Die Buchmacher

Welche Chancen hat das DVD-Buch?

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
22.09.2007. Wie Hugendubel und Weltbild unter dem DBH-Dach in die Offensive gehen wollen. Welche Chance die DVD im Buchhandel hat. Warum Nichtlesen besser als Lesen sein kann. Und wie es um die Solidarität der Branchenakteure bestellt ist.

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Zum einjährigen Bestehen des von Weltbild und Hugendubel begründeten DBH-Buchhandelsverbunds beschreibt buchreport, wie DBH in die Offensive gehen will. Die Koalition aus Habel, Hugendubel, Jokers, Weiland, Weltbild und Wohlthat wolle ein "Toptitel-Management" einführen, mit dem die DBH über alle "Premium"-Buchhandlungen im Verbund mit ausgewählten Verlagen Aktionen verhandeln will: Verlagen wird angeboten, dass ihre Toptitel an besten Präsentationsplätzen in großer Stückzahl geführt werden; die Verlage erhalten genaue Daten über die Abverkäufe. Die Voraussetzungen habe die DBH in den letzten Monaten im Hintergrund mit einer neuen IT-Infrastruktur und einem einheitlichen Warenwirtschaftssystem geschaffen, das bereits bei Weltbild plus und etwa der Hälfte der Hugendubel-Häuser laufe und bis Mitte nächsten Jahres in allen (zur Zeit) 465 Filialen installiert sein soll.

Im Interview mit Thomas Wilking erklärt Lars Bauer, seit 2004 Geschäftsführer beim marktführenden Bahnhofsbuchhändler Valora Retail Deutschland, warum die Umsätze besonders mit Massentiteln rückläufig ist - entgegen des sonstigen Sortimentstrends. "Je allgemeiner die Information, desto leichter sind diese auch aus anderen Quellen zu beziehen", erklärt Bauer.

Dass es das Medium DVD im Buchhandel schwer hat, ist nicht neu. Nach einer Umfrage der Zeitschrift "videomarkt" geben nur wenige in der Videobranche dem Buchhandel eine Chance, sich noch zum lukrativen Distributionskanal zu entwickeln: 31,5 Prozent halten die DVD im Buchhandel für gescheitert; 15,8 Prozent sehen Chancen nur bei wenigen Buchketten. Zuversichtlich zeigt sich dennoch Oliver Trettin, seit 2002 Geschäftsführer der Gesellschaft zur Förderung audiovisueller Medien (FAM). Laut GfK sei der Buchhandel seit einigen Jahren der Distributionskanal mit den größten Absatz- und Umsatzsteigerungsraten - im im ersten Halbjahr 2007 hätten die Zahlen um 80 Prozent über denen des Vorjahres gelegen (hier der Artikel).

Im Kommentar rät Maria Ebert den Organisatoren des "Corine"-Literaturpreises, künftig mit anderen Bundesländern zum Aufbau eines "starken nationalen Buchpreises mit dazugehöriger TV-Gala" zu koooperieren.

Weitere Themen: Thalia hat sein Berliner-Flaggschiff (1800 Quadratmeter, 100.000 Bücher) im Alexa-Center eröffnet. Nach der überraschenden Ernennung von Caroline Michel zum CEO der Fraser & Dunlap Group proben Agenten und Klienten der renommierten Londoner Literaturagentur den Aufstand. Hier das Inhaltsverzeichnis und hier die Bestsellerliste.
Stichwörter: Bundesländer, Fransen, Corint

Börsenblatt

Nicht nur buchreport, sondern auch das Börsenblatt hat die DBH-Chefstrategen Carel Halff und Maximilian Hugendubel interviewt (und klugerweise komplett ins Netz gestellt). Auf die Frage nach den Wachstumsplänen erklärt der Weltbild-Boss: "Wir haben eine ausreichende Betriebsgröße. Da wir keiner Wachstumsstory folgen, fahren wir auch nicht mit dem Scheckbuch durchs Land, eröffnen ständig neue Häuser und versuchen zwanghaft, jedes Gespräch zum Abschluss zu bringen." Er zweifle, dass "einige Investitionen der letzten Zeit" - Halff meint offenbar Thalia - wegen des ohnehin schon virulenten Verdrängungswettbewerbs sinnvoll gewesen seien. Grundsätzlich habe der Handel in den letzten Jahren "deutlich mehr getan" als die Verlage. "Er war wesentlich innovativer, er hat mehr Geld in die Hand genommen. Und das nicht nur im stationären Einzelhandel, sondern auch im Internet."

Im Gastkommentar schaut der Salzburger Verleger Jochen Jung nach Australien, wo der Großbuchhändler A & R jene Verlage, die er schlecht verkaufe, mit einer Rechnung beglückt habe, "mit der er alle Kosten, ach was, Unkosten unfreundlich zurück- und vorwegerbat, die er hat, um jene Bücher im Sortiment zu halten, die keine Stapel- und leider nicht einmal Häufchenware sind. Einzelstücke halt." Jung beklagt die fehlende Solidarität der Branchenakteure. Solidarität der Ketten, des Barsortiments und der Verlage sei nicht zu haben, Solidarität der Verlage untereinander sei aber nichts als Pflicht, "und das heißt naturgemäß: der großen mit den kleinen."

Denis Scheck greift die Debatte um den französischen Literaturwissenschaftler und Psychoanalytiker Pierre Bayard auf, der in seinem Buch "Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat" die Vorzüge des Nichtlesens gegenüber dem Lesen preist. Bayard liefere ein "wohltuendes Gegengift" zu "jener Zeitstimmung in Deutschland, die Lesen immerzu instrumentalisiert: als Abwehrzauber gegen die Angst vor sozialem Abstieg, als Mittel für die Zurichtung williger Arbeitsbienen im Kapitalismus, (...) als tribalistisches Erkennungszeichen im Club der geretteten Seelen."

Weitere Themen: Der Club will sich nicht dem Preisbindungstreuhänder Dieter Wallenfels beugen und sein Angebot eines Bestellservices für normale, im Handel erhältliche Titel (die auf die Abnahmeverpflichtung angerechnet werden können) zurückziehen - jetzt naht eine gerichtliche Lösung. Nils Kahlefendt analysiert das Geschäft mit Lyrik-Bänden, das derzeit einem starken Wandel ausgesetzt sei. Lyrik tendiere zur Performance, nähere sich an Rap und Dub an, die Grenzen zwischen E und U würden durchlässiger - eine Entwicklung, von der der Handel profitiere. Andreas Trojan unterhält sich mit Rüdiger Safranski über die Leidenschaft beim Schreiben und sein neues Buch "Romantik. Eine deutsche Affäre". Georg M. Oswald erklärt, warum Amazon seine Lieblingsbuchhandlung ist. Die Nominierung von Martin Mosebach und Thomas Glavinic für die Shortlist des "Deutschen Buchpreises" erntet Kritik: Rezensenten wie Sigrid Löffler oder Ina Hartwig hätten sich lieber Michael Lentz oder Antje Ravic Strubel gewünscht.
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