9punkt - Die Debattenrundschau

Das gute Miteinander

Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
18.05.2017. Auch im Iran kann's noch schlimmer kommen als es schon ist, warnt die taz: Es muss nur der religiöse Scherge Ebrahim Raisi an die Macht kommen. In der FR erklärt Michael Wolffsohn, warum sich Deutsche und Israelis so schlecht verstehen: weil sie beide alles richtig machen. Libération findet die Ursachen für die erstaunliche Blüte der Internetmedien in Frankreich. In Zeit Wissen balanciert ein hoch alarmierter Harald Welzer auf "Shifting Baselines".
Efeu - Die Kulturrundschau vom 18.05.2017 finden Sie hier

Europa

Im Gespräch mit Arno Widmann in der FR erklärt Michael Wolffsohn (der gerade seine Autobiografie vorlegt), warum Israelis und Deutsche sich so of so schlecht verstehen: "Es kreuzten sich da zwei Lernprozesse. Die Mehrheit der Deutschen hat eine Lehre gezogen aus der deutschen Geschichte, aus zwei verlorenen Weltkriegen, aus dem Holocaust: nie wieder Täter. Gewalt darf kein legitimes Mittel der Politik sein. Die jüdische Lehre aus dem Holocaust lautet: nie wieder Opfer. Darum geht Israel, geht wohl die Mehrheit der Israelis davon aus, dass sie Gewalt, auch präventive Gewalt, anwenden müssen, um nicht vernichtet zu werden. Beide haben aus ihrer jeweiligen Perspektive die einzig richtige Schlussfolgerung gezogen. Gerade darum kommen sie nicht zueinander."
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Medien

Anders als in Deutschland, wo Journalisten so gut wie keine eigenen Internetmedien gründeten, tummeln sich in Frankreich eine ganze Menge scheinbar unabhängiger Medien im Netz - von Mediapart mit seinem besonderen Zahlmodell über Slate, Rue89 und die französische Huffington Post bis hin zu gut gemachten Literaturblogs wie En attendant Nadeau. Eine Scheinblüte sei das, meint Vincent Glad in Libération: "Es sieht so aus, als hätte die französische Presse einen Weg gefunden, sich über einen ziemlich einzigartigen Finanzmechanismus zu erneuern. Die alten verschuldeten Zeitungen geben ihren Journalisten Abfindungen, etwa im Falle eines Unternehmensverkaufs. Und die arbeitslosen Journalisten gründen dann ihr Netzjournal."
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Internet

Im Gespräch mit Meike Laaff in der taz erklärt Sascha Lobo, warum er das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz schlecht findet, aber nicht durchweg gegen ein Gesetz ist. Für ihn ist es ein "Amalgam der Boshaftigkeit" aus Medien wie Fox News und den sozialen Medien, das die klassische Öffentlichkeit zu überrennen droht: "Ich war mir wie viele andere total sicher, dass der Brexit nicht durchkommt. Dass Trump nicht gewinnt. Diese Gewissheiten waren offenbar auf Sand gebaut. Und diese Gewissheiten haben auch damit zu tun, dass bestimmte Instrumente der Zivilgesellschaft - und zwar gerade der liberal-demokratisch interessierten Öffentlichkeit, der Multiplikatoren - nicht so wirksam waren, wie man dachte. Man hat gemerkt, dass die liberalen Öffentlichkeiten in einer Blase gelebt haben. Es kann sein, dass sie früher oder später platzt. Aber dann möchte ich zumindest mit versucht haben, diese liberale Demokratie zu stützen." Lobo schreibt auch in seiner Spiegel-online-Kolumne zum Thema.
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Politik

Im Iran stehen Präsidentschaftswahlen an. Neben dem amtierenden Präsidenten Hassan Rohani gilt laut Silke Mertins in der taz Ebrahim Raisi als der aussichtsreichste Kandidat, "ein Mann, der als Generalstaatsanwalt für das Wegsperren und die Exekution Tausender Oppositioneller zuständig war. Er will die Uhr zurückdrehen, am besten bis zur Revolution, und er will eine härtere Linie fahren, insbesondere gegenüber den USA. Er fantasiert sogar davon, Mauern auf der Straße bauen, um die Männer und Frauen voneinander trennen." Das schlimmste: "Gelingt es Raisi, Präsident zu werden, empfiehlt er sich als Nachfolger für den gesundheitlich angeschlagenen Ali Chamenei, den derzeitigen Religionsführer." Im Guardian wirft Emma Graham-Harrison einen Blick auf die Wahlen im Iran.
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Gesellschaft

Wehret den Anfängen!, ruft ein alarmierter Harald Welzer in einem Artikel aus dem Zeit-Ableger Zeit Wissen, der jetzt online steht und erklärt den Begriff der "Shifting Baselines", die durch eine Gewöhnung der Gesellschaft an "rechte" Parolen entstehen: "Da meinte der Generalsekretär der CSU sagen zu können: 'Das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese. Der ist drei Jahre hier - als Wirtschaftsflüchtling -, den kriegen wir nie wieder los.' Hätte der Generalsekretär einer Regierungspartei sich vor zwei Jahren derart rassistisch geäußert, hätte er sein Amt sofort niederlegen müssen. Heute darf er es sagen - shifting baseline."

Eine Reihe von mit Verkehrsthemen befassten Autoren fragen in der taz, warum auf das selbstfahrende Auto wie auf einen Messias gewartet wird, statt dass jetzt schon umgesetzt wird, was möglich ist. Sie machen einige Vorschläge - hier der einfachste: "Zebrastreifen: Fußgängerfurten und Zebrastreifen können schon heute von Kraftfahrzeugen 'gesehen' und die Fahrzeuge gegebenenfalls angehalten werden. Dadurch werden, wie bei den Ampeln, die Sicherheit erhöht und das gute Miteinander gefördert."
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