Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
07.02.2006. In dieser Woche: Warum der Gebrauchtbuchhandel für die Branche so beängstigend ist. Und warum Bertelsmann demnächst transparent wird. Von Sandra Evertz

Börsenblatt

Das Börsenblatt macht (mal wieder) die Digitalisierung von Büchern zum Thema. Der Börsenverein sieht, dass die Konkurrenz sich bereits aufgestellt hat und drückt bei der brancheneigenen "Volltextsuche Online", seit neuestem kurz VTO, aufs Tempo. Am 1. Oktober soll die VTO "in Echtbetrieb" gehen (hier die Projektskizze zur Einsicht). Mehrere europäische Nationalbibliotheken arbeiten auf die von der EU-Kommission unterstützte Digitale Europäische Bibliothek hin. Auch die Deutsche Bibliothek ist mit Arbeitsgruppen vertreten, kann allerdings derzeit kein Projekt - wie etwa das französische Programm Gallica - realisieren. Der Bibliothek fehle es an finanziellen Mitteln, um die eigenen Bestände komplett einzuscannen, hat das Börsenblatt erfahren.

Dass Content verstärkt übers Internet vertrieben wird, weiß auch der stationäre Buchhandel. Aber: Will und kann er in das Geschäft einsteigen? Vier Fünftel der vom Börsenblatt befragten Sortimenter sehen sich selbst kein Stück vom "digitalen Kuchen" abschneiden.

Der Schriftsteller Alban Nikolai Herbst hat bei eBay eine Rolle in einem Roman versteigert. Der Höchstbietende soll mitbestimmen dürfen, wie die Figur, die auch nach ihm benannt sein kann, gestaltet ist. Ein PR-Gag oder ein geschickter Schachzug im Konflikt Kunstfreiheit vs. Persönlichkeitsfreiheit? fragt sich das Börsenblatt. Zur Erinnerung: Herbsts Roman "Meere" (Marebuch) durfte im Oktober 2003, nachdem eine Person ihre Persönlichkeitsrechte verletzt gesehen und erfolgreich geklagt hatte, nicht mehr vertrieben werden.

Die Journalistin Meike Fessmann (SZ, Tagesspiegel, Rundfunk) wird auf der Leipziger Buchmesse mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik ausgezeichnet. Die vom Börsenblatt gestiftete Anerkennung geht an eine Kritikerin, die "Werke von etablierten Autoren der Gegenwart wie die der jungen Generation beleuchtet". Einfach mache es sich Fessmann nicht, befand die Jury. Ihr Urteil sei ebenso kenntnisreich wie eigensinnig und entschieden.

Meldungen: Filialist Thalia hat die wissenschaftliche Versandbuchhandlung Dr. Claus Steiner AG aufgekauft. Die Universität Tel Aviv verleiht Marcel Reich-Ranicki die Ehrendoktorwürde und richtet einen Marcel Reich-Ranicki-Lehrstuhl für deutsche Literatur ein. Der Leipziger Buchpreis geht an den ukrainischen Schriftsteller Juri Andruchowytsch. Die Random House Verlagsgruppe führt ihre drei Labels Gütersloher Verlagshaus, Kösel Verlag und Gerth Medien zu einem neuen Bereich "Lebenshilfe und Religion" zusammen.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Buchreport greift das letzte Schwerpunkt-Thema des Börsenblatts, den besonders im Internet wachsenden Gebrauchtbuch-Handel (siehe "Buchmacher"-Archiv), auf und warnt: "Wenn es Mode wird, gelesene Bücher nicht mehr daheim in den Bücherschrank zu stellen, sondern meistbietend (...) weiter zu verkaufen, könnte sich ein Markt in kaum denkbarer Größenordnung entwickeln und das ist nicht ausgeschlossen." Für Peter Zylla, Geschäftsführer des "Zentralen Verzeichnisses Antiquarischer Bücher" (zvab), ist das zunehmende Interesse am Online-Gebrauchtbuchhandel nur logisch: Die Zahl der Internetnutzer steige immer noch, die Verlage hätten mit ihrer Flut an Billigbüchern die Preissensibilität der Käufer "erheblich geschärft" und die Controller in den Verlagen bestimmten kleine Auflagen, sodass insgesamt 98 Prozent aller jemals gedruckten Büchern "out of print" seien.

Das Nachsehen beim Trend zum "Second Hand-Buch per Mausklick" haben die Urheber, wie ein Blick in die USA zeigt. Unerhört blieb dort der Aufruf der Autorenvereinigung Authors Guild zum Boykott von Amazon und anderen Gebrauchtbuch-Anbietern. "Das Geschäft lässt sich nicht mehr stoppen", ist sich buchreport sicher. "Es gibt auch keine Möglichkeit, Autoren und Verlage an den für sie verlorenen Umsätzen zu beteiligen. Eine - theoretisch denkbare - Gebühr würden bei einem derart unüberschaubar großen Markt allein die Verwaltungskosten auffressen."

In der Zwickmühle sieht buchreport die Familie Mohn und die Bertelsmann Stiftung. Bertelsmann-Minderheitsgesellschafter Groupe Bruxelles Lambert (GBL) pocht auf den Börsengang des Medienkonzerns im Frühjahr 2007. "Das würde aus dem Familienunternehmen Mohn eine durch und durch transparente Aktiengesellschaft machen" und "Die Bertelsmann-Kultur geht in die Brüche", kommentiert buchreport. Um den Börsengang zu vermeiden, müssten die Mohns von ihrem Rückkaufrecht Gebrauch machen und circa fünf Milliarden Euro an die GBL zahlen. Buchreport glaubt: "Sie würden sich damit so hoch verschulden, dass kaum noch oder gar kein Geld für Investitionen mehr bliebe."

Still und leise löst sich der neue Club Bertelsmann-Chef, Fernando Carro, von der bisherigen Club-Bindung. Vergangene Woche noch wollte Carro hinter dem Berg halten, wie er den Mitgliederschwund zu stoppen gedenkt. Buchreport hat sich das neue Geschäftskonzept anhand der aktuellen Club-Werbung zusammengereimt: Mit der "flexiblen Mitgliedschaft" können Bertelsmann-Clubber nun schon nach dem Kauf von vier Büchern - und nicht erst frühestens nach zwei Jahren - kündigen.

Directmedia-Schwester Zenodot kündigt die erste gedruckte Wikipedia an. Beginnend im Oktober sollen bis ins Jahr 2010 monatlich zwei Bände erscheinen - insgesamt stehen 100 Bände, 80.000 Seiten und 350.000 Lemmata im Projektentwurf. Zur Finanzierung und Risikominimierung setzt Zenodot auf ein Subskriptionsmodell (1.490 Euro statt 1.850 Euro), Honorare für die Wikipedia-Texte werden nicht ausgeschüttet. Geht die Rechnung der Wikipedianer auf, müsste der Brockhaus-Verlag Bibliografisches Institut F.A. Brockhaus wohl schlucken: In die 21. Auflage seiner Brockhaus-Enzyklopädie (24.000 Seiten) investiert er 20 Millionen Euro.

Etappensieg für Random House: Das Landgericht Köln hat Zanolli-Insolvenzverwalter Jörg Nerlich untersagt, die von Random House an Zanolli gelieferten Bücher zu verwerten und die Erlöse an die Gläubiger zu verteilen. Der klagende Münchener Verlag will die Rückgabe seiner in die Zanolli-Konkursmasse übergegangenen Bücher erwirken.

Personalien: Christiane Steen übernimmt die Programmleitung des Rowohlt Kinder- und Jugendbuchprogramms rotfuchs.

Meldungen: Im November will der Neu-Ulmer Veranstalter Messe & Marketing in Ravensburg mit der Hörbuchmesse "Hearing" debütieren. Die Gesellschafter des Baumhaus-Verlags haben den Subito!-Verlag gegründet, um mit Humor und Satire neue Zielgruppen zu erschließen. Die Kooperation zwischen Frankfurter Buchmesse und Nürnberger Spielwarenmesse weitet sich aus: Dieses Jahr nehmen 29 Buch- und Hörbuchverlage am Branchentreff in Nürnberg teil (in 2005: 19 Verlage). Und: die Bestsellerlisten.