Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
08.11.2004. In dieser Woche: Warum Berliner Verleger sich beim Börsenverein beschweren. Wer mit der Volksbibel Geschäfte machen will. Und wo überall Kultursendungen gestrichen werden. Von Sandra Evertz

Börsenblatt

Der Börsenverein ist vor der am 11. November anstehenden Abgeordnetenversammlung in die Kritik geraten. Berliner Verleger und Buchhändler bemängeln in einem offenen Brief an die Abgeordneten des Börsenvereins unter anderem, dass zwei Jahre nach der Verbandsreform die durch Trennung von politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten versprochenen Vorteile nicht eingetroffen sind. Vielmehr sei es zu Pannen und neuen Problemen gekommen. Die Unterzeichner des Appells - darunter Viktor Niemann (Ullstein), Arnulf Conradi (Berlin Verlag), Bernd Lunkewitz (Aufbau), Martina Tittel (KulturKaufhaus Dussmann) - fordern ihre Interessenvertreter auf, den "Willen der Mitglieder nach mehr Transparenz, stärkerer Kontrolle (des Vorstands und der Geschäftsleitung) und größerer Sparsamkeit energisch durchzusetzen" und bei der Versammlung in Frankfurt kritische Fragen zu stellen. Hier der Brief im Wortlaut.

Wer jung ist und schreiben kann, aber noch keinen Namen hat, wird von eingeführten Institutionen derzeit wenig beachtet, glaubt das Börsenblatt. Deshalb schaffe sich der schriftstellerische Nachwuchs seine eigenen Plattformen: "Parallel zum Hauptbetrieb entstehen Netzwerke, junge Print- und Onlinezeitschriften oder Verlage." Junge Verleger und Autoren profilierten sich bei neueren Adressen wie Blumenbar, Tropen oder Parasitenpresse, so das Börsenblatt weiter. In der Fachwelt genössen vor allem die beiden Zeitschriften der Schreib-Studiengänge des Deutschen Literaturinstituts Leipzig und der Uni Hildesheim - "Edit" und "Bella Triste" - Reputation. Antje Ravic Strubel, selbst ehemalige "Edit"-Autorin, lobt das Blatt als "eine der besten Entdeckerzeitschriften, die es im Moment gibt".

Obwohl die konjunkturelle Lage nicht gerade dazu einlädt und ermutigt: Auch in diesem Jahr sind zahlreiche kleine Buchhandlungen eröffnet worden, der Börsenverein registrierte 60 Neuanmeldungen. Unternehmensberaterin Gabriele Hardt erklärt im Börsenblatt, dass für den Unternehmenserfolg neben einem schlüssigen Konzept, das Alleinstellungsmerkmale sichert, der richtige Standort ausschlaggebend ist. "In den Metropolen sind die Märkte meist schon gesättigt", hat Hardt festgestellt, "aber im Speckgürtel der großen Städte haben Existenzgründer oft noch gute Chancen".

Binnen nur eines Monats hat die Konzentration im Sortiment zugenommen, hat Langendorfs Branchendienst ermittelt. Mehr.

Personalien: Wolfgang Meyer übernimmt bei Tivola kommissarisch die Geschäftsführungsaufgaben von Jürgen Thierig, der dem Verlag künftig als Projektberater zur Seite steht. Der Schauspieler Dieter Brandecker hat gemeinsam mit seiner Frau Eva den Media Verlag mit Sitz in Düsseldorf gegründet. Und ein paar Mal "Neugebauer" zum Mitdenken: Michael Neugebauer verkauft, nach seiner Trennung von der Neugebauer Press (zuletzt unter dem Dach von Nord-Süd, Zürich) mit seinem neuen Label Michael Neugebauer Publishing Ltd. von Hongkong aus Kinderbuch-Programme an internationale Verlage (u.a. Penguin) und an seinen deutschen Verlag, die Michael Neugebauer Edition (Kiel).

Meldungen: Weltbild und die Bild-Zeitung bauen auf die Frömmigkeit ihrer Kundschaft: Ab Mitte November bringen sie für 9,95 Euro eine Volksbibel auf den Markt, der die Einheitsübersetzung zu Grunde liegt. Fachpresse im Aufwind: Zwei Drittel der im Rahmen der jährlichen Trendumfrage der Deutschen Fachpresse befragten Verlage beurteilen Umsatz und Ertrag für 2004 als "etwas besser" oder "deutlich besser" als im Vorjahr. Kulturstaatsministerin Christina Weiss hat Schwierigkeiten, Kritiker für den Rat für deutsche Rechtschreibung zu gewinnen - nach der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung hat auch das deutsche PEN-Zentrum eine Mitarbeit abgelehnt.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Der Buchreport hat schon vor Jahresende Bilanz gezogen und titelt "Schwarze Null wird realistisch für 2004". Der Umsatztrend, den das Branchenmagazin auf der Grundlage elektronisch ermittelter Daten veröffentlicht, zeigt für die ersten zehn Monate ein kumuliertes Plus von 0,56 Prozent. Spannend wird allerdings noch das Weihnachtsgeschäft: Nicht klar sei, schreibt der Buchreport, ob die Billigbuch-Schwemme zu Lasten des Verkaufs regulärer Bücher ginge. Darüber hinaus sind die Prognosen des Verband des Deutschen Einzelhandels, was den vorweihnachtlichen Umsatz betrifft, düster. Gründe für eine Kaufzurückhaltung im Weihnachtsgeschäft könnten sein: Sorge um den Erhalt des Arbeitsplatzes, Unsicherheiten in Bezug auf Hartz IV sowie die Reformen der Alters- und Krankenversicherung.

Was in den letzten Wochen schon die Spatzen von den Dächern pfiffen, ist jetzt amtlich: Das Kölner Medienhaus DuMont/Schauberg verkauft zum 1. Januar 2005 seinen Reiseverlag an Mair. Im Gegenzug beteiligt sich das Medienhaus mit zehn Prozent an Mairs Geographischem Verlag, der in Mair DuMont umbenannt wird. Geschäftsführer Frank Mair machte gegenüber dem Buchreport aus seiner Freude über den Erwerb des Markennamens DuMont keinen Hehl: "Das Reiseprogramm hat ein starkes Profil mit einer eigenen Fangemeinde. Es ist uns mit unseren Marco Polo- und Baedeker-Reiseführern nie gelungen, DuMont-Kunden abspenstig zu machen." Keinen Grund zur Freude hat der Konkurrent ADAC Verlag: Durch die Verlagsübernahme konnte Marktführer Mair seinen Vorsprung im Reisesegment ausbauen.

Die Liste der abgesetzten Kultursendungen im Fernsehen wird immer länger: "Das literarische Quartett" (ZDF), "Solo" (ZDF), "Willkommen im Club" (Vox), "Bücher, Bücher" (HR) sowie "Die Bestenliste" (SWR) sind bereits der Zuschauer-Quote zum Opfer gefallen und nehmen darauf Platz. Jetzt prüft der Bayerische Rundfunk, der bis 2008 54 Millionen Euro einsparen will, Formate wie "Lesezeichen" oder "Kulturgespräch" zu opfern. Aktuell suchen die Redaktionen nach Möglichkeiten für eine kostengünstigere Produktion. "Im Gespräch ist auch, dass andere öffentlich-rechtliche Sender oder die hauseigene Tochter br-Alpha die Sendungen übernehmen", hat der Buchreport erfahren.

Meldungen: Vier Warengruppen verzeichneten im Oktober ein Wachstum: Hörbuch (+18,7 Prozent), Belletristik (+10,47 Prozent), Taschenbuch (+5,04 Prozent) und Fachbuch (+4,21 Prozent). Ullstein und die beiden Autoren Norbert Juretzko und Wilhelm Dietl haben sich mit Ex-Kanzleramtsminister Bernd Schmidbauer außergerichtlich darauf geeinigt, dass einige Passagen in dem Enthüllungsbuch über den BND, "Bedingt dienstbereit", gestrichen werden. Zum Schluss: die Bestsellerlisten.

BuchMarkt

In seiner Kolumne beschäftigt sich Heinz Gollhardt mit dem Image des Börsenvereins und fragt: "Was ist nur los? Alle Welt traut ihm das Schlimmste zu, auch wenn er es gar nicht oder zumindest nicht primär verursacht hat." Letzter Aufreger: die Nichtverlängerung des Vertrags von Volker Neumann als Messedirektor, "für viele eine besonders perfide Inszenierung des Börsenvereins, was es nicht war". Es sei dem Verband nicht gelungen, dem einzelnen Mitglied deutlich zu machen, was es an ihm hat, erklärt Gollhardt, obwohl zum Beispiel jeder Buchhändler von der erhalten gebliebenen Preisbindung profitiere und jeder Verleger von der Entschärfung des Urheberrechts. Vorschläge, das Imageproblem in den Griff zu bekommen, wurden in der jüngsten Vergangenheit - auch von der jüngeren Generation - gemacht. Leider entstehe durch die ausbleibende Reaktion des Börsenvereins der Eindruck, er nehme diese nicht ernst, meint Gollhardt.

Die auf der Buchmesse kolportierten Gerüchte, der Börsenverein sei pleite, dementierte dessen Hauptgeschäftsführer, Dr. Harald Heker, zügig und mit Nachdruck. Im BuchMarkt-Interview nahm Heker zu weiteren Spekulationen und Falschmeldungen Stellung: Unwahr ist demzufolge, dass die Frankfurter Messe die Buchmesse kaufen oder Anteile daran erwerben will. Auch wurde nicht McKinsey, sondern ein anderer Personalberater - für ein Honorar, das sich im üblichen Rahmen bewegt - beauftragt, den Aufsichtsrat bei der Nachfolgersuche des Buchmessedirektors zu unterstützen.

Wie gut schneiden die deutschen Sortimenter bei den Kunden ab? Immer mehr Buchkäufer decken ihren Lesebedarf bei den überregional operierenden und jährlich wachsenden Filialisten (mehr dazu im buchreport.magazin), wie aus einer vom Meinungsforschungsinstitut Innofact AG in Zusammenarbeit mit dem BuchMarkt durchgeführten Studie hervorgeht. Bertelsmann Buchclub, Weltbildplus und Hugendubel erreichen bei den über 2.000 für die Untersuchung Befragten den höchsten Bekanntheitsgrad bzw. werden von ihnen am meisten besucht. In punkto Service und Fachkompetenz sind bei den Käufern nicht die Buchhandelsketten, sondern zwei regionale Platzhirsche die beliebtesten: der Stern-Verlag (Düsseldorf) und das KulturKaufhaus Dussmann (Berlin). Erstaunen mag, dass Thalia in den meisten Kategorien im Mittelfeld des Rankings landet und nur 3,6 Prozent der Buchkäufer auf die Idee kamen, dass Thalia Deutschlands größtes Buchhandelsunternehmen sein könnte.

Nichts Geringeres, als die "physikalischen" Buchbestände der Welt zu digitalisieren und ihre Inhalte im Internet zugänglich zu machen ("die Bibliothek von Alexandria im Web", so der BuchMarkt), haben sich die Google-Bosse Larry Page und Serge Brin mit "Google-Print" vorgenommen (siehe auch Perlentaucher-Archiv). Auf der Frankfurter Buchmesse luden Page und Brin höchstselbst alle Verlage ein, ihre "physikalischen" Bücher einzusenden. Sie würden dann von "Google Print" kostenlos und vollständig digitalisiert, indexiert und auf dem Server von Google gehostet. "Der Verlag oder der Rechteinhaber kann über einen webbasierten Zugang sein gesamtes eingestelltes Buchprogramm verwalten", erläutert der BuchMarkt. Alle Copyrights verbleiben, im Gegensatz zu Amazon, bei den Verlagen.

Personalien: Roman Pliske ist neuer Chef des Mitteldeutschen Verlags. Marianne Rübel-Hermann tritt bei der Verlagsgruppe Beltz die Nachfolge des im Juli verstorbenen Geschäftsführers Joachim Radmer an.

Meldungen: Onlinebuchhändler Amazon hat in den vergangenen drei Jahren knapp 20 Prozent seines Marktanteils in Deutschland verloren, erzielt aber immer noch mehr als 60 Prozent des Umsatzes in der Branche. Die beiden Hauptkonkurrenten, Weltbild (mit buecher.de, booxtra.de) sowie buch.de (mit bol.de), bauen ihre Marktanteile weiter aus.
Archiv: BuchMarkt

buchreport.magazin

Der Buchreport gibt zum vierten Mal seinen Filialatlas heraus. Darin benennt er drei Trends der letzten Jahre, von denen er vermutet, dass sie die Strategien der großen Buchhandelsketten auch in Zukunft bestimmen: Die Verkaufsfläche pro Buchhandlung nimmt zu, Filialisten eröffnen mehr neue Buchhandlungen in Mittelstädten als in Großstädten, und wo neue Einkaufszentren entstehen, gehören die Ketten zu den potenziellen Mietern (unter Umständen geben sie im Tausch für eine Großfläche in diesen Centern eine andere Fläche am selben Standort auf). Kurz- und mittelfristig könnte sich die Frage stellen, ob deutsche Filialisten auch Gebrauchtbücher anbieten - in den USA machen diese, an der Stückzahl gemessen, bereits sieben Prozent des Umsatzes aus.

Der Buchreport hat eine Auflistung der Internetauftritte von Schriftstellern gemacht. Während die Schriftsteller selbst unterschiedlich über die Webseiten denken ("So wie man sich ein Urlaubsbudget anlegt, muss man als Autor auch ein Budget für die Pflege der Homepage kalkulieren", findet Matthias Politycki (mehr) ganz selbstverständlich, Hans Pleschinski steht dem Medium distanziert gegenüber: "Ich habe das Gefühl, Literatur und eine Website passen so gut zusammen wie Literatur und der Jahrmarkt."), sehen die Verlage schon den Vermarktungsvorteil. Aber obwohl das Erstellen einer professionellen Internetseite recht preisgünstig ist (mehr beim Perlentaucher), wägen sie ihren Einsatz für einzelne Autoren hinsichtlich Aufwand und Ertrag sorgfältig ab. Für Andreas Kurzal von C.H. Beck müssen für eigene Internetseiten geeignete Autoren mit ihren Werken voraussichtlich eine große Käufergruppe ansprechen, außerdem sollten sie Deutsch verstehen und schreiben können, um mit den Besuchern der Website zu kommunizieren.

Schnäppchenjäger-Mentalität, Hardcover-Preise und Billigbuchaktionen der überregionalen Zeitungen haben die Taschenbuchverlage unter Zugzwang gesetzt. "Sie wollen zum einen weniger Novitäten auf den Markt bringen und zum anderen Autoren in Taschenbuch-Originalausgaben bessere Debüt-Chancen verschaffen", beschreibt der Buchreport die neue Taktik. Weitere einschneidende Veränderung für den Taschenbuchmarkt: Immer mehr Verleger achten darauf, dass sich Hardcover-Novitäten als Taschenbücher eignen, um sie im eigenen Haus weiter verwerten zu lassen.

Die Förderung von Kleinverlagen hat sich die von Wunderhorn-Verleger Manfred Metzner und dem ehemaligen Kulturstaatsminister Michael Naumann vor vier Jahren initiierte Kurt-Wolff-Stiftung auf die Fahnen geschrieben. Wesentliches Ziel der Stiftung ist es, schreibt der Buchreport, den unabhängigen Verlagen in der Öffentlichkeit und auf dem Buchmarkt - zum Beispiel im Dialog mit dem Börsenverein oder den Barsortimenten - eine Stimme zu verleihen. Metzner formuliert es als Vorstandsvorsitzender der Stiftung so: "Letzlich kompensieren wir die Schwäche des Börsenvereins, kleine Verlage zu unterstützen." Sorgen bereitet den engagierten Stiftern das wacklige finanzielle Fundament, auf denen ihre Arbeit steht: Zum Geburtsfehler, mit zu wenig Stiftungskapital zu starten, sei in den Folgejahren die Schwierigkeit hinzugekommen, Zustifter und Spender zu finden.

Der Buchreport weiß, wer nach Bekanntgabe des neuen Booker-Prize-Trägers erleichtert war.