Link des Tages

12.10.2006. Der Nobelpreis für Literatur geht an den türkischen Schriftsteller Orhan Pamuk. Ein Linkdossier.
Der Literatur-Nobelpreis 2006 geht an den türkischen Schriftsteller Orhan Pamuk. Heute einer der bekanntesten Schriftsteller der Türkei, widmete sich der 1952 in Istanbul geborene Autor nach dem Abschluss seines Architektur- und Journalistik-Studiums der Literatur. Mit "Die weiße Festung" (1985, auf deutsch 1990) erlangte er erstmals die Aufmerksamkeit einer größeren internationalen Öffentlichkeit. Es folgten die weithin beachteten Romane "Das neue Leben" (1994, dt. 1998), "Rot ist mein Name" (1998, dt. 2001), "Schnee" (2002, dt. 2005) und zuletzt der Essayband "Der Blick aus meinem Fenster" (dt. 2006). Pamuk gilt als Vermittler zwischen Orient und Okzident. Die Schwedische Akademie würdigt ihn in ihrer Mitteilung der Preisverleihung dafür, dass er "auf der Suche nach der melancholischen Seele seiner Heimatstadt neue Sinnbilder für Streit und Verflechtung der Kulturen gefunden hat".

Sein Engagement für die Menschenrechte brachte ihn in der Vergangenheit öfters in Konflikt mit den türkischen Behörden. So stand er aufgrund von Äußerungen über den Genozid an den Armeniern im Rahmen eines Interviews mit dem Magazin des Zürcher Tages-Anzeigers am 5. Februar 2005 wegen "Verunglimpfung des Türkentums" vor Gericht. Der Kommentar, den Pamuk vor der Einstellung des Verfahrens am 22. Januar 2006 verfasst hat, lässt sich hier nachlesen. Salman Rushdie porträtierte Pamuk vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung in der Times. Eine wortmächtige Verteidigungsrede der Meinungsfreiheit hielt Pamuk kurz darauf im Rahmen der "Arthur Miller Freedom to Write Lecture", auf dem New Yorker PEN-Festival: "In welchem Land auch immer, die Meinungsfreiheit ist ein universelles Menschenrecht", sagt er. "Respekt für die Rechte von religiösen und ethnischen Minderheiten darf niemals eine Entschuldigung dafür sein, die Freiheit der Rede zu verletzen. Wir Schriftsteller sollten in dieser Hinsicht nicht zögern, wie 'provokativ' auch immer der Vorwand sei."

In einer kurzen Stellungnahme zur Nobelpreisvergabe nennt Necla Kelek in der Zeit Pamuk einen "großen Autor der Freiheit". Die Zeitschrift Literaturen hat Frauke Meyer-Gosaus Porträt des Schriftstellers aus der April-Ausgabe 2005 freigeschaltet.

Mit Pamuk macht in diesem Jahr ein Schriftsteller das Rennen, der bereits im Vorfeld als Favorit gegolten hatte. Pamuk ist der erste türkische Autor überhaupt, der mit dem renommiertesten Literaturpreis ausgezeichnet wird. Zuvor hatte er 2003 den International IMPAC Dublin Literary Award und 2005 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten. Auszüge aus seiner Frankfurter Dankesrede dokumentiert der österreichische Standard.

Im Netz findet sich neben einigen Interviews mit Pamuk (hier, hier und hier) auch eine englischsprachige, offenbar vom Autor unterstützte Website. Außerdem gibt es bei der BBC eine kurze Hommage Pamuks an seine Heimatstadt Istanbul zu lesen.

Und: Heute hat das französische Parlament in erster Lesung ein Gesetz verabschiedet, das die Leugnung des türkischen Genozids an den Armeniern strafbar macht.

Thomas Rohde