Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
24.04.2006. In dieser Woche: Warum Sachbücher kriseln. Weshalb Verlage dringend raus aus der Mitte müssen. Wem Hasenhans und Hasengretchen wenig Eier beschert haben. Und wie die peinlichen taz-Buchverleger doch noch die Kurve gekriegt haben.

buchreport.express

Nicht nur in Frankreich, wo kaum ein Non-Fiction-Titel im vergangenen Jahr auf der totalen Jahresbestsellerliste stand, sondern auch in Deutschland kriselt das Sachbuch. Nach buchreport-Recherche sind die Umsätze des Sachbuchsegments im Sortimentsbuchhandel 2005 um 5,6 Prozent zurückgegangen. Im ersten Quartal, schreibt das Fachmagazin, habe sich der Trend mit -4 Prozent fortgesetzt. Zur Erklärung der Sachbuch-Baisse hat buchreport bei TNS emnid eine Umfrage in Auftrag gegeben: "Welches Medium bevorzugen Sie, wenn Sie sich umfassend über ein bestimmtes Thema informieren möchten?" Ergebnis: Besonders Zeitschriften (39 Prozent) und das Internet (34 Prozent) stehen gegenüber dem Sachbuch (23 Prozent) hoch im Kurs. Bei den Unter-30-Jährigen liegt das Internet mit 66 Prozent sogar ganz vorne.


Auf der Jagd nach lukrativen Stoffen für ihre Editionen nehmen die Presseverlage zunehmend Kinder- und Jugendbücher ins Visier. Nach der Zeit (Kinder-Edition: 15 Bände, 15000 Gesamtreihen verkauft), Süddeutschen Zeitung ("Junge Bibliothek", 50 Bände, 1,8 Million Einzelexemplare) und Gruner + Jahr ("GEOlino", 20 Bände, 1 Million Einzelexemplare) hat der Berliner Tagesspiegel eine zwölfbändige "Kindermärchen-Kollektion" gestartet: inklusive Text- und Hörbuchfassungen für schlappe 55 Euro. Die Preis-Erklärung des Verlags leuchtet ein: In Berlin sei einerseits die Preissensibilität hoch (will heißen: Keiner hat Kohle), andererseits gebe es viele junge Familien. Kinderbuchhändlerin Gabriele Hoffmann klagt im Gespräch mit buchreport: "Die Niedrigpreise machen die guten Bücher kaputt."


Mit großem Engagement hat der Börsenverein eine Gala zum "Welttag des Buches" (23. April) auf die Beine gestellt und zumindest beim Promi-Faktor reüssiert (Iris Berben ist diesmal die Protagonistin der "Leseköpfe"-Kampagne, hier auf dem Plakat mit dem Berliner Fotografen Andre Rival zu sehen). Doch laut buchreport sind die Bemühungen des Verbandes nur "kleine Lichter" - im Unterschied zum Ausland, wo der Todestag von Shakespeare und Cervantes regelmäßig Umsatzfeuerwerke im Sortiment entzünde. Nur ein Viertel der Buchhändler unterstütze hierzulande die Aktion; der Etat des Verbands für den "Welttag" sei rückläufig. Im Interview bleibt Börsenvereins-Sprecherin Anja zum Hingst optimistisch, dass sich das Konzept mittelfristig durchsetzen wird.


In der Karwoche hat der Umsatz im Buchhandel um 13 Prozent zugelegt - was laut buchreport kein Anlass zum Jubeln ist: Rechne man die kalendarischen Sondereffekte heraus, bleibe ein Miniplus von 1,3 Prozent, das durch "Hasenhans und Hasengretchen" eingespielt worden sei.


Weitere Meldungen: Der Börsenverein hat angekündigt, Google wegen der ungefragten Digitalisierung von deutschsprachigen Büchern in englischen und amerikanischen Bibliotheken abzumahnen - und vielleicht zu verklagen. Der Preisverfall von DVDs wirkt sich negativ auf den Buchhandel aus, weil die Sortimenter mit ihrem (meist spärlichen) Filmangebot kaum mit den Ramschern von Saturn & Co. mithalten können. Die "Narnia"-Verfilmung beschert Ueberreuter und Brendow Rekordumsätze. Schließlich hier die aktuellen Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Raus aus der Mitte, fordert Nils Kahlefendt (zumindest zwischen den Zeilen) in seinem vielstimmigen Artikel zur Produktdifferenzierung. Der fehlende Mut zur preislichen und qualitativen "Premiumklasse" sei im Bücherbetrieb ein "hochemotional besetztes Thema." Immerhin ringt sich Verlegerin Karin Schmidt-Friedrichs (Verlag H. Schmidt, Mainz) zu dem Urteil durch, dass in der Branche eine "gewisse Scheu vor Hochpreisen" bestehe. Nach Uwe Rosenfeld, Marketing-Chef bei S. Fischer, ist die "Ausdifferenzierung in Ausstattung und Preis" eine der "zentralen strategischen Aufgaben", denen sich die Verlage zu stellen haben.


Einen Gesinnungsgenossen hat der Verleger Matthias Ulmer, Anstifter des Börsenvereins-Digitalisierungsprojekts "Volltextsuche Online", in Jean Noel Jeanneney gefunden. In seiner Rezension von "Googles Herausforderung" (bei Wagenbach erschienen) würdigt der Stuttgarter die "Wortgewalt" und die "umfassende Bildung", mit denen der oberste französische Bibliothekar um die "Deutungshoheit über unsere Kultur" kämpfe (zur Erinnerung: Es geht in dieser erhitzten Debatte darum, Auszüge aus Büchern im Internet lesen zu können). Bei geschätzten 100 Millionen Büchern, die seit Gutenberg in der westlichen Welt erschienen seien, stelle die Vision von Google, davon 15 Millionen zu digitalisieren, "eben nur einen geringen Teil dar." (Wer spricht da, fragt sich der Leser an dieser Stelle: Ulmer pro domo? Oder doch Jeanneney?)


In einem (etwas zähen und leider sehr vorsichtigen) medientheoretischen Essay beruhigt Volker Tittel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Buchwissenschaft an der Uni Erlangen-Nürnberg, den Bücherbetrieb: Aus seiner Sicht sei "kein Ende des Buchs in Sicht". Gleichwohl ergäben sich zusätzliche Varianten der Speicherung und Vermittlung - und somit ein digitaler Mehrwert, der "in Teilbereichen zu einem Argument für die Substitution des gedruckten Buchs" werden könne.


Nach einem E-Mailverkehr von teilweise "grandioser Peinlichkeit" im Vorfeld, berichtet der Salzburger Verleger Jochen Jung, haben die 32 Buchverleger bei ihrer freundlichen Übernahme der taz-Redation doch noch etwas Vernünftiges zu Zeitungspapier gebracht. Gerne erinnert sich Jung daran, wie ausgerechnet KD Wolff (Stroemfeld) dem Aufbau-Chef Bernd Lunkewitz beratend am Bildschirm über die Schulter geschaut habe (Bilder vom taz-Event hat Buchmarkt Online gezeigt).


Weitere Meldungen: Nur kleine Eier hat der Osterhase nach der Börsenblatt-Kurzumfrage gelegt: Das durchwachsene Wetter habe den Kunden zu Ostern den Weg in die Buchhandlung erschwert, vermutet das Verbandsblatt. Die Bielefelder Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Mitarbeiter der Bertelsmann-Tochter Arvato. Der Hamburger Kinder- und Jugendbuchverlag Oetinger steigt ins Erwachsenenbuch ein.

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