Fleur Jaeggy

Proleterka

Roman
Cover: Proleterka
Berlin Verlag, Berlin 2002
ISBN 9783827004819
Gebunden, 119 Seiten, 14,00 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Barbara Schaden. Proleterka ist der Name eines Schiffes. Groß, stahlgrau und meereserprobt, auf dem Schornstein einen verwitterten roten Stern, liegt es vor Venedig und wartet darauf, eine kleine Gruppe deutschsprachiger Touristen an Bord zu nehmen. Die Reise geht nach Griechenland. Ein älterer, leicht hinkender Mann und seine noch nicht ganz sechzehnjährige Tochter steigen als Letzte an Bord. Zwischen Vater und Tochter herrschen vollständige Fremdheit und zugleich eine unheimliche Verbundenheit, deren Ursprung in eine Zeit weit vor ihrer beider Existenzen zurückzureichen scheint. Vierzehn Tage lang hat sie Zeit, außerhalb der sterilen Welt des Mädchenpensionats und unerreichbar für die unerbittlichen Befehle einer ihr ebenfalls fremden Mutter, Erfahrungen zu machen, zu leben.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.04.2003

Der mit "mos" zeichnende Rezensent scheint fasziniert von diesem seltsamen Roman der Italienerin Fleur Jaeggy. Es handele sich um die Geschichte eines Vaters und seiner Tochter, die sich gegenseitig fremd sind und sich auf einer gemeinsamen Kreuzfahrt trotz der unvermeidbaren Nähe immer noch fremd bleiben. Fremdheit und Negativität blieben dabei für die Tochter der einzige Halt, den sie suche, und diese Atmosphäre sei ungefiltert in der "ton- wie gnadenlos harten Sprache" der Autorin wieder zu finden. Ein zusätzliches Lob erntet die Übersetzerin Barbara Schaden, die diese Fremdheit auch im deutschen Text allgegenwärtig mache, wie der Rezensent feststellt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.01.2003

Der "Bericht einer Entfremdung" ist dieses Buch, schreibt Rezensentin Ursula März, die ihr Lob mit einer Hymne an den Stil dieser Autorin verbindet. Ohne ihn nämlich wäre dieser "wie üblich kurze Roman" nur die "Geschichte eines traurigen Waisenschicksals" aus dem vergangenen Jahrhundert. Mit ihm, entnehmen wir der Schilderung der Rezensentin, ist er ein Ereignis. Als Besonderheit von Fleur Jaeggys Stil beschreibt Ursula März dessen "spezielle Kälte", die ihrer Ansicht nach auf "einer Art Verweigerung" beruht, in dem sie einen "Ausdruck des Widerstandes gegen das Selbstverständliche" erkennt. Während also die Reisegruppe auf dem titelgebenden Passagierschiff "Proleterka" einer Gespensterversammlung gleiche, haben für die Rezensentin die Fantasien der 15-jährigen Protagonisten "erstaunliche Präsenz". Auch das Ich der Icherzählerin findet die Rezensentin nicht selbstverständlich. Sie wechsele von sich sprechend in die dritte Person oder nenne sich "Johannes' Tochter". Die Sätze selbst findet die Rezensentin kurz und spröde. "Sie erklären und begründen nicht, sie machen Feststellungen, deren Inhalte bisweilen so entfernt sind voneinander, dass die Auslassungen mitklingen."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.10.2002

Die meisten der Figuren der 1968 geborenen Schweizer Schriftstellerin Fleur Jaeggy führen kein leichtes Leben, berichtet Christoph Schröder. Sie leiden unter Einsamkeit, Missachtung, "seelischer Grausamkeit" oder "sozialer Verwahrlosung". So auch in dem neuen Roman "Proleterka", der von einer vierzehntägigen Reise der Erzählerin auf dem gleichnamigen jugoslawischen Schiff zu den griechischen Inseln handelt. Gelitten wird auch hier viel, stöhnt der Rezensent, dem diese Tristesse zu dick aufgetragen ist. Denn einfach "alles ist ganz und gar furchtbar" in der Welt der Fleur Jaeggy, vor allem aber, mäkelt Schröder, Jaeggys "unselige Neigung" zu "pathetischen" und allgemeinverbindlichen "Lebensweisheiten", hinter deren "manierierten Formulierungen" letztlich kein "tiefer Sinn" zum Vorschein komme, sondern allenfalls hier und da eine "unfreiwillige Komik", die in die Nähe eines Poesiealbums der wenig spannenden Leiden einer "höheren Bürgerstochter" gerate, schimpft der Rezensent. Immerhin will er aber am Ende Jaeggys leidenschaftlichen Versuch einer Annäherung an sich selbst anerkannt wissen.
Stichwörter