Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
22.05.2006. Warum das Möchtegern-London-Engagement der Frankfurter Buchmesse leichtsinnig, fahrlässig, unprofessionell, zumindest aber naiv war. Wie ein frisches Bücherangebot die grandiose Selbstausbeutung der Buchhändler beenden kann.Welcher Verleger notfalls selbst zum Staubsauger greifen würde. Und weshalb Google-CEO Eric Schmidt demnächst vielleicht auf deutschem Boden in Ordnungshaft genommen werden könnte.

buchreport.express

In der vergangenen Woche hat buchreport Skepsis walten lassen. Nachdem die Pläne der Frankfurter Buchmesse in London geplatzt sind, finden die Dortmunder klare Worte: "Leichtsinnig, fahrlässig, unprofessionell, zumindest aber naiv" sei die Vorgehensweise von Juergen Boos gewesen. Dass der Messechef seine Niederlage am Ende wie einen Sieg gefeiert hat (O-Ton: "Die Verlage und Aussteller werden nun genau das bekommen, was sie eingefordert haben: Eine Buchmesse an einem zentralen Standort zu hoffentlich günstigeren Preisen") - mit diesem Fauxpas geht buchreport jedoch schonend um: Boos habe sich ungeachtet der bitteren Niederlage "altruistisch" gegeben. "Bis auf der verbrannten Erde wieder blühende Felder zu bewundern sind", schlussfolgert der ungenannte Autor, "dürfte einige Zeit ins Land gehen."

"Baustelle zu besichtigen", lautet die Überschrift zu einem fünfseitigen Artikel, in dem die Redakteure im Vorfeld der Buchhändlertage (am Dienstag und Mittwoch, 23., 24. Mai) die Finger in die Wunden des Börsenvereins legen: Verbandsreform gescheitert, Finanzplanung in der Krise, Vorzeigeprojekte ("Volltextsuche Online") zum Scheitern verurteilt. Trotz der maroden Stellen wollen sich nur vergleichsweise wenige Mitglieder den Bauhelm in Berlin aufziehen: Mit 597 Anmeldungen liege die Zahl der Teilnehmer um 100 unter dem Vorjahr. Im Interview schildert Connie Verberne, Direktorin des niederländischen Branchenverbands KVB, wie eine gelungene Verbandsreform aussehen kann: Die Wirtschaftstöchter wurden verkauft, damit sich die KVB auf die Lobbyarbeit sowie ihre Kernkompetenz (statistische Untersuchung der Buchbranche) konzentrieren kann.

Schon einmal haben Gert Frederking und Monika Thaler ihren Verlag verkauft - und ihn 2002 wieder zurückgekauft. Doch statt einem Konzern wie damals Bertelsmann den Zuschlag zu geben, soll nun der Christian Verlag endgültig das verlegerische Erbe der Münchner fortführen. "Vorsorge zur rechten Zeit", lobt der buchreport. Die Christian-Chefs Johannes Heyne und Martin Dort sind seit Jahren auf Expansionskurs. 2003 beteiligte sich das Duo mit 50 Prozent am Area Verlag. Im gleichen Jahr gehörte es zum Kreis derjenigen, die sich für die Übernahme von Ullstein Econ List interessierten. Am Ende bekam jedoch Bonnier (u.a. Piper, Carlsen) den Zuschlag.

Die Gespräche zwischen Google und dem Börsenverein im Streit um die Digitalisierung von Büchern (hier mehr) sind ergebnislos vertagt worden. Derweil haben der Verband und die Wissenschaftliche Buchgesellschaft als einer der vier Verlage, die im April eine Abmahnung an Google geschickt haben, beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung (hier die Antragsschrift) beantragt - unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250000 Euro oder einer Ordnungshaft, die am Google-CEO Eric Schmidt sowie dem Deutschland-Chef der Suchmaschine Holger Meyer zu vollziehen ist. Die mündliche Verhandlung ist für den 28. Juni angesetzt. Die Anwaltskosten für das Musterverfahren will der Börsenverein übernehmen.

Weitere Meldungen: Nach SZ und Co. will auch der Spiegel im August eine Bücheredition auf den Markt bringen: 40 erfolgreiche Sach- und Belletristikbücher der letzten Jahrzehnte. Die Bild bringt im September aus den Substanzen des Bertelsmann Lexikon Instituts eine "Wissensbibliothek" auf den Markt. Der Billigbuchhändler Elbe Team ist am Ende: Die 34 Filialen wurden vom Insolvenzverwalter geschlossen, für den Onlineableger wird noch ein Käufer gesucht. Ex-Libro-Boss Andre Rettberg (wir erinnern uns: Der Ex-"Manager des Jahres", der die Preisbindung aushebeln wollte) muss ins Gefängnis. Und hier die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Der vielleicht schönste Beitrag im Börsenblatt ist ein Leserbrief. Darin kommentiert der Verleger Hans-Alfred Herchen vom Verlag Haag + Herchen das Debakel um die Expansionspläne der Buchmesse in London. Messechef Juergen Boos sei einfach mit der Reihenfolge (mündliche Absprache, Vertrag, Pressemitteilung) durcheinander geraten. Statt das Scheitern als "Sieg der Buchbranche" zu feiern, wäre es laut Herchen "ehrlicher und sympathischer gewesen, schlicht und ergreifend einzugestehen, dass die Sache in die Hose gegangen ist. So was kann mal passieren." Die jetzige Stellungnahme (siehe O-Ton-Zitat in der buchreport.express-Zusammenfassung) klinge jedoch nach "Operation gelungen, Patient tot."

In die Serie der wegweisenden Kommentare zur Zukunft der Buchbranche reiht sich diesmal Lorenz Borsche (Einkaufsgenossenschaft eBuch) ein. Der alte Buchhandel, zynelt Borsche, mit "zu vielen Büchern im Regal", "teurem Steuerberater" und "grandioser Selbstausbeutung" werde weiterleben - bis eine Kette den Standort entdecke. Als Gegenmittel schlägt Borsche ein frisches Angebot - "so fröhlich bunt wie der Wochenmarkt" - vor, bei dem die Titel frontal präsentiert oder über Nacht besorgt werden. Dafür sei ein "radikales Umdenken" erforderlich.

Im Interview streiten Volker Hage (Spiegel), Bodo Kirchhoff (Autor), Martina Tittel (Dussmann) und Rainer Moritz (Literaturhaus Hamburg) über das für den "Deutschen Buchpreis" verwendete Etikett "Bester Roman des Jahres". Die Dussmann-Chefin legt ihren Finger schon bei der ersten Antwort in die Wunde des Literaturkritikers, indem sie nach den Kriterien für das "literarischste", "politischste" oder "meistverkaufte" Buch fragt. Worauf der Jurysprecher Hage einräumt, dass es keine objektiven Kriterien gibt und dass sich die persönlichen Maßstäbe immer wieder verschieben. Worauf Moritz erklärt, dass der beste Roman "Zeitlosigkeit" in sich tragen müsse. (Worauf wohl der letzte Leser ausgestiegen ist)

In einem Porträt von DTV-Chef Wolfgang Balk zeichnet Andreas Trojan einen zurückhaltenden, jedoch meinungsfreudigen, unprätentiösen und bodenständigen Verleger, der sich nicht zu schade ist, selbst im Verlag zum Staubsauger zu greifen. Zum Thema Konzentration äußert sich Balk diplomatisch: Bei Bonnier und Bertelsmann würden durchaus gute Bücher verlegt; auch arbeiteten dort Menschen, denen Literatur viel bedeutet. Er mache sich jedoch Sorgen, dass "Individualismus und Eigeninitiative bei der zunehmenden Konzentration auf wenige internationale Konzerne auf der Strecke" blieben.

Die große Unbekannte der Buchbranche, die VEMAG aus Köln, will neben den Nebenmärkten (Ikea, Lidl, Aldi) künftig mit den Marken Boje und Pestalozzi auch den Buchhandel vertrieblich ansteuern. "Es wäre einfach eine Verschwendung von Ressourcen, wenn wir nicht im Buchhandel vertreten wären", begründet Ulrich Störiko-Blume den Schritt im Gespräch mit dem Börsenblatt. Störiko-Blume war im April 2005 bei Beltz & Gelberg ausgeschieden und später zur VEMAG gewechselt.

Weitere Artikel: Der Insolvenzverwalter des Elbe Team hat die Filialen geschlossen. Die Umsätze im Onlinebuchhandel sind laut Bundesverband der Deutschen Versandbuchhändler 2005 um 13 Prozent gestiegen. Die Wirtschaftskommission im eidgenössischen Parlament will doch kein Preisbindungsgesetz für die Schweiz beantragen.

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