Ingo Niermann

Minusvisionen

Unternehmer ohne Geld. Protokolle
Cover: Minusvisionen
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783518123270
Kartoniert, 299 Seiten, 12,00 EUR

Klappentext

Seit Jahren wächst in Deutschland die Zahl der Unternehmen. Noch schneller wächst die Zahl der Insolvenzen. Der unsichere Arbeitsmarkt drängt immer mehr Menschen, sich selbst anzustellen, trotz ungenügender Finanzierung. Wer scheitert, hat es wenigstens versucht. Eine Zeitlang darf man handeln, als würden dann die Träume wahr. Je versponnener die Geschäftsidee, desto größer der Gewinn, wenn sie gelingt. Wenn nicht, verspricht nur ein neues Unternehmen den baldigen Ausgleich der Verluste. Doch wie oft lässt sich der Neuanfang wiederholen? Ingo Niermann befragte vierzehn Wagemutige, die bereits ein oder mehrere Unternehmen hinter sich haben: ob Sägewerk, panpazifische Küche, Anlagebetrug oder Fernsehserie. Mit dem Hauptaugenmerk auf Berlin seit der Wiedervereinigung, fügen sich die verschiedenen Schicksale zu einer neuen deutschen Wirtschaftsgeschichte zwischen Soll und Sollen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.03.2004

An den Menschen, die Ingo Niermann in seinem neuen Buch sprechen lässt, kann Rezensentin Nadja Geer nur Eines finden: Sie sind verschwenderisch. Die gesammelten Protokolle von Mittdreißigern aus Berlin, die mit großen Visionen und jeder Menge Talent jede Menge Geld verschwenden, lasse Niermann unkommentiert im Raum stehen. Er bringe die Menschen zum Reden und lasse sie sich selbst "durch ihre sprachlichen Codes" charakterisieren. Damit erreiche der Autor das Ziel, mehr als nur Berichte vom Ruin einer "Generation X" zu schreibe. Niermann habe eine "Mentalitätsgeschichte" zu erzählen von jugendlichen Träumern, die versagen, und trotzdem nicht den Freitod wählen. Und so kommt die Rezensentin zu dem Schluss: "Scheitern macht Spaß".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.12.2003

Der Schriftsteller Ingo Niermann, lobt Rezensent Jörg Sundermeier, vollbringt gleich zwei Dinge mit seinem Buch "Minusvisionen". Denn sein Porträt der "Gescheiterten der New-Economy-Blase" (das einem Porträt des Berliner Bezirks Mitte in den Neunzigern gleichkomme) lasse zum Einen auf sehr erhellende Weise die Gescheiterten selbst zu Wort kommen und arbeite zum Anderen mit dem Text-Genre der "Protokolle". Interessant erscheint dem Rezensenten an dieser Arbeit, dass das Protokoll, etwa die berühmten Arbeiterberichte aus den Endsiebzigern (die sogenannten "Bottroper Protokolle"), ursprünglich für ein "Abbild des einfachen, unspektakulären Lebens" standen. Doch gerade diesen Authentizitätsanspruch, so der Rezensent, lassen die hier Protokollierten ins Leere laufen, denn "sie wissen immer noch, wie man eine Geschichte verkauft - und sei es die des eigenen Untergangs". In diesen "knalligen", immer schon "mehr literarisierten als wahren" Eigendarstellungen offenbare sich eine Generation von "Tausendsassas", die den Kapitalismus nur in "hohlen Phrasen", nicht aber in seiner Materialität begreife, die aus dem Scheitern keine Lehre gezogen habe und deren Darlegungen daher wertlos seien. Lese man dieses Buch nicht "empathisch", so zeige sich auf "sehr eindrückliche" Weise, "wie dumm sie alle waren, die Kinder und die Eltern der alten Bundesrepublik".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.12.2003

Als "ersten Baustein zu einer Kultur der Niederlage" würdigt Ijoma Mangold diese Protokolle, die Ingo Niermann von Gesprächen mit fünfzehn gescheiterten, meist jungen Berliner Unternehmern der New-Economy-Ära angefertigt hat. Ihr Scheitern wertet Mangold dabei nicht schlicht als einen Nicht-Erfolg: denn auch Projekte, die im Konkurs enden, hält er für "volkswirtschaftliche Aktivposten", "weil sie Möglichkeitsräume eröffnen, die auch dann weiterbestehen, wenn die Wirklichkeit sie noch nicht ausgefüllt hat". Überhaupt sieht Mangold in Niermann "Minusvisionen" ein "euphorisches Buch", das einen "wilden Kapitalismus" vorstelle, in dessen Herzen die Freiheit schlage. Der Elan, die Vitalität, mit dem die Unternehmer Größenfantasien, Wunschträume und fixe Ideen in die Tat umsetzten, hat Mangold sichtlich fasziniert. Das Resümee des Rezensenten: ein "aufregender Mitschnitt" aus jener Welt, "in der die Wirklichkeit noch nicht zur Statik versteinert ist".
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