Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
12.04.2005. In dieser Woche: Warum der März erfreulich war. Wen Christian Strasser bei Pendo verlegt. Warum immer weniger Bücher immer mehr Umsatz machen. Von Sandra Evertz

buchreport.express

Die Mehrheit der Deutschen plädiert für die Buchpreisbindung. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die der Buchreport beim Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid in Auftrag gegeben hat. Im Einzelnen: Von 1001 Befragten ab 14 Jahren hielten 55 Prozent feste Preise für richtig, 32 Prozent votierten dagegen und 13 Prozent hatten keine Meinung. Am deutlichsten sei die Zustimmung in den neuen Bundesländern ausgefallen (60 Prozent), schreibt der Buchreport. Und: Je höher das Haushaltseinkommen, desto höher die Zahl der Ablehnungen (42 Prozent).

Der Buchhandel kann für März ein Plus von 16,48 Prozent für sich verbuchen. Damit ist der März 2005, laut Buchreport-Umsatztrend, der stärkste März seit sechs Jahren. Ein Faktor, der zu den erfreulichen Zahlen beigetragen habe, sei, dass die Osterfeiertage diesmal nicht im April, sondern im März gelegen hätten und zu Ostern offenbar wieder Geschenke gemacht würden, erläutert der Buchreport. Das überdurchschnittliche Plus des dritten Monats hat beachtliche Auswirkungen auf die Jahresentwicklung: Nach dem Ausreißer im Januar (-6,2 Prozent) und der schwarzen Null im Februar (+0,36 Prozent) schlägt das erste Quartal des Jahres mit einem kumulierten Ergebnis von +3,38 Prozent zu Buche.

Vier Wochen nach dem Start der Filmedition "Cinemathek" zieht der Süddeutsche Verlag eine erste positive Bilanz. "Die Zahlen übertreffen die Erwartungen deutlich", heißt es aus München. Von den ersten fünf Filmen hätte die SZ insgesamt 300.000 Exemplare an den Handel ausgeliefert. Die SZ-Cinemathek laufe gut an, aber man verkaufe nicht die gleichen Stückzahlen wie von der SZ-Bibliothek, erklärten die vom Buchreport befragten Sortimenter. Nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Filme fast doppelt so viel wie die Bücher kosten.

Zum zweiten Mal konnte Onlinehändler Amazon den anvisierten Starttermin (diesmal: 31. März) seiner Buchinhaltssuchmaschine "Search Inside the Book" (siehe auch Perlentaucher-Archiv) nicht einhalten. "Zwar begründete Amazon schon die erste Verschiebung gegenüber den Verlagen mit technischen Schwierigkeiten. Der wirkliche Grund dürfte eher darin liegen, eine ausreichend große Anzahl von Verlagen zu akquirieren", glaubt der Buchreport. Bislang haben, nach Informationen des Branchenmagazins, nur wenig große Verlage zugesagt.

Während sich der in der Einarbeitungsphase befindliche neue Chef der Frankfurter Buchmesse, Jürgen Boos, kürzlich im Buchreport-Gespräch als "Mann des Ausgleichs, nicht der Provokation" bezeichnete, hat die FAZ hinter die Kulissen geschaut und ein paar Konfliktpunkte aufgelistet: Boos habe intern klargestellt "Der Chef bin ich" und es sei noch nicht klar, ob er oder sein Vorgänger, Volker Neumann (sein Vertrag läuft bis zum 31. Oktober 2005), die Federführung für die kommende Buchmesse hätte, zitiert der Buchreport die Frankfurter Tageszeitung. Buchmesse-Mitarbeiter sollen sich über Neumanns "nicht abgestimmten Alleingänge" und "seinen bekannten Drang zum großen Auftritt" beklagen. Die Messegesellschaft wolle sich "lieber heute als morgen" von Neumann trennen, doch der verhandle hart um eine Abfindung.

Meldungen: Günter Grass ist für sein Buch "Der Schatten" (Steidl) mit einem der drei diesjährigen Hans Christian Andersen-Preise ausgezeichnet worden. Literaturnobelpreisträger Saul Bellow starb im Alter von 89 Jahren in New York. Und: die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Der Tod des Papstes beschäftigt die Mitarbeiter der Sachbuch-Verlage. Bereits am vergangenen Montag sei die "Bildbiografie Papst Johannes Paul II" des Chronik Verlags vergriffen gewesen, die Erinnerungen "Ein Fels mit Charme" und "Johannes Paul II - Vermächtnis und Visionen" aus dem St. Benno Verlag seien vorübergehend nicht lieferbar, weiß das Börsenblatt. Die Frage "Wann, wenn nicht jetzt?" im Hinterkopf würden eilig bereits erhältliche Papst-Titel nachgedruckt, aktualisiert, geplante Titel vorgezogen. Mehrere 100 Bücher über den letzten Pontifex sind nach Börsenblatt-Recherche in deutscher Sprache auf dem Markt, das Verzeichnis lieferbarer Büchner gebe den "Medien-Papst" für 62 Buchtitel als Autor an, auch wenn er nicht immer alleiniger Verfasser, sondern als Letztverantwortlicher fungiere.

Nur wenige Wochen nach dem Tod der Verleger-Persönlichkeit Karl Blessing hat sich die Nachfolge geklärt: Ulrich Genzler übernimmt neben seiner Leitung des Heyne Verlags die des Karl Blessing Verlags (beide gehören zu Random House). Im Börsenblatt betont Genzler, dass dies keine Notlösung sei. Er habe in den vergangenen Jahren eng mit Blessing als Taschenbuch-Partner zusammengearbeitet und man sei auf viele gemeinsame Vorlieben gestoßen. Programmatische Generalaussagen wollte Genzler noch nicht treffen. "Klar ist, dass wir die kraftvolle Tradition amerikanisch-angelsächsischer Erzähler beibehalten werden, ebenso die etablierten Programmlinien mit Kabarettisten wie Dieter Hildebrandt und Journalisten wie Frank Schirrmacher", sagte Genzler im Börsenblatt-Interview.

Der Fall "Harry Potter" deutet im Kleinen an, dass auf der Preisbindungs-Insel Deutschland noch paradiesische Zustände herrschen. Während die Buchhändler das preisbindungsfreie Original des sechsten Potter-Bandes seit Wochen mit Kampfpreisen bewerben (Weltbild: 15,75 Euro, Amazon: 15,80 Euro), hielten sich die Zwischenbuchhändler mit Aussagen zu Konditionen bisher zurück. Könemann brach als erstes Barsortiment das Schweigen und verlangt von den Buchhändlern 16,03 Euro pro Einzel-Exemplar, was einem Rabatt von 30 Prozent auf den vom Verlag empfohlenen Verkaufspreis (22,90 Euro) entspricht. Bleibt für Weltbild und Amazon zu hoffen, dass sie sich ihre Läger voll genug gepackt haben und nicht beim Barsortiment nachbestellen müssen.

Was die Digitalisierung von Buchinhalten - durch zum Beispiel "Search Inside the Book" bei Amazon (siehe auch buchreport.express) und "Google Print" - betrifft, sind Urheberrechtsklagen vorprogrammiert. "Bei allen Chancen, die sich vor allem für zusätzliche Buchverkäufe bieten mögen, sind die Verlage gut beraten, sich im vorhinein der Rechte beziehungsweise der Zustimmung der Urheber zu versichern", warnt der auf Medienrecht spezialisierte Anwalt Konstantin Wegner im Börsenblatt. In Streitfällen dürfte es, glaubt Wegner, schwierig sein, die Möglichkeiten von SItB und "Google Print" mit Leseproben, die ohne ausdrückliche Zustimmung oder Vergütung des Autoren verbreitet werden können, gleichzustellen.

Frank Schätzing
und sein Verlag Kiepenheuer & Witsch müssen sich schon jetzt mit einer Urheberrechtsklage auseinandersetzen. Dem Kölner Autor wird vorgeworfen, für seinen Roman "Der Schwarm" wörtlich Artikel von der Internetseite Ozeane.de übernommen zu haben. Zu den Hintergründen.

Heinrich Hugendubel
ist in der Nacht auf Freitag 68-jährig nach langer schwerer Krankheit verstorben, meldet der Onlinedienst des Börsenblatts. Hugendubel sei einer der großen deutschen Buchhändler gewesen, die Todesnachricht habe in der Buchbranche - unter Verlegern wie Sortimentern - große Betroffenheit ausgelöst.
Personalien: Pendo-Verleger Christian Strasser hat seine Mannschaft komplettiert: Neu im Boot sind Dörthe Binkert (Programm) und Helena Bommersheim (Marketing und Vertrieb).

Archiv: Börsenblatt

BuchMarkt

Über die Schwierigkeiten bei der Reform des Börsenvereins macht sich Heinz Gollhardt in seiner BuchMarkt-Kolumne Gedanken. Gollhardt sympathisiert mit den Ansichten der Verleger Matthias Ulmer und Martin Spencker, die in Börsenblatt-Interviews die Landesverbände des Börsenvereins als einen Anachronismus bezeichneten und einen zentralen Verband ohne regionale Unterorganisationen präferieren. Zwischen Bundes- und Landesverbänden, gibt Gollhardt zu bedenken, ist "ein gesteigerter Wettkampf" zu beobachten, der neben anderen Nachteilen "alle Synergien auffrisst". Ein zweites von Gollhardt angeführtes "heißes Eisen", an dem sich keiner die Finger verbrennen möchte, ist der Vorschlag, für jede der drei unter dem Dach des Börsenvereins zusammengefassten Sparten (Verlage, Buchhandlungen, Barsortimente) einen eigenen Verband zu schaffen.

Für die kommenden Jahre sind im Flächenbuchhandel erhebliche Umwälzungen zu erwarten, prognostiziert der BuchMarkt und blickt mit dem Bild einer "Tour de France-Etappe kurz vor dem Ziel" in die Zukunft: "An der Spitze hat sich eine Gruppe von Ausreißern gebildet, die nach vorn stürmt und das Feld zunehmend beherrscht". Anführend seien die großen Filialisten, die (was Wachstum, Standortsicherung und Marktführerschaft betrifft) aufs Tempo drückten, verfolgt würden sie von den regionalen Filialisten. Diese preschten zwar noch mit nach vorn, das Tempo mache ihnen aber zunehmend zu schaffen. Von den lokalen Einzelbuchhandlungen könnten nur einige mithalten, viele kleine Sortimente blieben auf der Strecke.

Was macht eigentlich... Christian Strasser? hat sich der BuchMarkt gefragt. Nach der Zerschlagung der Verlagsgruppe Ullstein Heyne List, die der gelernte Buchhändler verlegerisch aufgebaut hatte, hätte er sich nur scheinbar aus der Branche zurückgezogen. 59-jährig startete Strasser, der "mehrfach in seinem Leben von vorn angefangen hat", vergangenen Herbst als Chef des Pendo Verlags noch einmal durch. Erste Programm-Spitzen für den Bücherherbst 2005 sind auf der Leipziger Buchmesse zum BuchMarkt durchgesickert: Romane des Kanadiers Paul Anderson und der Amerikanerin Cynthia Ozick sowie im Sachbuch eine Biografie des Malers Gerhard Richter.

Harry Rowohlt, "Deutschlands bekanntestem Übersetzer", gratuliert der BuchMarkt zum 60. Geburtstag. Beeindruckt ist das Branchenmagazin von der Zahl seiner Manuskriptseiten, die sich auf über 30.000 Blatt belaufen soll, den unzählbaren Internet-Verweisen allein bei Google und der ellenlangen Liste von Auszeichnungen und Preisen, die Rowohlt eingeheimst hat. Die ganze Branche könne sich über das Geburtstagsgeschenk vom Kein & Aber-Verlag freuen, der "Die nicht weggeschmissenen Briefe" Rowohlts an Korrespondenten, Verleger, Autoren, Buchhändler, Leser, Veranstalter u.a. veröffentlicht hat - eine "aufschlussreiche Lektüre".

Âuf der Leipziger Buchmesse wurden die Gewinner des BuchMarkt-Awards ausgezeichnet. Gold in der Kategorie "Verlagskommunikation" war der Jury die Bewerbung der SZ-Bibliothek wert, der erste Platz in der Kategorie "Newcomer des Jahres" ging an den Berenberg Verlag für dessen Gesamtauftritt, einen "Special Award Humor" gab es für den Aprilscherz Briefwechsel zwischen Thomas Mann und Mata Hari (Fischer TB).
Archiv: BuchMarkt

buchreport.magazin

Der Buchreport hat, wie in den vergangenen Jahren, "Die 100 größten deutschen Verlage" (mehr) ermittelt. "Die in der Liste aufgeführten Unternehmen sind zwar durchschnittlich nur um schwache 1,1 Prozent gewachsen, doch haben deutlich mehr Verlage ein Umsatzplus erzielt als in 2003", so ein Ergebnis der Untersuchung. Das Ranking lässt zwei Tendenzen erkennen, die in den vergangenen fünf Jahren bereits sichtbar geworden sind: Die Konzentration in der Verlagsbranche schreitet fort, der Einfluss der Fachinformationsriesen und Medienkonzerne aus dem nicht-deutschsprachigen Ausland wächst.

Immer weniger Titel erwirtschaften in den Verlagshäusern immer mehr Umsatz. Belegen kann das der Buchreport anhand der Spiegel-Jahresbestsellerliste Belletristik. Vergangenes Jahr belief sich der Umsatzanteil der ersten zehn Titel auf 37,5 Prozent (gemessen an den "Top 100"-Titeln). In 2003 kamen die ersten zehn Titel der Bestsellerliste - Harry Potter sei Dank - sogar auf 47,7 Prozent (ebenfalls in Bezug auf den Gesamtumsatz der "Top 100"). "Eine Entwicklung, die Risiken birgt", betont das Branchenmagazin und rät den Buchmachern zu einer veränderten Programmpolitik. Entschärfend könne sich eine Reduzierung des Novitätenausstoßes auswirken. Weniger Titel bedeute: mehr Marketing-Geld für das restliche Programm, größere Kapazitäten, um Midlist-Titel anzuschieben - auch wenn der Weltbestseller ausbleibe.

Beispiele für ein misslungenes Lektorat von Büchern gibt es in der nicht allzu fernen Vergangenheit einige. Ted Honderichs "Nach dem Terror" (Suhrkamp), Thor Kunkels "Endstufe" (erst Rowohlt, dann Eichborn Berlin) und Nina Zamars "Ich musste auch töten" (Kindler, Auslieferung eingestellt) sind dem Buchreport eingefallen. Kurz vor der Leipziger Buchmesse hat sich die öffentliche Kritik an Deutschlands Lektoraten nochmal gemehrt. Sie ließen sich von Instinkten statt Konzepten leiten, viele Bücher würden in den Verlagen gar nicht mehr lektoriert, hieß es. Gründe für die Lektorats-Misere hat der Buchreport an der fehlenden Ausbildung für angehende Lektoren, den nicht klar definierten Programmlinien und dem immer größer werdenden Aufgabenkatalog für die Lektoratsmitarbeiter ausgemacht.
Comic-Helden haben in Deutschland traditionell einen schweren Stand, fristen im Gegensatz zu anderen Ländern - etwa Frankreich - einem Nischendasein. Langsam scheint sich jedoch etwas zu bewegen: Auf dem Markt der literarischen Comics hat der Buchreport eine Trendwende bemerkt.

Meldungen: Unter Vorleser.net haben Johannes M. Ackner und David Fischbach ein Internetportal gestartet, von dem Hörbücher kostenlos als MP3-Datei auf die eigene Festplatte übertragen werden können. Weltrekordversuch im Auftrag des Gabal Verlags: Geplant ist, dass am 5.5.05 55 Autoren - auf der Zugspitze - in weniger als 555 Minuten ein 55 Kapitel umfassendes Buch, das innerhalb von 555 Stunden lektoriert und ausgeliefert werden soll, schreiben (mehr). Wuppertaler Wissenschaftler haben einen Scanner entwickelt, der Bücher digitalisiert und Blinden kostengünstig zugänglich macht. Am 11. Juni, rechtzeitig zum Kino-Start der Verfilmung des Roald Dahl-Kinderbuch-Klassikers "Charlie und die Schokoladenfabrik", eröffnet das Roald-Dahl-Museum in Great Missenden (Buckinghamshire).