Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
09.06.2006. Wieso Deutschland Weltmeister wird. Warum 500 WM-Bücher aber wenig bewirkt haben. Weshalb die Buchverlage für das Web 2.0 nicht gerüstet sind. Und wann die Sondereditionen ihren Zenit überschritten haben.

buchreport.express

Zum Abschied von Dieter von Holtzbrinck von der Spitze der Verlagsgruppe greift buchreport in die Annalen-Kiste und erinnert an dessen erstes Interview nach Übernahme der Geschäftsführung 1970 (freilich mit buchreport). Darin habe von Holtzbrinck verraten, dass er keinen Bankkredit in Anspruch nehme - heute weise die Verlagsgruppe Nettoschulden von 349 Millionen Euro aus. Nachfolger als Aufsichtsratsvorsitzender wird Lothar Späth, Geschäftsführer bleibt Bruder Stefan, der wie Schwester Monika Schoeller 50 Prozent der Anteile hält.

Wird die Fußball-WM auch für den Sortimentsbuchhandel ein Erfolg, fragt buchreport und verweist auf das "mickrige" Plus aus dem WM-Jahr 1974. Bislang haben die rund 500 veröffentlichten Fußball-Bücher der Verlage kaum eine durchschlagende Wirkung entwickelt. Und so bleiben auch die strategischen Rezepte der Buchhändler konservativ. Nur in Top-Lagen denken die Sortimenter über verlängerte Öffnungszeiten nach; andere wollen fußballfreie Zonen einrichten.

Nach neunmonatigem Ringen ist der Verkauf der britischen Buchkette Ottokar?s perfekt. Der Kaufpreis, den die HMV Group den Aktionären bieten will, liegt bei 95 Millionen Euro - laut Analysten ein "miserables Angebot". Nach Einschätzung von buchreport kommen die Stiefschwestern Ottokar?s und Waterstone?s mit einem addierten Gesamtumsatz von fast 1 Milliarde Euro, 200000 Quadratmetern Gesamtfläche und 332 Filialen nun auf einen Marktanteil über 23 Prozent. Zum Vergleich: Die zehn größten deutschen Buchhandelsketten haben laut Langendorfs Dienst zusammen einen Marktanteil von 28 Prozent.

Die deutschen Buchverlage sind für das so genannte Web 2.0 nicht gerüstet, lautet das Fazit des buchreport-Kommentars - nicht einmal die Tugenden des Web 1.0, die Google-Optimierung des eigenen Webauftritts, beherrschten die Verlage. Dabei sei es weder kostspielig noch aufwändig, den Dialog mit den Lesern (beispielsweise mit Community-Funktionen als Betandteil von Websites, die zu Spitzentiteln gebastelt werden - zum Beispiel von der Perlentaucher-Buchmaschine) zu forcieren. So seien Online-Reiseführer denkbar, die auf der Basis der Google-Maps-Technologie zu jedem wichtigen Schauplatz (Berlin, Alexanderplatz) auf passende Romanpassagen (Döblin) verweisen (die Unternehmensberatung Heinold, Spiller & Partner offeriert übrigens Verlagen, sich für die neue Ära des Internet rüsten zu lassen).

Weitere Nachrichten: Die Eichborn AG hat trotz Umsatzrückgang (minus 3 Millionen auf 17 Millionen Euro) einen Überschuss von 115000 Euro erwirtschaftet. Obwohl dtv seit 1982 eine Werkausgabe von Goethe anbietet ("Hamburger Ausgabe", 99 Euro, 11048 Seiten) zieht die Random House-Tochter btb im Oktober mit der Taschenbuchfassung der "Münchner Ausgabe" (30000 Seiten, Subskriptionspreis 399 Euro) nach. Der Verband der freien Lektoren will sich in diesem Jahr ähnlich wie zuvor die Belletristikautoren und die Übersetzer für höhere Honorare einsetzen - jeder zweite freie Lektor verdient jährlich weniger als 10000 Euro. Die Finanzierung des per Fernsehübertragung verliehenen Bücherpreises "Corine" ist in diesem jahr noch fraglich (für die Sponsoren stehe die WM im Vordergrund, heißt es im Organisationsstab). Und hier die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Zur WM längere Öffnungszeiten oder nicht, fragt das Börsenblatt und erhält unterschiedliche Antworten: Dussmann will werktags bis Mitternacht öffnen, Bücher Heymann aus Hamburg schließt um 20 Uhr.

Vom klassischen Verlag zum Informationsdienstleister, der seine Inhalte über alle Medienkanäle transportiert - das Geschäft der Fachpresse unterliegt einem radikalen Wandel, lautet das Fazit eines Kongresses, den das Börsenblatt besucht hat. Als Vorzeigebeispiel gilt der Süddeutsche Verlag, der nach Krisenjahren mit der "SZ-Bibliothek" (11,3 Millionen verkaufte Exemplare) den Grundstein für die Abteilung Neue Produkte legte; die "SZ-Cinemathek" ist laut Börsenblatt auf dem besten Weg, die Erfolge der Print-Bibliothek zu übertreffen. Bis 2008 wollen die Süddeutschen nach Angaben von Geschäftsführer Klaus Josef Lutz mehr als 25 ähnliche Projekte auf den Markt bringen.

Ob?s den Süddeutschen ein weiteres Mal oder dem Spiegel mit der geplanten "Spiegel-Edition" beim ersten Mal gelingt, fragt der zweifelnde Börsenblatt-Leser: Eine GfK-Studie hat gezeigt, dass die Sondereditionen nach dem fulminanten Erfolg der "SZ-Bibliothek" 2004 schon im vergangenen Jahr auf der Stelle getreten sind. Trotz einer Vielzahl neuer Editionen habe ihr Anteil am Belletristikmarkt nicht zugenommen.

In einem Kommentar jenseits des Branchengeschehens begründet Rainer Moritz, warum Deutschland Weltmeister wird. Allein Angela Merkel zuliebe "müssen wir es hinkriegen" - ansonsten drohe der "Mehltau der Lethargie".

Massiv Kosten gespart hat Eichborn auch im vergangenen Jahr, erklärt der Vorstand Matthias Kierzek. So habe der Verlag trotz eines Umsatzminus von 16 Prozent einen Überschuss (115000 Euro) erzielen können. Anders als 2004 (Sven Regener: Neue Vahr Süd) habe es im vergangenen Jahr keine Super-Erfolge gegeben.

Solange Deutschland, anders als Belgien und Frankreich, keine Comic-Nation ist, haben es Comic-Verleger wie Dirk Rehm (Reprodukt) schwer. In einem Porträt berichtet der Berliner, dass er bei einem Umsatz von rund 200000 Euro auch 15 Jahre nach Gründung des Unternehmens immer noch "leicht rote Zahlen" schreibe. Sein Verlag gilt neben Edition Moderne und Edition 52 als wichtigster Verlag bei der Vermittlung anspruchsvoller Comics (hier unser Lieblingsautor aus dem Verlagsprogramm).

Weitere Nachrichten: Preiskampf in Großbritannien: WH Smith bietet auf alle Titel der Top-50-Bestsellerliste Abschläge von mindestens 40 Prozent an, Ottokar?s senkt die Preise von 50 Random-House-Backlist-Titeln um bis zu 50 Prozent. Same procedure as always: Wenn der Filialist anrückt, gibt der Traditionalist klein bei, so etwa in Wiesbaden, wo Bräuer dicht macht, bevor Thalia auf 1200 Quadratmetern eröffnet.
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