Spätaffäre

Mit einem Hang zur Wiener Operette

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28.03.2014. Barbara Kopples Film "Harlan County, USA" von 1976 über einen Arbeiterstreik in einer Mine ist ein Dokument einer längst versunkenen Kultur. Nayo Titzin erzählt in "Prague spring '68 Sofia summer" (2008), wie man den Prager Aufstand 1968 in Sofia sah. Peter Eötvös dirigiert Stockhausens "Momente" (1972). Und Vanity Fair erzählt die Geschichte dreier junger iranischer Rockbands, die nach Amerika gekommen waren, um Musik und Party zu machen. Bis einer von ihnen durchdrehte.

Für die Augen

Kaum zu glauben, bei Snagfilms (about) gibt's eine Menge Filme legal online zu sehen. Wir greifen einen heraus, einen typischen Dokumentarfilm der Siebziger, Oscar-prämiert, über streikende Arbeiter im "Harlan County, USA" (so auch der Titel von Barbara Kopples Film von 1976, 103 Minuten). Er zeigt, wie hart Streiks in Amerika werden konnten - inklusive bewaffneter Posten der Minen-Gesellschaft, die die Streikbrecher begleiten. Roger Ebert lobte den Film seinerzeit in höchsten Tönen, andere fanden ihn unausgewogen - der Standpunkt der Minengesellschaft kommt nicht so zum Tragen. Heute sieht man den Film vielleicht eher als Dokument einer längst versunkenen Kultur.

Auf Arte wird gerade Agnieszka Hollands präzise recherchierte und angenehm unprätenziös dramatisierte Miniserie "Burning Bush" über die Selbstverbrennung Jan Palachs im Jahr 1969 und die Folgen in einer sich immer mehr verhärtenden Tschechoslowakei gezeigt (hier in der Mediathek von Arte). Unsere Suche nach einer englisch untertitelten Dokumentation über Palach blieb leider erfolglos. Dafür fanden wir "Prague spring '68 Sofia summer" (2008) - einen Dokumentarfilm von Nayo Titzin (58 MInuten), der einen für Westler höchst ungewöhnlichen Blick auf den Prager Frühling zeigt: Er handelt davon, wie Prag und die Besetzung Prags im August 1968 in Sofia wahrgenommen wurde, und bietet eine Menge authentisches Material aus dieser Zeit, das hier unbekannt sein dürfte.


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Für die Ohren

"Schwindet die Macht der Bilder?", fragt sich beim SWR eine Gesprächsrunde angesichts dessen, dass akustische Signale immer weiter in unseren Alltag vordringen. Vor dem Mikrofon begegnen sich der Kulturwissenschaftler Thomas Macho, die Publizistin Dr. Gaby Hartel und Torsten Belschner von der Dataphonic GmbH. Hier kann man das Gespräch hören. (44 Min.)

Neu im WDR-Konzertplayer: Eine Aufführung von Karlheinz Stockhausens "Momente" (1972) vom WDR Rundfunkchor Köln. Die Leitung hatte Peter Eötvös. (143 Min.)



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Für Sinn und Verstand

Leben und Sterben in Amerika - so lautet die Überschrift zu dieser atmosphärischen Reportage in Vanity Fair und nichts könnte passender sein. Nancy Sales und Jonas Karlsson erzählen von einer handvoll junger iranischer Rockmusiker, die nach Amerika kamen um zwei Dinge zu tun: Musik machen und Party feiern. Am Ende schoss einer von ihnen mit einer halbautomatischen Schnellfeuerwaffe auf die anderen und tötete drei Menschen: "Seit dem Tag der Schießerei, als der Polizeichef Ray Kelly sie als das Ergebnis 'einer Auseinandersetzung ... über Geld' beschrieb, hat die New Yorker Polizei über die Waffe nur mitgeteilt, dass sie erstmals legal 2006 in einem nun geschlossenen Waffenladen in New York gekauft wurde. Iraner, die die Opfer kennen, sind perplex, wie ihren Freunden die Freiheit, die sie in Amerika gesucht hatten, durch einen Schützen genommen wurde. Wie konnte Ali Akbar Rafie - arbeitslos, arm und Immigrant mit einem abgelaufenen Visum - ein Sturmgewehr in die Hand bekommen, fragen sie. 'Man hört solche Geschichten nicht im Iran, dass Leute verrückt werden und ihre Freunde oder Familie in die Luft jagen', sagt der Autor Hooman Majd. Die Eltern von Ali Eskandarian sprachen den Eltern der anderen Opfer auf der Facebookseite ihres Sohnes ihr Beileid aus. 'An Ali Rafie', schrieben sie, 'wir verzeihen dir vom Grunde unseres Herzens.'"

Das New York Magazin feiert 100 Jahre Popmusik in New York. In der Coverstory fragt Jody Rosen, ob es so etwas wie einen typischen Sound der Stadt gibt: "Hier wurde aus Folk Pop und dann wiederum Folk. 1886 starteten die Teenager Isidore, Julius und Jay Witmark ihren Musikverlag aus einer Ladenzeile in der West 40th Street, der Beginn des modernen Popsong-Geschäfts … Der Straßenhändlerstil war charakteristisch für das Geschäft mit Populärmusik damals in New York. Später wurde Boston zu einem Hauptort. Die Musikverleger dort waren europhil und viktorianisch mit einem Hang zur Wiener Operette. In New York ging es weniger hochfahrend zu - frech, grell, zeitgemäß und ohne Scheu vor dem Markt. Diese Musik wurde wie Schuhe oder Duschvorhänge angeboten und verkauft. In anderen Worten: New York City Music."

Zum Artikel gibt es eine Karte mit den Orten in New York, an denen Popmusikgeschichte geschrieben wurde, vom Bamville Club bis zum Studio 54. Außerdem eine umfangreiche Slideshow mit Fotos und Texten über die Protagonisten, von Irving Berlin und den Gershwins über Patti Smith, Bob Dylan und Madonna bis Lady Gaga.