Thomas Mann

Betrachtungen eines Unpolitischen

Große kommentierte Frankfurter Ausgabe. Band 13, zwei Teile
Cover: Betrachtungen eines Unpolitischen
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009
ISBN 9783100483485
Gebunden, 1200 Seiten, 80,00 EUR

Klappentext

Textband und Kommentarband. Herausgeber: Heinrich Detering, Eckhard Heftrich und Hermann Kurzke. Wie ein Monolith steht dieser gewaltige Essay im Werk Thomas Manns. Die "Betrachtungen eines Unpolitischen" werden gerne als konservatives Pamphlet, als Beleg für Thomas Manns reaktionäre Gesinnung während des Ersten Weltkriegs aufgefasst. Hermann Kurzke gelingt in seiner Neuedition eine andere und aufregende Lesart, die den Text in den liberalen Diskurs zurückholt. Zahlreiche Zeugnisse und Quellen, die Kurzke während seiner jahrelangen Beschäftigung mit den "Betrachtungen" nachweisen konnte, legen nahe, den Essay als mal leidenschaftliches, mal ironisch gebrochenes Zeugnis eines permanenten Selbstwiderspruchs zu lesen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.03.2010

Kritisch steht Thomas Assheuer dem Unternehmen dieser Neuedition gegenüber, Thomas Manns berüchtigtes Buch wieder in den "liberalen Diskurs" einzuspeisen. Denn dies tue der herausgebende Germanist Hermann Kurzke, der laut Assheuer von einer "virtuos geschriebenen und ironisch gebrochenen Herzenbeichte" eines Mannes unterwegs zur Demokratie spreche. Doch das mag Assheuer nicht so ohne weiteres übernehmen, der von einem Spiel spricht, das dem Leser seine Regeln verschweige. Auch schätzt er den betriebenen intellektuellen Aufwand als überschaubar und mit Tendenz zur Verharmlosung ein. Bewundernswert findet der Kritiker allerdings den Kommentarband, in dem er entlegenste Quellen und subtilste Bezüge ausgemacht fand.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.01.2010

Rundum glücklich ist Rezensent Gustav Seibt mit dieser Ausgabe von Thomas Manns "Betrachtungen eines Unpolitischen". Mit höchster Anerkennung bedenkt er die Einführung und den exzellenten Kommentar von Hermann Kurzke, der darin die Summe seiner langjährigen Studien zu Mann zieht. Dass Kurzke die "Schlüsselstellung" der "Betrachtungen" im Gesamtwerk Manns hervorhebt, findet Seibts ungeteilte Zustimmung. Besonders lobt er die Einordnung der "Betrachtungen" in den zeitgeschichtlichen Kontext sowie den Stellenkommentar. Dieser weise nicht einfach die Zitate nach heute gültigen Ausgaben, sondern die Fundorte in den Mann'schen Lektüren. So ermöglicht Kurzkes Kommentar für Seibt einen tiefen Einblick in die Schriftstellerwerkstatt Manns: "Wir sehen einen brillanten Feuilletonisten bei der Arbeit, der alles aufsaugt, was ihm zufliegt, egal woher." Manns "Betrachtungen eines Unpolitischen" selbst schätzt Seibt als überaus bedeutsames biografisches Zeugnis, ja als die "wichtigste Selbsterklärung" des Schriftstellers. Der Essay scheint ihm aber nicht nur biografisch und literaturgeschichtlich sehr relevant, sondern voll von "kopfverwirrendem Überscharfsinn", aber auch von "Hassorgien" gegenüber Bruder Heinrich. Wegen des zentralen Motivs, der "Revolte gegen die Versklavung des Geistes durch die Politik" (Mann), ist er für Seibt auch von hoher Aktualität. So würdigt er die "Betrachtungen" als "antiautoritäre Übung" für jeden, "sich eine eigene Welt zu schaffen und zu behaupten".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.01.2010

Laut Rezensent Manfred Koch ist dieser Text von Thomas Mann tatsächlich neu zu entdecken. Unentbehrlich dabei war ihm Hermann Kurzkes Kommentar, deren Grundthesen ihm zwar schon länger bekannt sind, die im Abgleich mit dem Text jedoch besondere Plausibilität gewinnen, wie er versichert. Manns Text erweist sich ihm so als ästhetisch reichhaltiges Zitatengeflecht. Vor allem aber als so kunstvolles wie durch sein Changieren zwischen "gesinnungstüchtigen Urteilen" und Überlegungen zur eigenen Person des Autors höchst zwiespältiges Konstrukt, hinter dem laut Rezensent ein "unfestes Ich" zum Vorschein kommt, das eine Rolle spielt, "um fest zu werden".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 04.01.2010

Nicht nur über den Fleiß, mit dem Hermann Kurzke den Kommentarband zu dieser Ausgabe von Thomas Manns "Betrachtungen" recherchiert und zusammengestellt hat, ist Michael Rutschky ehrlich erfreut. Auch bereitet ihm Manns "Grübelbuch" beim Durchstöbern einige Glücksmomente. Was ist wirklich deutsch? Die hier behandelte Frage schließlich scheint dem Rezensenten noch immer aktuell. Und sieht Rutschky das Buch auch in einer Traditionslinie mit "Mein Kampf" (!), findet er Manns Selbstbespiegelung mitunter auch ermüdend und voll innerer Widersprüche - Einzelbeobachtungen wie die zu Eichendorffs "Taugenichts" haben dafür seine ganze Aufmerksamkeit.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.11.2009

Immer schon waren Thomas Manns "Betrachtungen eines Unpolitischen" als hoch bedenkliche Ablehnung der Demokratie im Namen eines "narzisstischen" Kunstbegriffs äußerst umstritten. Außerordentlich schätzenswert findet der Rezensent Edo Reents den in den letzten Jahren des Ersten Weltkriegs entstandenen, aus der "Zauberberg"-Arbeit sozusagen herausgenommenen Essay, dennoch: Weil Mann darin nämlich die Unauflösbarkeit der von ihm in Opposition gestellten Begriffe ("Kultur versus Zivilisation", "Musik versus Literatur" etc.) vorführt. Dies lasse sich alles auch und gerade in dieser genau kommentierten Frankfurter Ausgabe noch nachvollziehen. Spürbar irritiert ist Reents jedoch von den Kommentaren des seit Jahrzehnten auf Mann spezialisierten Hermann Kurzke. Mit seiner Methode der "psychologischen Einfühlung" übertreibt Kurzke es für Reents' Begriffe deutlich - so einfach lasse sich der problematische Essay denn doch nicht entschärfen. Das sind keine grundsätzlichen Einwände gegen die Ausgabe, um mehr als einen vernachlässigenswerten Schönheitsfehler handelt es sich offenkundig aber schon.
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