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbandes. Zunächst beschreibt er allerdings, wie Bibliotheken sich über die Verlage ärgern: "Vor kurzem hieß es noch, das hemmungslose Fotokopieren führe zum Ruin. Offensichtlich haben die Verlage überlebt, und es scheint sogar noch Geld vorhanden - zum Beispiel für eine sündteure Kampagne zum Paragrafen 52a. Bei vielen Bibliotheken hat sich in den vergangenen Wochen der Eindruck verfestigt, die Verlage erklärten sie zu ihrem Feindbild, titulierten sie als 'Wissenschaftsbürokraten', die in ihrer Geldnot ganz skrupellos mit Urheberrechten umgehen. Das ist falsch. (...) Es ist so weit gekommen, dass die Bibliotheken nicht mehr einfach nach mehr Geld rufen können. Denn es hat sich herumgesprochen: Das Ergebnis wäre nur eine weitere Stärkung der Marktmacht 'der Verlage'. Auch mit der Kündigung des Gesamtvertrags über den Kopienversand, die den Zweck hat, die VG Wort aus dem Geschäft zu drängen, hat der Börsenverein letztlich die Monopolisten unterstützt. Was ist zu tun? Zum sachlichen Gespräch zurückkehren, die Kampagne einstellen, Website zum Paragrafen 52a vom Netz nehmen und eine vernünftige Handhabung des Gesetzes durchsetzen."

Sybille Fuhrmann berichtet über den Verkauf von BertelsmannSpringer durch den Medienkonzern Bertelsmann an die britischen Finanzinvestoren Cinven und Candover. "Mit der Unterschrift unter den Vertrag hat Gunter Thielen, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG, eine Entscheidung besiegelt, die noch sein Vorgänger Thomas Middelhoff - wenn auch unter anderen Vorzeichen - getroffen hatte. Dem Ex-Chef war es darum gegangen, den Medienkonzern ganz auf die Bedienung der Massenmärkte auszurichten. Die Fachinformationen mit ihren spezifischen und relativ kleinen Zielgruppen passten nicht in diese Strategie. Auch wenn Thielen den Kurs seines Vorgängers in vielen Bereichen korrigiert hat - der Notwendigkeit des Verkaufs der renditestarken Fachverlagsgruppe konnte er sich nicht verschließen. Denn der Konzern braucht Geld, um seine Schulden zu tilgen". BertelsmannSpringer "soll als Ganzes bestehen bleiben, bekräftigen die Verhandlungsführer Peter Gangsted [Cinven] und Jens Tonn [Candover] gegenüber dem Börsenblatt. Verfolgt werde eine Doppelstrategie: BertelsmannSpringer soll möglichst in die Riege der Big Player auf dem internationalen Feld der Fachinformationen aufsteigen (...). 'Buy and Build' sei die Devise, sagt Peter Gangsted". Zunächst soll Kluwer Academic Publisher integriert werden. "Im vergangenen Jahr haben die beiden Beteiligungsgesellschaften das Management-Buyout dieser Fachinformationssparte aus dem Wolters Kluwer-Konzern finanziert." Länger als fünf Jahre halten Cinven und Candover keine Beteiligung. "Dann soll sich das eingesetzte Kapital deutlich vermehren. Hierfür gebe es zwei Alternativen, erläutert Tonn. Den Gang an die Börse oder den Verkauf an einen der großen Medienkonzerne. Möglicherweise kommen die Riesen dann doch wieder ins Spiel, vielleicht sogar Bertelsmann. Denn Fachverlagsgruppen wie Elsevier kommen bei einem solchen Deal aus Gründen des Wettbewerbsrechts wohl kaum zum Zug."

Im Gespräch mit Sabine Schwietert erklärt AKS-Sprecherin Ilona Rehme, warum die kleineren Sortimenter mit dem Börsenverein unzufrieden sind. Auf dem jüngsten AKS-Treffen seien unter anderem die neuen Publikationsrichtlinien des Börsenblatts kritisiert worden, "die den vollständigen Abdruck von Stellungnahmen der gewählten Gremien in der Printausgabe nicht mehr gewährleisten. Eine sehr heftige Diskussion entzündete sich am Welttag des Buches. Die AKS-Mitglieder sind der Meinung, dass es kein sorgsamer Umgang mit Mitgliedsbeiträgen von mehr als 5.000 Buchhandlungen und etwa 2.000 Verlagen ist, wenn daraus Welttagsaktivitäten in lediglich fünf Metropolen finanziert werden." Die AKS-Rebellen planen die Gründung eines eigenen Vereins. Mehr hier.

Mit dem Konditionenstreit zwischen Verlagen und Buchhandel befasst sich Matthias Ulmer, geschäftsführender Gesellschafter des Eugen Ulmer Verlags. "Der Branchenkonsens ist zerstört. Selbst unsere wichtigsten Partner, Autoren, Journalisten, Bibliothekare, Lehrer und Dozenten, sammeln sich und suchen den Konflikt. Diese Verteilungskämpfe verursachen enorme soziale Kosten. (...) Im Kampf gegen diese Gefahren verbrauchen wir nicht nur unser Geld und unsere Kräfte, sondern auch die Sympathie in der Gesellschaft. Die Mobilisierung unserer Freunde fällt zunehmend schwerer, Hinterhofkomödien wie das Buchmessentheater tragen dazu gehörig bei." Die Lösung des Konditionenstreits könne nicht in einer gemeinsamen Regelung liegen. "Kartellamt und Wettbewerb werden das nicht dulden." Ulmer vertraut statt dessen auf die "Steigerung der Effizienz". "Wenn wir die Transaktionskosten senken können, profitieren alle davon: Standardisierung der Datenübertragung, Elektronische Lieferscheine, gemeinsame Informationssysteme, gemeinsames Marketing - die Ansatzpunkte sind oft diskutiert worden. Für die Umsetzung fehlt der Konsens. Neben der Effizienz brauchen wir ihn nötiger denn je."

Tilman Spreckelsen stellt die "Kleine Geschichte der edition suhrkamp" vor, die der Verlag zum 40. Jahrestag der Reihe herausgegeben hat. "Jürgen Habermas schrieb aus dem Abstand von 20 Jahren, die Reihe habe damals 'die Strahlen des Zeitgeists nicht wie ein Spiegel zurückgeworfen, sie hat diese in einem Brennglas fokussiert und entzündet'. Als die Bücher ihre Leser nicht mehr wie früher erreichen, ist Suhrkamp 1975 der erste deutsche Verlag, der Taschenbücher verramscht."

Als "Erforscher des Alltäglichen" lobt Christoph Schröder den Schriftsteller Peter Kurzeck. "Wer anfängt, Kurzeck zu lesen, wird zuerst Angestrengtheit empfinden; Widerstände werden sich aufbauen. Knapp und kurz sind die Sätze, die häufig das Verb einfach aussparen und dem Assoziationsraum des Lesers überlassen - ein nicht abreißender Monolog, montierte Bilder, endlos scheinende Erinnerungsschleifen, Repetitionen von Begriffen und Motiven. (...) Und doch: Wer sich die Zeit nimmt, diese streng durchgearbeitete Prosa genau zu lesen, wird feststellen, dass ihr jegliche Monotonie fern ist, dass sie immer wieder in all ihrer Kargheit poetische Momente entfaltet. Das liegt an der Fähigkeit des Autors, im tagtäglichen Geschehen ständig das Neue zu entdecken. 'Die Städte', glaubt Kurzeck, 'werden sich immer ähnlicher. Als lebendiger Mensch und gerade als Künstler ist man aber dafür zuständig, die Vielfalt der Welt zu erkennen und zu erhalten.'"

Weitere Meldungen: Ursula und Regine Kiepert (Schwiegertochter und Tochter des früheren Kiepert-Seniorchefs Robert Kiepert) eröffnen Mitte Juni in Berlin in der Hardenbergstraße 9a eine neue Buchhandlung: U & R Kiepert wird der Laden heißen. Bertelsmann hat im ersten Quartal dieses Jahres 399 Millionen Euro Verlust gemacht und 3,9 Milliarden Euro umgesetzt. Jürgen A. Bach wird neben Bernd Kolf zweiter geschäftsführender Gesellschafter bei der Seemann Henschel GmbH (zu der die drei ehemaligen Dornier-Verlage E. A. Seemann, Edition Leipzig und Henschel gehören). Die Verlagsgruppe teNeues hat im vergangenen Jahr 30 Millionen Euro umgesetzt: Kalender legten um 20 Prozent zu, Bildbände um 40 Prozent. Der Exportanteil der teNeues-Bücher liegt bei 70 Prozent. Cornelsen hat seine Rabattkonditionen neu gestaltet; die Erreichbarkeit von Nachlässen ist nun an Bedingungen gekoppelt (siehe die Buchmacher von letzter Woche). Beim Ökumenischen Kirchentag gibt es auf dem Berliner Messegelände auch eine kleine Buchmesse; dort präsentieren 65 Verlage ihre Programme: "'Wir hoffen auf einen Umsatz von ca. 500.000 Euro', sagte Wolfgang Fietkau, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Ökumenische Kirchentagsbuchhandlung Berlin 2003, dem Börsenblatt." Und in der Rosa-Luxemburg-Straße in Berlin-Mitte hat die Literaturagentur Eggers & Landwehr ein Literaturcafe eröffnet (hier das Veranstaltungsprogramm des Cafes).

Außerdem schreibt Sybille Fuhrmann über Stefan Effenbergs Biographie "Ich hab's allen gezeigt". Boris Langendorf erläutert, dass die Hoffnung auf eine konjunkturelle Besserung wächst, der Durchbruch jedoch noch auf sich warten lasse (mehr hier). Katrin Hage berichtet, wie die deutsche Fachpresse auf ihrem Jahreskongress in Wiesbaden sich "trotz Flaute findig" gezeigt hat. Thomas Blume widmet sich Werkausgaben: "Was ist der Grund für eine solche Gesamtschau auf einen einzelnen Autor? Einer Gesamtschau, die sehr kostenaufwendig ist und mehrere Jahre in Anspruch nimmt? 'Wir sind einfach dazu verpflichtet, das Werk unserer Autoren in einem Zustand zu erhalten, der ihnen angemessen ist', sagt Almuth Giesecke, Lektorin beim Aufbau-Verlag in Berlin". Uwe Ebbinghaus porträtiert die FAZ-Redakteurin Felicitas von Lovenberg, die den vom Börsenblatt gestifteten Alfred-Kerr-Preis erhalten hat.

In der vergangenen Woche erschien außerdem ein Börsenblatt-Sonderheft zum Thema Kalender 2004.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Der größte deutsche Verlag hat den Besitzer gewechselt: Bertelsmann hat seinen Fachinformationsverlag BertelsmannSpringer für 1,05 Milliarden Euro an die britischen Investmentunternehmen Cinven und Candover verkauft. "Der Abschluss stand unübersehbar unter höchstem Zeitdruck", schreibt der buchreport, "weil Bertelsmann seine Finanzschulden von mehr als 2,7 Milliarden Euro abbauen muss und darüber hinaus den Erlös bitternötig braucht, um - nach roten Zahlen in der Konzernbilanz für das erste Quartal 2003 - nicht auch im Bericht für die Monate April bis Juni 2003 nochmals Verluste ausweisen zu müssen." Cinven und Candover haben bereits den Verlag Kluwer Academic Publishers gekauft; dieser Verlag soll demnächst mit BertelsmannSpringer fusionieren; der entstehende Großverlag soll dann nur noch Springer heißen. Dennoch dürften Cinven und Candover BertelsmannSpringer "schnell filetieren", meint der buchreport. "Weil Private-Equity-Unternehmen ihre Firmenkäufe fremd finanzieren, könnten Cinven und Candover bei einem Kaufpreis von 1,05 Milliarden Euro sonst schnell in die Bredouille kommen." Auch die Kartellwächter könnten die Investoren zwingen, Teile des Verlags zu verkaufen, da es zwischen Kluwer Academic Publisher und BertelsmannSpringer erhebliche Überschneidungen gebe. "Unabhängig von den Entscheidungen der Kartell-Behörden sowie möglichen Finanzierungsproblemen bei Cinven und Candover stellt der Verkauf von BertelsmannSpringer ein historisches Ereignis in der deutschen Verlagsgeschichte dar. Noch niemals ist ein Geschäft in dieser Größenordnung abgewickelt worden und noch niemals ist ein deutscher Verlag dieser Dimension in den Besitz ausländischer Eigentümer gekommen."

Außerdem meldet der buchreport, dass BertelsmannSpringer den sozialwissenschaftlichen Verlag Leske + Budrich gekauft hat. Der Kauf gilt rückwirkend zum 1. Januar 2003; bis 2004 soll Leske + Budrich "schrittweise" mit dem Westdeutschen Verlag zusammengeführt werden. Verleger Edmund Budrich habe sich zum Verkauf entschlossen, "um die 'publizistische Zukunft aller Programme zu sichern'."

Die Cornelsen Verlagsgruppe hat die Studienkreis Unternehmensgruppe gekauft. "Das 1974 von Jürgen Hüholdt gegründete Unternehmen betreut derzeit an rund 1.000 Nachhilfeschulen mehr als 700.000 Schüler." Cornelsen wolle mit der Investition in den Nachmittagsmarkt verlorenen Boden im Stammgeschäft ausgleichen. Denn: "Die Luft ist für die Schulbuchverlage in ihrem angestammten Bereich zunehmend dünner geworden." Dazu hätten Etatkürzungen und Lehrplanveränderungen beigetragen. Sinkende Schülerzahlen wohl auch.

Die deutsche Übersetzung von "Harry Potter and the Order of the Phoenix" erscheint am 8. November. Wie bereits beim "Feuerkelch" will der Verlag Carlsen den Erstverkaufstag strikt durchsetzen. "Logistische Probleme befürchtet Carlsen nicht. Mehrere Drucker werden sich erneut an der Buchwerdung beteiligen, die Engpässe in 2000 waren vor allem durch Nachdrucke der Bände 1 bis 3 entstanden. 'Davon ist in diesem Jahr nicht auszugehen', heißt es aus Hamburg. Für die Auslieferung wird KNO verantwortlich zeichnen. 2000 hat das Stuttgarter Unternehmen einen reibungslosen Ablauf organisiert: Mit Ausnahme von 30 Sortimentern, die als Versandweg die Deutsche Post gewählt hatten, waren alle Besteller rechtzeitig mit dem vierten Band beliefert worden."

Weitere Meldungen: Vorstandsmitglied Andre Sonst verlässt den verlag moderne industrie "mit sofortiger Wirkung und auf eigenen Wunsch". Max Droschl, Chef des Grazer Literaturverlags Droschl, übergibt die Verlagsleitung an seine Tochter Annette Knoch. Die Bremer Buchhandlung Storm hat Insolvenz angemeldet; "Storm ist ein weiteres Opfer im Verdrängungswettbewerb der großen Buchhandelsketten", schreibt der buchreport. In Bremen gibt es vier Grüttefien- und drei Thalia-Filialen (2004 soll die vierte Thalia-Filiale eröffnen). Alexander Kluge erhält den Büchner-Preis. Die drittgrößte US-Buchkette Books-A-Million geht (wie bereits Barnes & Noble) unter die Verleger. Und auf Seite 5 wendet sich Random-House-Geschäftsführer Joerg Pfuhl in einem offenen Brief an die lieben Kolleginnen und Kollegen, um seine Position zum laufenden Kartellverfahren zu erklären. Mehr dazu liefert die Online-Ausgabe des Börsenblatts.

Schließlich: die Bestsellerlisten von Spiegel (Hardcover) und Gong (Taschenbuch).