Bodo Kirchhoff

Nachtdiebe

Roman
Cover: Nachtdiebe
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2023
ISBN 9783627003104
Gebunden, 160 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Erzähl vom Ungeheuer, bittet das Kind am Abend den Vater. Zum ersten Mal sind Quint und sein Sohn Julian allein auf Reisen; die Mutter, eine Übersetzerin, hat beruflich in Paris zu tun. Das Ziel ist Tunis, aber für Quint ist es keine Urlaubsreise: Er sucht Helen, die junge Frau, die ein Jahr auf Julian aufgepasst hat und dann plötzlich verschwand. Einziges Lebenszeichen ist eine Postkarte aus Tunis, wo sie in einem kleinen Hotel an der Medina wohnte und ein Heft mit Aufzeichnungen hinterließ. Quint bezieht mit seinem Sohn im selben Hotel ein Zimmer. Und während er Julian vom Ungeheuer erzählt, dringt mehr und mehr das Ungeheure in seine Welt: Da ist die Wirtin des Hotels, Madame Melrose, der Quint in einem unbedachten Moment erliegt, und ein unheimlicher Hotelgast, Dr. Branzger, nach eigener Aussage Exilant aus der nicht mehr existierenden DDR. Aber vor allem ist da das Heft von Helen, eine einzige Abrechnung mit Quint. Als immer wieder beschriebene Seiten unter der Tür von Quints Zimmer durchgeschoben werden, muss er das Schlimmste befürchten. Bodo Kirchhoff erzählt in seiner auf einem früheren Roman basierenden Novelle "Nachtdiebe" von einem Mann, der innerhalb weniger Tage und Nächte, in einem Schrecken ohne Ende, aus lebenslangem Kindertraum erwacht. Eine aberwitzige Hoffnung treibt ihn in die Medina von Tunis, wo er gespenstischen Menschen und einer unerwarteten Liebe begegnet.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 01.02.2024

Diese Novelle hat zwar eine Menge Figuren für ihre 160 Seiten und strotzt laut der Erzählung des Rezensenten Ronald Düker nur so von "unerhörten Begebenheiten", die genretypisch produziert werden, aber Düker gibt ihr "fünf von fünf Herzen". Allzu prächtig amüsiert er sich mit dem fünfzigjährigen Protagonisten, der seinem Seitensprung, selbstverständlich einem Au-Pair-Mädchen, nach Tunis hinterherreist und dabei seinen vierjährigen Sohn stets mit im Gepäck hat. Lustig findet Düker auch, dass der Text 1992 spielt, also als alles noch analog war, "kein Handy, kein Whatsapp". Dafür ein buntes Personal. Übrigens: Kirchhoff hat hier einen älteren Roman zur Novelle gestrafft. Und jetzt funktioniert er wirklich, so der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.07.2023

Als Bodo Kirchhoffs Roman "Der Sandmann" 1992 erschien, stieß er auf ein geteiltes Echo, erinnert Rezensentin Rose-Maria Gropp. Bei der Wiederlektüre des Romans vor zwei Jahren stellte der Autor fest, dass in dem Roman eine Novelle verborgen ist - und verfasste diese konzentrierte Neufassung, fährt die Kritikerin fort und versichert: Es handelt sich keinesfalls um dieselbe Geschichte. Ohnehin liegt Kirchhoffs größte Gabe in der Kunst der Verdichtung, meint sie und lässt sich in den Bann ziehen von der Geschichte um den inzwischen über siebzigjährigen Schriftsteller Quint, der zurückblickt auf jene Tunis-Reise, die er einst mit dem kleinen Sohn Julian antrat, um Helen, das ehemalige Kindermädchen des Sohnes zu suchen. Im "Kleinen Hotel zur Ruhe", wo beide eintreffen, ereignen sich rätselhafte Begebenheiten: Tagebuchseiten Helens tauchen auf, ebenso ein so mysteriöser wie finsterer Dr. Branzger, der als Exilant der untergegangenen DDR und als "Verkörperung des Bösen" auftritt, resümiert Gropp. Im besten Sinne erkennt die Rezensentin Kirchhoffs fortgeschrittenes Alter: Die Novelle erscheint ihr "hellsichtiger", die Text und Figuren bestimmende Furcht, das "Sein zu verfehlen", deutlicher.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 06.07.2023

"Nachtdiebe" ist eine Novelle, die Bodo Kirchhoff aus seinem 1992 erschienenen Roman "Der Sandmann" "herausgeschält" hat, erzählt ein nicht namentlich genannter Rezensent. Überhaupt tauchen hier Figuren, Themen und Motive aus älteren Büchern Kirchhoffs auf, erfahren wir. Hier also folgt ein Mann namens Quint mit seinem kleinen Sohn einer Frau, mit der er vor Jahren eine Affäre hatte, nach Tunis. Andere Figuren tauchen auf, das ganze wird zur "Schnitzeljagd", über der Quint seinen sohn zu verlieren droht, so der Kritiker, der dem Sog der "traumartig überpräzisen Wirklichkeit" von Tunis offenbar erlegen ist.
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