Dan Diner

Ein anderer Krieg

Das jüdische Palästina und der Zweite Weltkrieg - 1935 - 1942
Cover: Ein anderer Krieg
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2021
ISBN 9783421054067
Gebunden, 352 Seiten, 34,00 EUR

Klappentext

Dieses Buch erzählt die Anatomie des Zweiten Weltkrieges aus einer ungewohnten Perspektive: Im Zentrum des Geschehens steht das jüdische Palästina, gelegen am Schnittpunkt der europäisch-kontinentalen und außereuropäisch-kolonialen Wahrnehmung. Die Kernzeit dieser raumgeschichtlich angelegten Erzählung liegt zwischen dem Abessinien-Krieg 1935 und den Schlachten von El Alamein und Stalingrad 1942. Die Verschränkung zweier, für sich jeweils anderer Kriege - dem Zweiten Weltkrieg und dem Kampf um Palästina - konstruiert das eigentliche Drama der Erzählung und durchzieht als roter Faden das Buch. Es entsteht ein dichtes Gewebe von Ereignisfacetten, das im global geschilderten Großereignis des Zweiten Weltkrieges durch eine besondere Sicht bislang wenig beachtete Konturen hervortreten lässt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.04.2021

Sogar für Rezensent Herfried Münkler sieht der Zweite Weltkrieg plötzlich anders aus. Dafür sorgt Dan Diner mit einem Perspektiv- und Schauplatzwechsel, der das Kriegsgeschehen laut Rezensent aus Sicht der Juden in Palästina zeigt und statt Pazifik und Nordatlantik nunmehr den Indischen Ozean scharfstellt. Zugleich rücken bei Diner das Britische Empire und das italienische Kolonialreich ins Zentrum des Geschehens, erklärt Münkler. Das Buch ist für ihn ein gelungenes Beispiel für und ein einnehmender Aufruf zum Multiperspektivismus. Der Komplexität des Krieges wird Diner damit ein Stück weit mehr gerecht als herkömmliche Darstellungen, findet der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 01.04.2021

Der hier rezensierende Historiker Jürgen Zimmerer erkennt die postkoloniale Welt von heute wieder in Dan Diners Beschreibungen. Diners Sicht auf den Zweiten Weltkrieg schätzt er aber auch wegen ihrer "geografisch-peripheren" Anlage, die die Verbindungen der verschiedenen Schauplätze (Indien, Palästina) und Akteure (das Britische Empire, Italien) des Krieges erhellen, wie Zimmerer findet. Meisterlich scheint ihm, wie Diner gängige Narrative "dezentriert", indem er aus dem Nahen Osten auf den deutschen Vernichtungskrieg schaut, ohne etwas zu relativieren. Und damals wie heute ging es ums Öl, stellt Zimmerer verblüfft fest.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.03.2021

Rezensent Andreas Fanizadeh findet Gefallen an Dan Diners Blick auf den großen Krieg. Dass der Autor entscheidende Momente des Kriegsverlaufs nicht auf den bekannten Hauptschauplätzen sucht und findet, sondern das Nichtlineare und Zufällige betont, wenn er den "geostrategischen Weitblick" nüchtern schweifen lässt, scheint Fanizadeh augenöffnend. Inwiefern etwa das Agieren des Britischen Empires für das jüdische Palästina von Bedeutung war, kann Diner dem Rezensenten nachvollziehbar machen. Leider verliert sich Fanizadeh in seiner Besprechung allzu sehr in Diners Schilderungen. Diners Buch ist hoffentlich übersichtlicher.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.03.2021

Rezensent Claus Leggewie sieht in Dan Diner einen Ausnahmehistoriker. Und weil Diner immer wieder das Denken in neue Richtungen führt und über Raum und Zeit hinweg überraschend Scharniere einrasten lässt und, lässt sich Leggewie auch auf die Geopolitik und Militärgeschichte ein, die Diners Buch durchziehen. Diner betrachtet die Entstehung Israels nicht allein von Europa aus, vom Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust, sondern von Süden her. Dadurch bekommt Erwin Rommels Wüstenarmee eine andere Bedeutung (Was wäre, wenn sie Palästina erreicht hätte?), aber auch der Zusammenbruch der "Southern British World". So versteht Leggewie, dass Israel seinen Kampf um Unabhängigkeit in einer Linie sah mit dem Irlands oder Indiens.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.03.2021

Sehr interessiert bespricht Rezensent René Schlott dieses Buch, das ihn vor allem durch seine ungewöhnliche geografische und zeitliche Perspektive einnimmt. Das britische Mandatsgebiet zwischen "Mittelmeer und Jordan" als Zentrum des Geschehens anzulegen und dazu den italienischen Angriff auf Äthiopien als End- und die Schlacht von El Alamein als Endpunkt zu setzen, findet der interessierte Kritiker einen sehr klugen "Zugriff" - und ausführlich erklärt er der Leserschaft die Zusammenhänge, wie Diener sie darstellt. Dann aber hat ihn gestört, dass der Blick des Autors auf den Krieg gänzlich ohne gender-, kultur- oder alltagsgeschichtliche Anreicherung auskommt, und dass es nur zwei Landkarten gibt, in denen man zudem die militärischen Zusammenhänge kaum verdeutlicht bekommt. Trotz dieser Mängel findet der Kritiker das Buch eine "lohnende Lektüre."
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 13.03.2021

Rezensent Thomas Schmid ist hellauf begeistert von Dan Diners globalem, kaleidoskopischem Blick auf den Zweiten Weltkrieg. Überzeugend transzendiert der Autor damit die herkömmliche, auf Hitler, die USA und Europa fokussierte Geschichtsschreibung, findet er. Das System kommunizierender Röhren, als das der Krieg bei Diner erscheint, widerlegt laut Schmid glatt den Spruch vom umfallenden Sack Reis in China. Wie Mussolinis Hybris den Staat Israel erst möglich machte, was der israelisch-palästinensische Konflikt mit Großbritannien und seiner Herrschaft in Indien zu tun hat oder die Beziehung zwischen den USA und Frankreich mit de Gaulles Verschnupftheit, führt der Autor dem verblüfften Rezensenten lebhaft vor Augen. Für Schmid ein äußerst reiches, bereicherndes Geschichtswerk.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.03.2021

Rezensent Jörg Später lässt sich von Dan Diner neue Perspektiven auf den Zweiten Weltkrieg erschließen. Wie der Autor anhand der Versenkung der "Struma" 1942 am Bosporus und der erzählerisch und intellektuell dichten Verschränkung der Weltkriegsgeschichte und der Auseinandersetzung zwischen arabischen Palästinensern und Zionisten Globalgeschichte neu denkt, findet Später anregend. Der "geostrategische Blick" des Autors führt Später ins britische Empire, und zum aglo-irakischen Krieg von 1941. Auch wenn der Leser aufmerksam sein muss, um der Argumentation folgen zu können, der Lohn ist laut Später die Einsicht in die "Gegenläufigkeit historischer Gedächtnisse".
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