Wolfgang Ullrich

Feindbild werden

Ein Bericht
Cover: Feindbild werden
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783803137012
Kartoniert, 160 Seiten, 10,00 EUR

Klappentext

Wie politisch ist Kunst heute - und wie steht es um ihre oft beschworene Autonomie? Wolfgang Ullrich, Kunsthistoriker aus Westdeutschland mit Wohnort Leipzig, stellt Fragen an die Gegenwartskunst und ihre Vermarktung, die über das rein Ästhetische hinausgehen. Damit hat er 2019 eine weitreichende Debatte provoziert: Dem in der ZEIT formulierten Vorwurf, Neo Rauch und andere in der DDR groß gewordene Maler würden unter Verweis auf die Freiheit der Kunst vermehrt rechte Positionen einnehmen, begegnete der Künstler mit dem großformatigen Bild "Der Anbräuner". In den Feuilletons und im Netz folgte Entrüstung. Wieso kam es zu solch heftigen Reaktionen? Wolfgang Ullrich tritt einen Schritt zurück und stellt fest, dass es ( jenseits dieses Falls) um grundsätzliche Konfliktlinien geht: Vordergründig um das Verhältnis zwischen Künstler und Kritiker. Dann um die offenbar wachsende Spannung zwischen Ost- und Westdeutschland. Und am Ende um den alten neuen Widerspruch zwischen der Sehnsucht nach Heimat mit festen Grenzen und dem Wunsch nach Offenheit und Pluralismus. Ein wichtiger Beitrag zur Debattenkultur zwischen Ost und West.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.12.2020

Sehr ernsthaft und gewissermaßen bis heute erschrocken erzählt Kito Nedo von dem zugrunde liegenden Streit dieses Essays, der womöglich, so zitiert er den Autor, ein Grabenkampf zwischen Ost- und West-Kunst oder -Kunstauffassung sein könnte. Aber dass sich daraus Gegengründungen rechter Kunstinstitutionen ergeben könnten, diese Furcht teilt er nicht mit dem. Vielmehr vermutet der nachdenkliche Kritiker, dass es der östlichen, sich vom Westen majorisiert fühlenden Kunstperspektive weiterhin gefallen wird, sich "von den Rändern" aus lautstark zu äußern - und in die gesellschaftliche Mitte zu zielen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.11.2020

Nicht so einfach, findet Rezensent Christoph Dieckmann, diese Diskussion um Ost und West und zugleich um Kunst und Kritik - in der ein fäkales Schmähbild von Neo Rauch (Ost) als Reaktion auf Ullrichs Kritik (West) eine Rolle spielt. Tatsächlich gelingt es dem Kritiker hier kaum darzustellen, was Wolfgang Ullrich nachträglich zu allem zu sagen hat. Immer wieder verheddert er sich in dem, was nicht gesagt wurde - aber vielleicht doch gemeint? Sein Thema scheint die westdeutsche Hegemonie in der Kunstkritik, über die sich Ullrich auch hier noch nicht im Klaren sei. Der Genie-Begriff, der womöglich in der DDR-Kunst überlebt habe und den Ullrich kritisiert, scheint Dieckmann durchaus nah, auch wenn er ihn nicht teilt, wie er schreibt - und Neo Rauch in Schutz nimmt gegen Projektionen aus dem Westen. Hier hätte man einem Rezensenten zum Aufdröseln seiner Gedanken vielleicht ein bisschen mehr Platz einräumen müssen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.10.2020

Karlheinz Lüdeking liest Wolfgang Ullrichs Erwiderung auf Neo Rauchs gemalte Erwiderung auf einen vom Maler als Angriff verstandenen Artikel des Autors, in dem Ullrich Rauch "Motive rechten Denkens" unterstellt, mit einiger Ratlosigkeit. Bild (von Rauch) und Text (von Ullrich) wollen nicht zusammenkommen, stellt er fest. Während der Leser zum "Mitwirkenden" eines Verfahrens wird, so Lüdeking, verharrt Rauchs Bild in "neosurrealistischer Vieldeutigkeit". So viel ist sicher, meint er: Rauch fühlt sich diffamiert. Und Ullrich versucht in "korrekten Sätzen", die Konfrontation in einen Zusammenhang zu stellen. Damit macht er sich wiederum angreifbar, ahnt Lüdeking.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 27.09.2020

Rezensent Kolja Reichert liest Wolfgang Ullrichs Erkundung eines Bildskandals, in dem der Kunstkritiker Ullrich selbst zum gemalten "Feindbild" wurde, als Versuch, die Kämpfe um Deutungshoheit in Kultur, Politik und Ökonomie zu begreifen. Die Deutungen des betreffenden Gemäldes von Neo Rauch, die der Autor anbietet (Ullrich stellt es in die Tradition des Schmähbilds), und seine Formulierung zweier im Bilderstreit aufeinandertreffender Kunstverständnisse (Ost und West) scheinen Reichert aufschlussreich, auch wenn er erkennt, dass Ullrichs fortdauernde Bereitschaft zur (Selbst-)Kritik "Feedbackschleifen" produziert.