Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
02.12.2002. In dieser Woche lesen Sie: Wer Dorniers Besinnung auf Kernkompetenz zum Opfer fällt. Warum in Frankreich die Angst vor einem "Mega-Monster" Hachette Livre wächst. Wie pessimistisch die deutschen Buchhändler sind. Welches Kinderbuch erfolgreicher als "Harry Potter" ist. Und wie man Teenies aus Buchhandlungen vergrault. Von Hubertus Volmer

Börsenblatt

"Kernkompetenz" bleibt die Losung. Auch die Verlagsgruppe Dornier will sich darauf konzentrieren. "Der Strategie zum Opfer fallen drei Verlage und zwölf Arbeitsplätze." Dornier schließt den Berliner Verlag Henschel (Schwerpunkt Biografien) sowie die Leipziger Verlage E.A. Seemann (Architektur) und Edition Leipzig (Kulturgeschichte). Das Verlagsspektrum der Gruppe sei zu breit gewesen, zitiert das Börsenblatt den für Marketing und Vertrieb zuständigen Dornier-Geschäftsführer Olaf Carstens. "Künftig wolle man sich auf spirituelle Literatur und Esoterik konzentrieren, die in den Programmen der Dornier-Verlage Kreuz, Urania, Brandenburgisches Verlagshaus, Lüchow und Theseus verankert sind." In der Verlagsgruppe herrsche, so das Böbla weiter, keine Einigkeit über die neue Strategie. Programm-Geschäftsführerin Sabine Schubert scheide aus dem Unternehmen aus.

Ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem Gesamtverein für die Buchbranche ist getan: Der Vorstand des Börsenvereins und die Vorsitzenden der bisher unabhängigen Landesverbände (die künftig den Länderrat bilden) haben die Satzung der gemeinsamen Holding einstimmig verabschiedet. Zu der Holding gehören die MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH, die Ausstellungs- und Messe GmbH (AuM) und die Buchhandels-Service-Gesellschaft (BSG). Der Börsenverein ist mit 70, die Landesverbände sind mit 30 Prozent an der Holding beteiligt.

In Frankreich wächst die Angst vor dem "Mega-Monster" Hachette Livre. Die Groupe Lagardere, zu der Hachette gehört, kaufte unlängst Vivendi Universal Publishing (VUP). Damit gehört die größte Verlagsgruppe des Landes nun der bisherigen Nummer zwei. Die Groupe Lagardere habe den Zuschlag für VUP nicht zuletzt deshalb bekommen, "weil sie dem klammen Vivendi-Chef Jean-Rene Fourtou sofort einen Scheck über 1,25 Milliarden Euro zukommen lassen konnte - das nötige Kleingeld erwirtschaftet Lagardere mit Rüstungsgütern, im Automobil- und im Flugzeugbau", schreibt Ralf Klingsieck in einem Hintergrundartikel. Die EU-Kommission muss der Übernahme von VUP durch Hachette noch zustimmen. Offenbar will sich Brüssel jedoch damit zufrieden geben, dass ein paar VUP-Schulbuchverlage abgestoßen werden. "Dass der neue Verlagspool Hachette / VUP bei Lexika praktisch ein Monopol hätte, den Taschenbuchmarkt zu 80 Prozent und vor allem den Buchvertrieb zu 70 Prozent beherrschen würde, scheint Brüssel nicht zu stören - wohl aber die Branche." Einige Verleger haben eine Initiative gegründet, um gegen die absehbare Kommissionsentscheidung Einspruch zu erheben.

Begeistert berichtet Michi Strausfeld über die Deutschen Buchwochen in Madrid und Barcelona. Obwohl in kein Land so viele Lizenzen verkauft würden wie nach Spanien, hielte sich dort hartnäckig das Vorurteil, deutsche Literatur sei langweilig und erzähle nicht. Zu den Buchwochen kamen dennoch "viele neugierige Menschen", um unbekannte Autoren zu hören. Und erlebten eine Überraschung: "Die deutschen Schriftsteller erwiesen sich als humorvoll, sie erzählten spannend, diskutierten lebhaft, kurzum: 'ganz untypisch'."

Weitere Beiträge: Die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH) beteiligt sich mit 18,75 Prozent am angeschlagenen Süddeutschen Verlag. Der Stuttgarter Verlag Dino Entertainment schreibt wieder schwarze Zahlen. Die Buchhandlung Orell Füssli, Marktführer in der deutschsprachigen Schweiz, hat eine sechste Filiale in Zürich eröffnet und plant weiteres Wachstum. Und in der Reihe "Der Autor und sein Lektor" lobt der Schriftsteller Andreas Altmann den rabiaten Überschwang seines Lektors Marcus Gärtner.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Mehr als 40 Prozent der Buchhändler rechnen damit, im laufenden Weihnachtsgeschäft unter den Vorjahresumsätzen zu bleiben. Das ergab eine Umfrage des buchreport. Nur 23,8 Prozent der Sortimenter glauben, ihren Umsatz steigern zu können. Pessimismus hat das Blatt vor allem "in Berlin und im Osten des Landes" ausgemacht. Im Norden und im Süden seien die Erwartungen in der Regel eher positiv. Im Westen sei die Stimmung dagegen gedrückt.

Buch.de hat Kundenstamm und Internet-Auftritt der deutschsprachigen BOL-Shops erworben, Bertelsmann hat dafür 800.000 Euro und eine Sperrminorität von 25,1 Prozent an Buch.de bekommen. Das Aktienpaket habe derzeit einen Marktwert von etwa 3,1 Millionen Euro, schreibt der buchreport. Der Anteil des größten Buch.de-Aktionärs, der Douglas Holding, sei von 40 auf 32 Prozent zusammengeschmolzen.

Angeregt durch das Vorbild Amazon stellt der buchreport die Frage: "Könnte nicht auch das stationäre Sortiment mit gebrauchten Büchern das Geschäft beleben? Es wäre eine Möglichkeit, preisbewussten Kunden Sonderangebote zu machen." Claudia Toelle vom Berliner KulturKaufhaus Dussmann meint allerdings, Kosten und Aufwand für ein solches Angebot rechne sich nur für den "hochfrequentierten Internetbuchhandel". (Amazon ist mit seinem Markt für gebrauchte Bücher nur Dienstleister; Kosten für Lager und Versand fallen nicht an.) So ganz will sich der buchreport von seiner Idee jedoch nicht verabschieden: "Das stationäre Sortiment könnte (...) den Vorzug nutzen, gebrauchte Bücher zur Begutachtung vorrätig zu haben. Das Risiko bei der Lieferung bzw. bei der Rechnungsabwicklung würde entfallen. Der Unterschied zum Antiquariat läge in der Präsentation der Bücher als Ergänzung des Sortiments."

Die insolvente Berliner Buchhandlung Kiepert kann nur einen Bruchteil der ausstehenden Forderungen begleichen. Das habe Insolvenzverwalterin Petra Hilgers auf der ersten Gläubigerversammlung angedeutet, schreibt der buchreport. Bislang seien sechs Millionen Euro als Forderung angemeldet. Das Volumen der Gesamtforderungen werde auf rund neun Millionen geschätzt. Vor allem die ehemaligen Mitarbeiter seien verbittert, weil auch ausstehende Löhne und Gehälter nicht im vollen Umfang beglichen werden sollen.

Ernst Piper gibt die Leitung des Pendo Verlages ab. Der buchreport erinnert daran, dass Piper vor zwei Jahren die Eichborn AG als 51-prozentigen Mehrheitsgesellschafter "ins Boot" geholt habe. "Der Gesellschaftervertrag 'sichert meine Position in einer sehr guten Art und Weise', erklärte er seinerzeit. Welch ein Irrtum." Eichborn wolle Pendo nun enger an sich binden und den Standort München aufgeben. Einen Nachfolger für Piper soll es nicht geben. "Geschäftsführer bleiben Eichborn-Marketingprokurist Andreas Horn und der Zürcher Pendo-Minderheitsgesellschafter Max Kürz. Auf die Frage nach der verlegerischen Verantwortung spricht Horn von 'mehreren Schultern' und 'Synergien im Hause Eichborn'."

In der Belletristik-Bestsellerliste erscheinen die Bücher nicht, und dennoch sind sie erfolgreicher als "Harry Potter": die "Pettersson und Findus"-Bilderbücher von Sven Nordqvist. Der im Frühjahr erschienene Titel "Wie Findus zu Pettersson kam" hat sich nach Verlagsangaben 440.000 Mal verkauft. Gepusht wurden die Bücher zuletzt durch den Petterson-und-Findus-Zeichentrickfilm, der im Oktober in die Kinos kam. Insgesamt seien bislang allein in den deutschsprachigen Ländern 4,38 Millionen Exemplare der neun Folgen verkauft worden.

"In einer krassen Fehleinschätzung sowohl der Nachfragekraft des spanischen Sprachmarktes in den USA als auch der Popularität des kolumbianischen Literaturnobelpreisträgers Gabriel Garcia Marquez ist Knopf nur knapp an einem teuren Eigentor vorbeigeschrammt", berichtet der buchreport. Eigentlich habe die Random-House-Tochter die spanische Ausgabe von "Vivir para Contarla" erst im Herbst 2003, parallel zur englischen Ausgabe, auf den Markt bringen wollen. "Weil jedoch vom spanischen Original seit Anfang Oktober Zehntausende Bücher über den Schwarzmarkt ins Land gelangt sind, hat die Verlagsspitze blitzschnell umdisponiert". Die deutsche Übersetzung "Leben, um davon zu erzählen" erscheint dieser Tage bei Kiepenheuer & Witsch.

Ausgerechnet im "Heimathafen Hamburg" hat die Buchhandelskette Thalia "zwei Liegeplätze" aufgeben müssen, metaphert der buchreport so maritim wie ein alter Matrose. "Zum Jahreswechsel werden bei Boysen & Maasch sowie in der Fachbuchhandlung für Wirtschaft, Recht und Steuern die Leinen losgemacht. Die beiden Buchhandlungen in der Hermannstraße ziehen um, weil die Stadtväter für das Hamburger Prestige-Projekt 'Europapassage' Platz brauchen." Boysen & Maasch zieht in die Thalia-Filiale in der Spitaler Straße, die RWS-Buchhandlung in die Große Bleichen. Ahoi.

Weitere Meldungen: Die österreichische Styria Medien AG legt den Buchverlag Styria mit dem Pichler Verlag zusammen. Auch der buchreport berichtet nun, dass Paulo Coelho auf seiner Homepage zehn seiner Bücher zum kostenlosen Download anbietet. Bislang gibt es die Titel allerdings nur im portugiesischen Original. Lediglich "Der Alchimist" ist auf Spanisch und Russisch zu haben.

Und natürlich die Bestseller.

Börsenblatt

Nach der Übernahme von BOL beansprucht Buch.de den Titel "Zweiter nach Amazon" für sich. Doch Weltbild widerspricht: "In diesem Jahr, so der Augsburger Konzern, werden die vier Marken Weltbild, Jokers, Booxtra und Buecher.de inklusive ihrer Ableger in Österreich und der Schweiz einen Umsatz von mehr als 70 Millionen Euro erzielen. Dies käme einer Steigerung von rund 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr gleich."

Das Buch "La prophetie des pierres" hat in Frankreich eine Auflage von 10.000 Exemplaren erreicht. Das wäre an sich noch nicht weiter bemerkenswert. Doch die Autorin, Flavia Bujor, ist 14 Jahre alt. Im kommenden Frühjahr erscheint das Buch in Deutschland bei List. Die Rechte seien, so das Börsenblatt, auch nach Italien, Spanien, Großbritannien, Portugal, Japan, in die Niederlande und in die USA verkauft worden. In Hollywood sei bereits ein Film in Planung.

Passend zu dieser Meldung berichtet Eckart Baier über die Bemühungen des Sortiments, die über 14-Jährigen in die Buchhandlungen zu locken. "Es ist nicht leicht, den Geschmack junger Leute zu treffen. Ansprache, Titelauswahl, Dekoration und Atmosphäre müssen stimmen, damit sie sich in einer Buchhandlung angesprochen und wohl fühlen. 'Eine Gratwanderung', sagt Stefanie Perstat, Buchhändlerin bei Baedeker in Essen. Denn gut gemeint ist nicht immer gut gemacht: 'Die Jugendlichen wollen nicht, dass man sich ihnen anbiedert.'" Engagement für die Zielgruppe scheint sich allerdings auszuzahlen. "Eine günstigere Platzierung der 14-plus-Abteilung, eine durchdachtere Auswahl und Sortierung der Titel - schon lief der Bereich in der Buchhandlung Faller im hessischen Pfungstadt besser. (...) Auch die Idee, eine Praktikantin mit einer Bücherkiste in eine Schulbibliothek zu schicken, war ein großer Erfolg." Bereits nach zwei, drei Monaten habe der Umsatz "spürbar" angezogen.

Michael Roesler-Graicher referiert Ergebnisse der Focus-Studie "Der Markt der Bücher im Wandel". Die Studie habe einen klaren Verbrauchertrend ermittelt: "Die Buchkäufer tendieren zunehmend zu preiswerten Titeln. Vor allem Taschenbücher sind angesagt. (...) Nach wie vor steige auch das Interesse an Belletristik sowie Kinder- und Jugendbüchern - wobei der Absatz von Hardcovern schleppend verlaufe, so die Studie. Einige Buchverlage haben inzwischen darauf reagiert und legen beispielsweise Kriminalromane nur noch im Taschenbuch auf." Hinter der positiven Umsatzentwicklung bei der Belletristik verberge sich allerdings laut Focus ein Trend zur Trivialisierung.

Zum internationalen Writers-in-Prison-Day erinnerten Börsenverein und PEN-Zentrum an die weltweite Verfolgung von Schriftstellern und Publizisten. Der deutsche PEN-Generalsekretär Wilfried F. Schoeller sagte in einer Rede im Goethe-Haus in Frankfurt am Main, Jean Amery sei ein "Zeuge für alles, was heute geschieht". Amery überlebte verschiedene Konzentrationslager. 1945 wurde er in Bergen-Belsen befreit. "Doch bevor Schoeller (...) auf Amery zu sprechen kam, nannte er bedrückende Zahlen von weltweit verfolgten Autorinnen und Autoren, Publizisten und Journalisten. In der ersten Hälfte dieses Jahres wurden 16 getötet, 15 sind verschwunden, fünf wurden entführt, 126 verfolgt, 167 waren kurz in Haft. Vom Tod bedroht waren 59; in weitere 59 Fällen wurden Autorinnen und Autoren auf andere Weise bedroht. 67 Fälle sind bekannt, in denen sie attackiert wurden."

Ein Videofilm über Berlin, den ein Berliner Buchhändler produziert hat, ist zu einem kleinen Kassenschlager geworden. 2.300 Videos zum Preis von je 12,80 Euro seien in den vergangenen elf Wochen über die Ladentheke des Buchhändlers Wieland Giebel gegangen. Giebels Geschäft "Berlin Story" hat allerdings einen entscheidenden Vorteil: Es liegt direkt an der Straße Unter den Linden.

Weitere Meldungen: Der Süddeutsche Verlag baut bis Ende 2004 weitere 300 Stellen ab; in diesem und im kommenden Jahr werden 650 Arbeitsplätze gestrichen. Buch.de übernimmt die deutschsprachigen BOL-Shops, nicht aber die Mitarbeiter. Lübbe legt die Lektorate für Hardcover und Taschenbuch zusammen. Auch Computerbuchverlage haben erkannt, dass das Cover-Design ein Marketing-Instrument ist; jüngst der Verlag Markt + Technik, dessen erste Titel nun mit farbenfrohen Umschlägen erscheinen. Und Christina Schulte stellt den VLB online Titelservice vor.

Das Heft enthält einen Schwerpunktteil zum Thema Recht / Wirtschaft / Steuern.
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