Link des Tages

Wahlkampf in den USA

25.08.2004. War John Kerry wirklich unfit? Können echte Republikaner noch George Bush wählen? Der amerikanische Wahlkampf ist nichts für zarte Gemüter. Wir haben einige Links zu den bisherigen Höhepunkten und Tiefschlägen zusammengestellt.
Wahlkampf in Amerika - für den ausländischen Betrachter immer eine Schlammschlacht sondergleichen. Wer zwischen all den Kampagnen nach unabhängiger und kritischer Information sucht, der hat die Wahl zwischen drei Webseiten: Dem Campaign Desk der Columbia Journalism Review, Media Matters for America und dem Daily Howler. Hier werden all die Falschmeldungen, Gerüchte und Anschuldigungen näher unter die Lupe genommen, die sich im Laufe des Tages so ansammeln. Wer sich aber lieber in die Niederungen begeben möchte, der sollte sich zu den unabhängigen "527er-Gruppen" (benannt nach einer rechtlichen Regelung, die auch außerparteiliche Wahlwerbung erlaubt) begeben.

Besonders Furore gemacht hat die Initiative Swift Boat Veterans for Truth. Es handelt sich um einen Zusammenschluss von Vietnam-Veteranen, die wie John Kerry auf Schnellbooten gedient haben, und nun in einer erstklassigen Schmutzkampagne arge Zweifel an den Heldengeschichten ihres ehemaligen Kameraden anmelden. In ihrem Spot, der auch online ist, beklagen sie, dass der später zur Friedensbewegung konvertierte Kerry sein Heimatland verraten und verkauft habe. (Indem er nämlich freimütig amerikanische Kriegsverbrechen anprangerte, die ein echter Veteran nicht mal unter Folter von Vietcong-Schergen eingestanden hätte.) Auf ihrer Homepage erfährt man unter anderem, dass sich Kerry zumindest den ersten seiner drei "Purple hearts"-Orden erschlichen haben soll, und dass sein damaliger militärischer "Fitness Report" ihn als extrem unterdurchschnittlich einstuft. George Bush hat sich bereits offiziell von dieser Kampagne distanziert.

Natürlich gibt es auch private Initiativen, die gegen Präsident Bush Partei ergreifen. Auf der Seite whitehousewest.com wird eine Bush-Parodie als Video-Clip angeboten: Will Ferrel alias George W. stellt hier beim Werbedreh auf der heimischen Ranch ein hohes Maß an Torfnasigkeit unter Beweis ("Ever since this country was founded thousand years ago..."). Etwas subtiler geht die Initiative MoveOn PAC vor: Auf ihrer Seite finden sich 30-Sekunden Spots, in denen gestandene Republikaner erklären, warum sie diesmal keine Wahl außer Kerry haben. Erstellt wurden die Spots vom Dokumentarfilmer Errol Morris aus dem Material von jeweils einstündigen Interviews. Siebzehn der Spots wurden ins Netz gestellt und an der Abstimmung über die Favoriten nahmen - so die Betreiber der Seite - etwa hunderttausend Leute teil. Der Erstplatzierte Lee Buttrill, ein US-Marine, fragt sich in seinem Spot, wo denn bitteschön die Massenvernichtungsmittel waren, wegen derer er in Irak geschickt wurde.

Im New Yorker gibt es einen ausführlichen Artikel zu dieser Kampagne, der auch in die Geschichte der "real people ads", also Wahlwerbung mit mehr oder minder authentischen Normalwählern, einführt. Der Klassiker dieser Werbeform ist "Confessions of a republican" von 1964. In epischer Länge von vier Minuten verzweifelt hier ein junger, rauchender Republikaner am Kandidaten seiner Partei und bekennt sich schließlich zu den Demokraten. Allerdings ist an dem jungen Mann, der so aufrichtig beteuert, dass schon sein Großvater Republikaner war, nur das Rauchen echt. Es handelt sich um einen Schauspieler und seine politischen Selbstzweifel erfolgen streng nach Drehbuch. Dennoch - der Spot dürfte einen nicht unbedeutenden Anteil am Sieg des Demokraten Lyndon B. Johnson gehabt haben.

Dieser und viele andere Wahlspots finden sich online auf den hervorragenden Seiten des American Museum of Moving Image. Mehr als 250 Wahlwerbespots - sowohl zeitlich als auch thematisch sortiert - sind hier in der Online-Ausstellung "The Living Room Candidate" versammelt. Neben dem "Confessions"-Spot sind auch der "Willy Horton"-Spot von 1988 (Republikaner-Spalte ganz unten) und "Daisy" von 1964 (Demokraten-Spalte zweiter von oben) echte Meilensteine in der Geschichte des Wahlkampfs. Natürlich sind hier auch die Spots zur aktuellen Wahl zu bestaunen, die leider recht bieder gehalten sind.

Zuletzt noch ein Highlight: JibJab.com, die Seite, die vermutlich mehr Besucher hat, als die offiziellen Seiten beider Kandidaten zusammen. Jibjab bietet als Flash-Animation das beschwingte Duett "This Land", bei dem sich Kerry und Bush im Wechselsang als "UN-Pussy" beziehungsweise "dumb as a doorknob" anpreisen. Ursprünglich als Werbegag gedacht, ist das Filmchen längst Selbstläufer. Wir empfehlen schnellstmögliches Anklicken, da bereits eine Klage gegen diese Parodie eingereicht wurde. Allerdings weder von einem beleidigten Bush noch einem pikierten Kerry, sondern allein aus Urheberrechtsgründen - das verwendete Lied stammt im Original von Woody Guthrie.

Axel Kannenberg