Außer Atem: Das Berlinale Blog

Allein mit Vater: "Pferde stehlen" von Hans Petter Moland (Wettbewerb)

Von Anja Seeliger
09.02.2019.


Würden heute noch Western gedreht werden - der schwedische Schauspieler Stellan Skarsgård wäre ihr Held. Er ist vielleicht der letzte männliche Schauspieler, den man noch an seiner Haltung und seinem Gang erkennt. Auch kann er sich jederzeit ganz in sich zurückziehen, so dass nur noch eine Außenhülle zurückzubleiben scheint. Das alles kommt ihm auch in dieser Rolle eines alten Mannes zurück, der fühlt, dass sein Leben zu Ende geht und der sich in ein kleines Dorf an der norwegisch-schwedischen Grenze zurückzieht. Trond, so heißt der Mann, hat hier den letzten Sommer allein mit seinem Vater verbracht, der die Familie dann aus Liebe zur Nachbarsfrau verließ. Ein Verlust, den der Junge auch als alter Mann offenbar nie verwunden hat.

Hans Petter Molands Wettbewerbsbeitrag "Pferde stehlen" ist eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Per Petterson. Ich habe das Buch nicht gelesen, doch die begeisterten Besprechungen der 2005 erschienenen deutschen Übersetzung loben einhellig die unprätentiöse Art, mit der Petterson die Natur zum Sprechen bringt, die Trond, den Erzähler immer mehr umhüllt, während er auf den Tod wartet und sich dabei zurückerinnert.

Moland, das versteht man auch, ohne den Roman gelesen zu haben, versucht ebenfalls die Natur sprechen zu lassen, nur eben mit den Mitteln des Films. Immer wieder wechselt die Perspektive auf die Landschaft und das Leben darin - vom Panoramabild bis hin zum kleinsten Detail, den Blüten eines Strauches, einem Uhu, der über die ganze Leinwand sein prächtiges Federkleid zeigt, den Halmen auf einem Feld mit wogendem getrockneten Gras. Es sind wunderschöne Bilder, die dennoch etwas unheimliches haben, weil sie mit aggressiv lauten Geräuschen untermalt sind. Der Regen prasselt mit Gewalt herunter, der Wind heult so laut, als wollte er die Ähren ausreißen, der Schnee knirscht unter den Autoreifen derart bedrohlich, dass man den Unfall förmlich kommen sieht. Dazwischen immer wieder eine kurze, knackende Geräuschmusik.

Man kann sich sehr schön in diesen Bildern verlieren, ab einem gewissen Punkt möchte man von der Geschichte eigentlich gar nichts mehr wissen, weil im letzten Drittel einfach zu viel geredet wird. Mit dem Buch geht es einem vermutlich anders, aber im Film sind die Bilder so stark, dass Wörter anfangen zu stören. Man braucht sie auch deshalb nicht, weil man so viel in das Gesicht von Skarsgard lesen kann. Vielleicht hätte man im Film die Dinge mehr in der Schwebe lassen sollen.

Anja Seeliger

"Ut og stjæle hester - Pferde stehlen". Regie: Hans Petter Moland. Mit Stellan Skarsgård, Bjørn Floberg, Tobias Santelmann, Jon Ranes, Danica Curcic. Norwegen / Schweden / Dänemark 2019, 122 Minuten. (Alle Vorführtermine)