Batya Gur

Jerusalem

In Jerusalem leben. Ein Requiem auf die Bescheidenheit
Cover: Jerusalem
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783895610240
Gebunden, 238 Seiten, 19,43 EUR

Klappentext

Mit zahlreichen Fotografien von Werner Braun. Batya Gur, die seit ihrem Studium in Jerusalem lebt, führt den Leser an einem "ganz normalen" Tag durch ihre Stadt. Sie beschreibt das Viertel, in dem sie mit ihrer Familie wohnt, wir begleiten sie auf der Fahrt zur Schule ihrer Tochter, auf dem Weg zum Fitness-Studio, und weiter zum Postamt, wo sie für ihren Sohn, der bei der Armee ist, ein Päckchen aufgeben will. Doch bevor sie das Postamt erreicht, melden die Nachrichten, daß auf dem Machane-Jehuda-Markt eine Bombenexplosion stattgefunden hat, die Tote und Verletzte zur Folge hatte. Ein "ganz normaler" Tag also, in einer Stadt, die sich von allen Großstädten dieser Welt unterscheidet. Auf engstem Raum begegnen sich hier die drei Weltreligionen - Judentum, Christentum und Islam - und in keiner anderen Stadt drängen sich deren heilige Stätten so dicht wie in der Altstadt Jerusalems. In der Heiligen Stadt findet man mehr als tausend Moscheen, Kirchen und Synagogen. "Eine einfache Liebesgeschichte war mein Verhältnis zu Jerusalem von Anfang an nicht", schreibt Batya Gur, und erinnert in Rückblenden an die wechselvolle Geschichte dieser Stadt, und an das bis in die heutige Zeit reichende schwierige politische Klima. Mit der detektivischen Genauigkeit, die man von ihren Kriminalromanen kennt, erzählt Batya Gur von ihrer Stadt und der Anziehungskraft, die sie seit Jahrhunderten mit ihrer unvergleichlichen Schönheit auf die Menschen ausübt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 03.08.2000

Ulrike Meyer-Timpe kommentiert drei Neuerscheinungen über die Stadt Jerusalem und das Land Israel, die mehr als ein üblicher Reiseführer zu sein behaupten.
1) Batya Gur: "In Jerusalem leben"
Die hierzulande als Krimiautorin bekannte Batya Gur gewährt in ihrem Buch Einblick in die Sicht linker israelischer Intellektueller - eine lohnende Lektüre, meint Ulrike Meyer-Timpe. Besonders das Verhältnis zu Jerusalem, das die im weltoffenen Tel Aviv aufgewachsene Autorin als nach wie vor als zwiespältig beschreibe, gebe Anlass zu verschiedenen Ortserkundungen wie des arabischen oder des orthodoxen Viertels und verschieden ausfallenden Befindlichkeitserklärungen. So empfinde Batya Gur die Kluft zu den orthodoxen Juden als noch größer als zu den arabischen Bewohnern der Stadt. Zwischen den Essays finden sich von der israelischen Autorin eingefügte literarische Texte von Landsleuten. Als Manko der deutschen Ausgabe betrachtet Meyer-Timpe das fehlende Inhaltsverzeichnis und die etwas beliebig wirkende und nachlässig betreute Auswahl der Schwarz-Weiß-Fotos.
2) Thorsten Schmitz: "Abraham zwischen den Welten - Ansichten aus Israel"
Nicht nur als Vorbereitung für einen Israel-Besuch empfiehlt Ulrike Meyer-Timpe die zu einem Buch zusammengefügten Reportagen von Thorsten Schmitz, Korrespondent der Süddeutschen Zeitung. Seine Geschichten orientieren sich an den Menschen seines Gastlandes, schreibt Meyer-Timpe, berichten von Jugendlichen, die sich aus dem orthodoxen Umfeld lösen wollen oder von Kindern amerikanischer Einwanderer, die nicht klarkommen. Ein Besuch bei Amos Oz fehlt ebenso wenig wie die Beschreibung der grellen Yuppie-Szene von Tel Aviv. Leider erfährt man von Meyer-Timpe nichts darüber, ob Schmitz für das Buch auch neue, bislang unveröffentlichte Texte geschrieben hat.
3) Holger Gumprecht: "Israel"
Dieses Buch beschreibt die Rezensentin als das konventionellste unter den drei Neuerscheinungen. Es beschreibt "Literarische Spaziergänge durch das Heilige Land", für die der Herausgeber allerdings gründlich recherchiert habe, lobt Meyer-Timpe. Fast die Hälfte dieser literarischen Porträts von Stadt und Land widmen sich Jerusalem, wohin es viele Schriftsteller - von Flaubert bis Melville, von Gogol bis Mark Twain - gezogen hat. Und nicht alle, so Meyer-Timpe, waren begeistert. Etwas oberflächlich kamen ihr die von Holger Gumprecht, dem Herausgeber selbst stammenden Ortsbeschreibungen vor, die gegenüber den literarischen Erkundungen offensichtlich qualitativ abfallen. Ein Buch zum Weiterlesen anderer Bücher, meint die Rezensentin.