Mircea Cartarescu

Melancolia

Erzählungen
Cover: Melancolia
Zsolnay Verlag, Wien 2022
ISBN 9783552073050
Gebunden, 272 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner. Mircea Cărtărescu schreibt über die Kindheit und das Heranwachsen. Und er enthüllt dabei die großen Themen des Lebens: Einsamkeit, Trennung, Liebe. Als seine Mutter einkaufen geht, ist der fünfjährige Junge überzeugt, sie kehrt nicht mehr zurück. Zuerst erkundet er die Wohnung, dann die nahe Kautschukfabrik, schließlich träumt er sich in das Kaufhaus Concordia. Um seine kleine Schwester von einer Krankheit zu heilen, unternimmt Marcel eine nächtliche Reise zum "Fuchsbau", vor dem sie sich am meisten fürchtet. Jahr für Jahr muss Ivan die Kleidungsstücke aussortieren, die ihm zu klein geworden sind. Als er Dora trifft und sich in sie verliebt, fragt er sich, ob auch Mädchen ihre Haut wechseln müssen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.03.2023

Allen, die sich bisher nicht an Mircea Cartarescus bildgewaltige Koloss-Romane herangetraut haben - abgeschreckt auch von der der Eigenheit von Cartarescus Werk und dessen speziellem Anspruch an seine Leserinnen und Leser - all jenen insbesondere, aber auch allen anderen empfiehlt Rezensent Sigrid Löffler den Erzählungsband des rumänischen Schriftstellers - ein schmales Bändchen, das Cartarescu-Anfängern einen weniger einschüchternden Zugang zu der Welt bietet, in der sich Cartarescus Fantasien abspielen. Schöpfer dieser Welt ist der kleine Junge  - das kindliche Alter Ego des Schriftstellers. Die Welt, die er erdenkt und erkundet, beschreibt Löffler als von großer Sensibilität und Erfindungsreichtum geprägt, hier stellt sich der Vater als Monstrum aus Kautschuk dar, die Mutter als Gigantin aus Schokolade. Was Wirklichkeit ist und was Traum, bleibt wie so oft bei diesem Autor in der Schwebe. Und schwebend sind auch die Passagen zwischen den drei Stadien des Übergangs, von denen die Geschichten in "Melancolia" erzählen - vom Kleinkind zum Jungen zur Adoleszenz - alle drei Phasen auf wunderbare Weise "imprägniert von Schwermut, Angst, Einsamkeit und Tod", schreibt Löffler. Cartarescu in a nutshell könnte man auch sagen, so der hingerissene Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.12.2022

Rezensent Franz Haas ist sich nicht ganz sicher, welchem Genre sich Mircea Cartarescus neues Buch zuordnen lässt, aber so wichtig ist ihm das dann gar nicht. Viel entscheidender ist die poetische Strahlkraft dieses Textes für ihn: Wie schon im vorhergehenden Werk des Rumänen spielen Metamorphosen eine große Rolle, Spiegelbilder und Zwillingskinder, dunkle Phantastik. Das alles verknüpfe sich zu einem Panorama existenzieller Einsamkeit, das von Cartarescu virtuos und kunstvoll erzählt und von seinem Übersetzer Ernest Wichner ebenso fingerfertig übertragen werde. Haas empfiehlt diese "Visionen einer Außenseiterjugend" mit Nachdruck.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 06.12.2022

Furchtlos hat sich Carsten Hueck mit Mircea Cartarescu in ein "labyrinthisches Panorama der Einsamkeit" begeben: Die Erzählungen des rumänischen Autors erinnern ihn an Kafka, aber auch an Märchen, Science Fiction, Comics und die Bilder von Hieronymus Bosch. Ein Universum bedrohlicher Bauten, in denen Geister genauso wie Insekten zu Hause sind. Postmodern erzählt, würden sich in diesem poetischen Kosmos Identitäten und Schauplätze ständig ändern - unter Zuhilfenahme sowohl der Naturwissenschaften als auch der Mystik. Faszinierend, findet Hueck, der mit ihnen die Welt neu zu sehen lernte. 

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.10.2022

Für Rezensentin Katharina Granzin ist Mircea Cartarescu einer der seltenen Menschen, die die Kinderwelt des Phantastischen nie eingetauscht haben gegen die geordnete Welt der Erwachsenen. Das spiegelt sich für sie auch in den hier versammelten Texten Cartarescus über Kindheit und Jugend wieder. Cartarescu erzählt zum Beispiel von einem kleinen Jungen, der sich vorstellt, seine Mutter käme vom Einkaufen nicht mehr nach Hause. Er sitzt in der Wohnung, bewundert das Licht, traut sich schließlich raus und ... es geht gut aus in dieser Geschichte, aber das ist auch die einzige, bei der das so ist, erklärt Granzin, die noch eine kleine Verbeugung in Richtung des "kongenialen" Übersetzers Ernst Wichner macht.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 01.10.2022

Richard Kämmerlings warnt davor, Mircea Cartarescus Erzählungen auf die leichte Schulter zu nehmen. Der schmale Band könnte für den Leser unversehens zur Falltür werden, darunter das Labyrinth von Cartarescus Erzählkosmos. Was dem Leser dort begegnet, hat laut Kämmerlings viel von Kafka auf LSD, dreht sich um albtraumhafte Orientierungslosigkeit, fantastische Kindheitswelten im Bukarest der Sechziger und Siebziger und um die Erfahrung totaler Einsamkeit. Aus dem Werk des Autors vertraute Motive wie der Doppelgänger oder das Paralleluniversum leiten Kämmerlings durch Cartarescus "geistige Landschaften".