Spätaffäre

Wandertaube 2.0

Vorschläge zum Hören, Sehen, Lesen. Wochentags um 17 Uhr
04.03.2014. Patrick Dewaere versucht in Yves Boissets 1977 gedrehtem Thriller "Der Richter, den sie 'Sheriff' nannten" mit korrupten Provinzpolitikern aufzuräumen. Barbara Vinken erinnert an die Zeit, als Männer das schöne Geschlecht waren. Die New York Times fragt: Was passiert, wenn wir ausgestorbene Tierarten wieder zum Leben erwecken? Und der Dichter Eugenio de Andrade lächelt.

Für die Augen

Nur Arte macht so schöne Sachen. Yves Boissets Film "Der Richter, den sie 'Sheriff' nannten" von 1977, mit dem wunderbaren Patrick Dewaere in der Hauptrolle, läuft noch in der Arte Mediathek: Bei seinen Ermittlungen gegen eine als Schutzorganisation getarnte Gangsterbande entdeckt ein französischer Richter die Verstrickung höchster Amtsträger in Korruption und Verbrechen. Nach einem authentischen Fall inszenierter Thriller. Allein der Anfang ist schon sehenswert, wenn die Kamera zur Musik von Philippe Sarde über Saint Etienne im Département Loire fliegt. (107 Minuten)



Gerade wird bei der MaerzMusik in Berlin die Philip-Glass-Oper "Einstein on the beach" wiederaufgeführt. Hier die Besprechung von Wolfgang Behrens in der nachtkritik. Und hier eine Dokumentation zur Produktion 1984 an der Brooklyn Academy of Music mit Kommentaren von Komponist Philip Glass und Regisseur Robert Wilson.



Archiv: Für die Augen

Für die Ohren

"Vor der Revolution waren die Männer das schöne Geschlecht, aufwändiger angezogen als die Frauen und auch sexier angezogen." Barbara Vinken spricht im Kulturcafé des HR 2 über die Wechselfälle der Moden, leider nur 17 Minuten lang.

Dominik Bretschs Feature über syrische Flüchtlinge im Exil steht möglicherweise nicht mehr lange in der Mediathek. Man sollte es unbedingt noch hören - oder zumindest das Gleichnis vom bitteren Tee, ganz am Anfang der 54 Minuten.

1997 produzierte Deutschlandradio Kultur die Hörspielffassung von Ingrid Nolls Erstling "Der Hahn ist tot" (1991) mit Evelyn Hamann & Peter Simonischek in den Hauptrollen: Rosemarie Hirte ist wild entschlossen auf dem Weg zum Glück jedes Hindernis beiseite zu räumen. Abend für Abend geht sie in Witholds Garten, um ihn hinter dem Fenster zu beobachten, während er Abhandlungen über die Vormärzlyrik schreibt oder sich mit anderen Frauen vergnügt ... - Hörspielbearbeitung: Andrea Czesienski - Regie: Ulrike Brinkmann (54 Minuten)

Wie verarbeiteten Künstler den Ersten Weltkrieg? Für den SWR hat Martina Conrad recherchiert. Hier kann man die Sendung nachhören. (28 Minuten)
Archiv: Für die Ohren

Für Sinn und Verstand

Hat der Streamingdienst Netflix mit "House of Cards" wirklich eine Politserie geschaffen oder das erste Big-Data-Format, das die Präferenzen seiner Zuschauer genauestens einkalkuliert? Simon Rothöhler erklärt im Merkur mit allen akademischen Mitteln, warum die Qualitätsserien so gut zum Video-on-Demand taugen: "Die 'Sucht', von der Serienzuschauer in entsprechenden Fan-Foren immer sprechen, verweist auf Rezeptionsvorgänge, die oft wiederholt und deshalb angebotsseitig vergleichsweise präzise kalkuliert und kommodifiziert werden können. War zu Beginn des Stream-Zeitalters noch von der Ermächtigung des Zuschauers die Rede, der aus televisuellen Sendeschemata entlassen und selbst zum Programmierer wird, beziehungsweise von der Umstellung von push zu pull media, erscheint das flexible 'Ziehen' von Content heute eher als Intensivierung konsumptiver Berechenbarkeit."

Brennende Fragen wirft Nathaniel Rich im Magazin der New York Times auf. In Kalifornien besucht er das Revive & Restore Labor, in dem enthusiastisch daran gearbeitet wird, längst ausgestorbene Tierarten, wie die 1914 ausgerottete Wandertaube, mit verwandtem DNA-Material wiederzubeleben. Doch wozu Arten zurückholen, deren Lebensraum nicht mehr existiert? Was geschieht, wenn ein hundert Jahre altes Immunsystem auf neue Krankheiten trifft? Und schließlich ist die Wiederbelebung womöglich bloß eine prima Exitstrategie für all unsere drängenden ökologischen Probleme. Problematisch könnte auch sein, dass der Mensch sich mit dem Revival-Programm zum Schöpfer aufspielt: "Man hofft, ein Tier zu erschaffen, das in die gleiche ökologische Nische passt wie sein verstorbenes Pendant, tut es das nicht, dann ab zurück in die Petrischale… Was macht es, ob die Wandertaube 2.0 eine echte Wandertaube ist? Wenn der neue, synthetisch geschaffene Vogel das Ökosystem eines Waldes bereichert, werden höchstens Konservatoren nörgeln, (die nämlich um ihren Job bangen, d. R.). Die genetisch angepassten Vögel würden auch nicht der erste Eingriff des Menschen in ein Ökosystem sein.. Als der Mensch auftauchte, war der Kontinent von Kamelen, zwei Meter großen Biebern und 250 Kilo schweren Riesenfaultieren bevölkert."

Schließlich noch ein Gedicht: "Das Lächeln" von und mit dem portugiesischen Dichter Eugenio de Andrade. Bei lyrikline gibt es alle Informationen und eine Übersetzung. Hier trägt er vor: