Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
21.05.2002. In dieser Woche lesen Sie: Warum der Streit um die Vorveröffentlichung des letzten Grisham-Buchs durch den Bertelsmann Club noch keineswegs ausgestanden ist. Wer die größte Werbekampagne in der Geschichte der Buchbranche plant (nämlich der Bertelsmann Club mit Grisham). Was Gewalt und Sex miteinander zu tun haben. Und warum die DVA Ärger mit den Barsortimenten hat. Von Hubertus Volmer

Börsenblatt

Die von Thalia, Hugendubel und der Mayerschen Buchhandlung gegen den Heyne Verlag verhängten Sanktionen sind offenbar noch nicht vom Tisch, schreibt das Börsenblatt. "Öffentlich äußern wollte sich zum jetzigen Zeitpunkt jedoch keiner der Großbuchhändler." Noch in Braunschweig hatten die versammelten Buchhändler die Entschuldigung des Ullstein-Heyne-List-Verlegers Christian Strasser generös angenommen. In der Ausgabe vom 14. Mai erzählt das Börsenblatt von Strassers Gang nach Canossa. Strasser hatte sich heftigen Ärger mit den großen Buchketten eingehandelt, weil er eine Bestseller-Lizenz vorab an den Bertelsmann Club vergeben hatte. In Braunschweig leistete er vor den Buchhändlern Abbitte (die NZZ hatte seinen Auftritt bereits beschrieben). "Der Verleger entschuldigte sich persönlich bei Heinrich Riethmüller von der Osianderschen Buchhandlung in Tübingen, dem er einst versprochen hatte, nicht mehr am Sortiment vorbei zu agieren. Schließlich folgte der Satz, der die Erwartungen übertraf: Solange er in der Verlagsgruppe verantwortlich sei, 'werden wir keine Club-Premieren mehr vergeben', sagte Strasser, 'niemals mehr.'"

Der Harry-Potter-Verlag Carlsen hat eine einstweilige Verfügung gegen eine Hamburger Saturn-Filiale erwirkt. Diese wollte jedem Käufer einer Harry-Potter-DVD (19,99 Euro) das Buch (14,50 Euro) kostenlos dazu geben. Mit der einstweiligen Verfügung werde es Saturn untersagt, das Buch weiterhin zu einem Preis anzubieten und/oder zu bewerben, der unter dem gebundenen Ladenpreis liegt, so das Börsenblatt (mehr hier). "Wer die Bücher an Saturn geliefert hat, würde noch recherchiert, sagte Carlsen-Geschäftsführer Klaus Kämpfe-Burghardt". Der Börsenverein hat Saturn zudem abgemahnt. Der Verband argumentiert, der Preis sei so niedrig, dass sich der Kunde nur zum Kauf der DVD entschließe, um in den Besitz des Buches zu gelangen. "Damit würde der DVD-Kauf entscheidend durch eine sachfremde Erwägung bestimmt, womit der Tatbestand des übertriebenen Anlockens im Sinne der Generalklausel des Paragrafen 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) erfüllt sei."

Weitere Meldungen: Die Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Sortiments- und Fachbuchhandlungen (AWS) will mit dem Thieme Verlag über dessen neues Konditionenmodell sprechen. Geklärt werden soll, ob dieses Modell "auf der Basis gesicherter Zahlen berechnet wurde". Die Fachbuchhändler sehen sich vom Thieme-Modell übervorteilt. Das Börsenblatt meldet außerdem, dass Ende Mai eine Taschenbuchausgabe von Sebastian Haffners "Geschichte eines Deutschen" erscheint, in der das verschollen geglaubte Schlusskapitel enthalten ist. Und die Privatisierung des Österreichischen Bundesverlags (ÖBV) kommt nur langsam voran.

Dann fasst Jürgen Hespe eine Logistikumfrage bei Verlagsauslieferern zusammen (die hohe Remissionsquote bleibt ein Problem). Christiana Schulte schreibt über die Umsatzentwicklung im Buchhandel im April und über Unterschiede zwischen dem Verzeichnis lieferbarer Bücher und der Deutschen Bücherdatenbank. Sybille Fuhrmann berichtet von der Jahrestagung des Bundesverbands der deutschen Versandbuchhändler (Titel: Entschleunigung, das klingt sehr vernünftig).

"Mit dem Thema Gewalt kann eigentlich nur die Sexualität mithalten. Das Töten gehörte schon immer zu einem der stärksten Genüsse der menschlichen Spezies", sagt Wolfgang Sofsky. Das Börsenblatt bringt ein Porträt des Soziologen, der für seine Habilitation "Die Ordnung des Terrors. Das Konzentrationslager" mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet wurde. Im Gespräch mit dem Börsenblatt sagt Sofsky, er folge dem Leitsatz seines Lehrers Hans Paul Bahrdt, der davon gesprochen habe, "dass die Gesellschaft mit den Sinnen zu erfassen sei". Zuletzt erschien von Sofsky "Zeiten des Schreckens".
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Heyne-Ullstein-List-Chef Christian Strasser hatte den Buchhändlern versprochen, er werde dafür sorgen, dass der Bertelsmann Club seine "aggressive Werbung" für den John-Grisham-Titel "Die Farm" einstellt (mehr dazu im Börsenblatt). Daraus wurde wohl nichts. Der buchreport berichtet jedenfalls über eine Meldung der Zeitschrift werben & verkaufen, nach der Bertelsmann "eine groß angelegte Neukunden-Kampagne" plane, in deren Mittelpunkt der Grisham-Titel stehen solle. "Die Club-Strategen wollen bis Ende Juni TV-Werbespots auf fast allen Sendern schalten. Anzeigen für die Buchgemeinschaft und ihr aktuelles Zugpferd werden außer in Spiegel und Focus auch in Programm- und sogar in Computerzeitschriften erscheinen. Die gesamte Aktion soll einen Mediawert von knapp 50 Millionen Euro haben - die mit Abstand größte Buchkampagne in der Branchengeschichte."

"Auch das noch", stöhnt der buchreport. "Das Bundeskartellamt in Berlin soll die Preise der Fach- und wissenschaftlichen Verlage untersuchen." Niedersachsens Wissenschaftsminister Thomas Oppermann hatte sich mit einer entsprechenden Bitte an die Behörde gewandt (hier seine Pressemitteilung). Oppermann sei der Auffassung, dass "die Verlage insbesondere in den Bereichen Natur- und Ingenieur-Wissenschaften sowie Medizin ihre marktbeherrschenden Stellungen" ausnutzen. In kurzen Zeitabständen hätten die Verlage die Preise für Abonnements um bis zu 30 Prozent erhöht. Oppermann argumentiere, dass die meisten Autoren von Wissenschaftsverlagen als Hochschullehrer ohnehin schon von der öffentlichen Hand finanziert würden und es sich daher bei ihren Schriften "im weiteren Sinne um quersubventionierte Veröffentlichungen handele". Die überhöhten Preise, die die Hochschulbibliotheken nun zahlen müssten, gingen abermals zu Lasten der Steuerzahler. Der buchreport stellt die gestiegenen Preise in einen Zusammenhang mit den gekürzten Bibliotheks-Etats. Infolge von Abo-Abbestellungen seien Auflagen gesunken und die Preise von Zeitschriften und Büchern gestiegen. Oppermann wolle mit seinen Vorwürfen "beim Wähler Punkte machen", glaubt das Blatt. Die Fachverlage weisen die Kritik ebenfalls zurück und räumen maximal unter zehn Prozent Preissteigerungen ein.

Der buchreport berichtet außerdem über den Streit um das neue Konditionenmodell der DVA und über die AWS-Tagung, bei der es um das Thieme-Konditionenmodell ging (siehe Börsenblatt). Der Chef des Barsortiments KNO/KV, Oliver Voerster, glaubt, dass die Transportkosten durch Einführung der Lkw-Maut um bis zu zehn Prozent steigen werden. Die Zukunft des österreichischen Medienhändlers Libri ist weiter in der Schwebe (bis 30. Juni werden 20 Millionen Euro benötigt, im Gespräch ist ein nochmaliger Verzicht der Gläubiger, das Börsenblatt hat dazu ebenfalls einen Artikel). Und schließlich meldet der buchreport, dass das letzte der britischen "Gentleman Publishing Houses" verkauft wurde: John Murray gehört jetzt WH Smith (die FAZ berichtete bereits darüber).

Dann weist der buchreport auf einen Streit in Österreich hin: Gegen das Buch "Unsere Klestils" haben der österreichische Bundespräsident Thomas Klestil und seine Ehefrau Margot Klestil-Löffler gleich zwei Mal Klage eingereicht. Die erste war erfolgreich; jetzt muss noch entschieden werden, ob Klestil-Löffler "eine verschlossene Egomanin, die in rhythmischen Abständen diplomatisches Parkett in qualmende Trümmerhaufen" verwandelt, genannt werden darf. Dem Buch schade der Rummel nicht, so der buchreport. Seit dem 9. April sei es mehr als 20.000 Mal verkauft worden.

Schließlich: die Bestseller.

Börsenblatt

Eine historische Entscheidung haben die Börsenvereinsmitglieder auf den Buchhändlertagen in Braunschweig gefällt: Sie stimmten einer Fusion von Börsenverein und den Landesverbänden der Branche mit großer Mehrheit zu. Die meisten Landesverbände hatten diese Zustimmung bereits zuvor gegeben. "Jetzt steht noch die Entscheidung der Landesverbände Bayern und Baden-Württemberg aus - aller Voraussicht nach werden sie der Fusion von Börsenverein und Landesverbänden ebenfalls zustimmen. Ab 2003 wird dann der Gesamtverein die Interessen der Branche vertreten". Nachdem der buchreport im Vorfeld geschrieben hatte, die Anmeldungen für die Buchhändlertage hätten einen neuen Tiefstand erreicht, weist das Börsenblatt darauf hin, das Treffen sei gut besucht gewesen.

In Braunschweig wurde auch eine neue Beitragsstaffel für den Börsenverein verabschiedet. Auf die dritte Sonderumlage wird verzichtet, für 2003 wird ein ausgeglichener Haushalt angestrebt. Die Vermögenslage des Börsenvereins sei dennoch nach wie vor angespannt, "bedingt vor allem durch die finanziellen Belastungen, die das Haus des Buches verursacht."

Und noch ein Machtkampf: Die Barsortimente Libri, KNO und Umbreit überlegen, die Herbst-Titel der Deutschen Verlags-Anstalt nicht einzukaufen und ordern derzeit nicht nach. Der Grund: Die DVA hatte den Grundrabatt für seine Belletristik- und populären Sachbuch-Programme gesenkt (gleichzeitig aber, so das Börsenblatt, die Konditionen für den Nachbezug verbessert). Libri und Co. werfen dem Verlag vor, es gehe ihm darum, weniger Bücher über die Barsortimente zu verkaufen. Die DVA bestreitet das nicht: Der Verlag habe eine Barsortimentsquote von 30 Prozent; diese Quote sei zu hoch.

Die VG Wort hat im vergangenen Jahr ein neues Rekordergebnis erzielt, meldet das Börsenblatt. "Von den gestiegenen Einnahmen dürften die einzelnen Berechtigten allerdings nicht viel gemerkt haben. Denn die Zahl der Ausschüttungsempfänger ist nach Angaben der VG Wort erneut gewachsen; Tantiemen erhielten rund 108.000 Autoren und 5.400 Verlage - das sind 8,5 Prozent mehr als im Vorjahr."

Die Jury des Leipziger Buchpreises zur europäischen Verständigung bittet um Vorschläge für mögliche Preisträger. "Gesucht werden Persönlichkeiten, 'die sich in Buchform um das gegenseitige Verständnis in Europa verdient gemacht haben'", zitiert das Börsenblatt aus den Statuten. Der Schwerpunkt liege auf dem Ausgleich mit und dem Zugang zu den Kulturen Mittel-Ost-Europas. Die Auszeichnung wird auf der nächsten Leipziger Buchmesse im Frühjahr 2003 vergeben.

Ein wenig verspätet meldet das Börsenblatt, dass die Europäische Kommission das Verfahren gegen die Buchpreisbindung zu den Akten gelegt hat. "In einem Brief an den Börsenverein hat die Europäische Kommission dem Sammelrevers ein so genanntes Negativ-Attest ausgestellt. Das mehr als neun Jahre dauernde Prüfverfahren gegen das in Deutschland gebräuchliche System der Buchpreisbindung sei nun eingestellt worden, freut sich Börsenvereinsvorsteher Dieter Schormann." Viel später hätte der Brief aus Brüssel nicht kommen dürfen: Börsenverein und Gesetzgeber bereiten derzeit ein Preisbindungsgesetz vor, das den Sammelrevers ablösen wird. (Zum Stand der Verhandlungen bringt das Börsenblatt einen Zwischenbericht.)

Weitere Beiträge: Der Medienkonzern Axel Springer schreibt erstmals rote Zahlen. Christina Schulte schreibt über Strategien zur Zukunftssicherung für Verlage und Buchhändler (im Anreißer heißt es: "Die Verlage sollen ihre Titelproduktion um mindestens ein Viertel reduzieren". An die Buchhändler erging in Braunschweig der Appell: "Unterstützen Sie die Verlage dabei, mit weniger Titeln mehr Umsatz zu machen"). Dann berichtet Michael Roesler-Graichen von einem Treffen des Arbeitskreises Elektronisches Publizieren am Rande der Buchhändlertage. Und schließlich dokumentiert das Böbla den Jahresbericht des Börsenvereins-Vorstands sowie die Dankesrede von Maike Albath, die in Braunschweig den Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik erhielt. Darin plädiert Albath für Tiefe und Ruhe in der Kritik, vom "aktualitätsbesessenen Tagesjournalismus" hält sie nicht viel. "Die Literaturkritik ist nämlich ein behäbiges Genre."
Archiv: Börsenblatt