Marlene Streeruwitz

Die Schmerzmacherin

Roman
Cover: Die Schmerzmacherin
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011
ISBN 9783100744371
Gebunden, 398 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Leute werden verschleppt, verschwinden, werden eingesperrt oder gefoltert. Amy arbeitet für einen privaten Sicherheitsservice, sie kann die Korruption und Gewalt nur ahnen, die sich als Abgrund hinter den geheimen Operationen abzeichnet. Als sie beschließt auszusteigen, gerät sie endgültig in die Fänge einer undurchsichtigen, aber brutalen Organisation. Amys Verlorenheit korrespondiert mit dem Ringen um die Wahrnehmung der Realität. Was kann sie glauben? Wer ist sie selbst? Und vor allem: Was passierte an dem Tag, an den sie sich nicht erinnern kann?

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.01.2012

Mit Entsetzen und Begeisterung hat Ina Hartwig diesen Roman von Marlene Streeruwitz gelesen, die sie ganz grundsätzlich für ihre Musikalität, ihr Tempo und ihre Erzählokönomie bewundert. Und wie gewohnt hat sich Streeruwitz auch in der "Schmerzmacherin" ein aktuelles Thema herausgesucht, das sie nicht zu einem Leitartikel, sondern zu grandioser Prosa verarbeitet. Es geht um eine junge Frau aus schlechten Verhältnissen, die immerhin gelernt hat, ihre Schönheit von anderen einsetzen lassen. Sie geht zu einer Sicherheitsfirma und mit ihr nach Afghanistan, bis sie, nach einem Übergriff auf sich selbst, aus diesem Kältesystem aussteigt. Unübertroffen findet Hartwig die Streeruwitz, wenn es darum geht, die schleichenden Übergange von Lust in Gewalt und wieder in Lust darzustellen. Dass sie darüberhinaus auch der "Bedeutung des Autofahrens" in ihrer Literatur Rechnung trägt wie auch dem "Genuss des Abdriftens", freut die Rezensentin umso mehr.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.10.2011

Dabeibleiben lohnt sich, rät Ines Pohl nach der Lektüre von Marlene Streeruwitz' neuem Roman "Die Schmerzmacherin", denn dieses Buch ist ihrer Meinung nach ein "Abenteuer". Aber dafür muss der Leser bereit sein, einiges auf sich zu nehmen, berichtet die Rezensentin weiter: zum einen, weil die Geschichte um die 24-jährige, orientierungslose Amy, die in einer privaten Sicherheitsfirma arbeitet, in welcher mehr gefoltert und getötet, als dass vor Terror geschützt wird, und in der sie schließlich vom Chef vergewaltigt wird, ziemlich schwer verdaulich ist. Pohl liest hier nicht nur das "kunstvoll" verdichtete Bild einer zerrissenen Gesellschaft, in der das verlorene Individuum der Willkür privatisierter Unternehmen überlassen ist, sondern auch die desillusionierte Kritik der feministischen Autorin an einer Welt, in der es letztlich immer möglich ist, eine Frau zu vergewaltigen. Zum anderen verlange Streeruwitz ihren Lesern hier intellektuell einiges ab: Den Lesern aber, die zum Mitdenken bereit sind und sich auch an dem formvollendeten Staccatostil nicht stören, kann die Kritikerin dieses beklemmende, aber erkenntnisreiche Buch nur dringend empfehlen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 05.10.2011

Ganz schön filmisch erscheint Steffen Martus der neue, schon für den Deutschen Buchpreis nominierte Roman von Marlene Streeruwitz. Die Fährnisse, die Ängste und die familiären Probleme der global agierenden Sicherheitsfachkraft Amy, meint Martus, beschreibt die Autorin ganz gegenwärtig mit harten Schnitten, waghalsigen Kamerafahrten, Slowmos, Auslassungen, kurz, mit der guten alten Streeruwitz-Poetik, die einen geraden Satz für eine Lüge hält. Obgleich Martus so ein Programm angesichts allgegenwärtiger, offen sichtbarer Katastrophen leerzulaufen scheint, schätzt er die Thriller, Familien- und Bildungsroman verbindende analytische Kraft der Autorin doch sehr.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.09.2011

Auch in Samuel Mosers Besprechung kommt nicht so richtig rüber, was Marlene Streeruwitz da eigentlich geschrieben hat - einen Roman mit einem Minimum an Tagesaktualität, ein Schmerzbuch mit doppelter Perspektive (mit den Augen der Heldin auf sie selber blickend), ein Schmervermeidungsbuch? Mitleid jedenfalls kann Moser nicht entdecken, Tragik auch nicht. Und doch findet er, diese Amy, diese ewig Davongekommene, ist eine bedeutende literarische Figur. Und lustvoll ist es für ihn, der mitunter irrwitzigen Dramaturgie der Autorin zu folgen, ihrer Kunstsprache, die den Roman laut Moser einerseits rasend schnell, andererseits langsam macht und zwar quälend.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.09.2011

Unter Beschuss sieht sich Helmut Böttiger in Marlene Streeruwitz' jüngstem Roman, derart hart und atemlos werden die Sätze auf die Leser abgefeuert, findet er. Die österreichische Autorin erzählt darin von Amy, die die paramilitärische Ausbildung eines Sicherheitsdienstes durchläuft und, das wird erst spät aufgedeckt, Opfer des sexuellen Übergriffs durch ihren Ausbilder wird, wie der Rezensent gleich ausplaudert. Streeruwitz packt gesellschaftliche und politische Themen genauso an wie sie "zeitgenössische Familienstrukturen" aufgreift und ruft nach Meinung Böttigers bewusst TV-Soap-Versatzstücke auf. Am Ende lässt sie ihren Roman in ein Thrillerszenario münden, das sich mit kafkaesker Schwärze verbindet, berichtet der Rezensent. Auch wenn ihm dieser Roman fast körperlich zusetzt, und ihm die kompromisslose Ästhetik der Sprache imponiert, kann er nicht ganz verhehlen, dass dieses sprachliche Stakkato Gefahr läuft, etwas monoton zu werden. Zudem hat die Heldin in seinen Augen keine "Eigendynamik", und er kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Autorin hier ein Buch für "Theoretiker" geschrieben hat - mit einer Protagonistin als "Diskursträgerin" für die Reflexionen seiner Autorin.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.09.2011

Christian Metz bedenkt Marlene Streeruwitz' neuen Roman "Die Schmerzmacherin" mit viel Lob. Das Buch thematisiert seines Erachtens eindrucksvoll und hochkomplex die Bedrohungsszenarien der Gegenwart. Im Mittelpunkt steht, wie von Streeruwitz gewohnt, eine weibliche Protagonistin, die 24-jährige Amy, die in einer auf Folterverhöre spezialisierten Sicherheitsfirma eine neunmonatige Ausbildung macht und dabei in einen Strom beruflicher und privater Bedrohungen gerät. Mit diesem Szenario wirft Streeruwitz die Frage nach der Rolle der Frauen in der internationalen Sicherheitsbranche und im "Kampf gegen den Terror" auf. Metz attestiert der Autorin, von Anfang an mit ihrer fragmentierten und zugleich poetischen Sprache eine Atmosphäre der Bedrohung zu erzeugen. Die Wirkung des Romans basiert in seinen Augen auf seiner funktionierenden Konstruktion  einerseits, auf seiner präzisen Recherche andererseits. Alles in allem scheint ihm "Die Schmerzmacherin" nicht gerade ein "Hort der Schönheit", aber ein "brillanter Roman", der eine "wichtige politische Intervention" formuliert, "aber weder von links noch von rechts, sondern von Seiten der Literatur".
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de