22.11.2003. Google, die Bundesregierung und die Netzeitung beweisen: Es gibt auch positive Nachrichten. Und sie stehen ganz oben!
Gerhard Schröder steht nicht in dem Ruf, ein großer Freund des Internets zu sein. Doch der Fernsehkanzler wäre stolz, wenn er wüsste, wie weit vorne
Bela Andas Verlautbarungen
online zum Teil einsortiert werden.
Wer sich am Samstag vorletzter Woche den entscheidenden Fragen dieses Landes zuwenden wollte und "Vermittlungsausschuss" bei
Google News eingab, erhielt als relevantesten Treffer
diese Pressemitteilung der Bundesregierung. Zur Quelle der Nachricht stellte die heikel-fabelhafteste Suchmaschine der Welt lapidar fest: "Bundesregierung (Öffentlicher Dienst)".
Für ihren Nachrichten-Ableger greift
Google auf weit mehr zu als lediglich die klassischen Medienangebote. Ihr "Nachrichtenchef", der Informatiker Michael Schmitt
(Interview
hier), hält etwa auch Pressemitteilungen für beachtenswerte und legitime Quellen. Damit befördert er auch im Nachrichtenbereich jene "Vielfalt", die schon der traditionelle
Google-Suchdienst vorangetrieben hat: ein gediegenes Nebeneinander von klassisch-professionellen Quellen, Eigenwerbung und Info-Amateuren.
Google ist dabei, dem Begriff Nachrichten eine völlig neue Bedeutung zu geben. (Übrigens gehört auch der
Perlentaucher zu den von
Google News ausgewerteten Quellen, mehr
hier.)
Die
Bundesregierung kann diese Quellen-Konfusion im Nachrichtenfluss im Zweifelsfall nur freuen. Sie strebt ohnehin mit großen Schritten in die Öffent-lichkeit. Fast
100 Millionen Euro veranschlagt sie allein laut
offizieller Haushaltsplanung im kommenden Jahr für Eigenwerbung. Regierungspolitik wird zum Markenartikel - beworben mit menschelnden Plakaten, die nicht mehr zu sagen haben als Waschmittel-Werbung.
Zu den jüngsten Kampagnen gehört
TeamArbeit für Deutschland, von der sich das Wirtschaftsministerium für mehrere Millionen eine "kommunikative Begleitung und Evaluation wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Vorhaben" verspricht. Statt selbst und direkt für "Ich-AGs" und "Mini-Jobs" zu werben, inszeniert das Ministerium Arbeitsmarktpolitik hier nun als
soziale Bewegung.
"TeamArbeit" gehört zu den obskursten Regierungskampagnen der letzten Jahre. Die Regierung umgibt sich mit der
hohlen Behauptung eines Teams, das sich angeblich in emsiger Entschlossenheit die Arbeitsmarktreformen zum Anliegen macht. Regierungshandeln tritt hier nicht in Form hierarchischer Vorgaben auf, sondern als
gut gelaunte, konfliktfreie und gesichtslose Initiative. Über eine klare Führung, Satzung oder vollständige Mitgliederliste verfügt dieses "Team" selbstredend nicht.
Zwar erläutert das Wirtschaftsministerium in kleinen Zusatztexten, dass "TeamArbeit" seine Initiative ist. Doch es bleibt zumeist im Hintergrund, zurückgezogen hinter einer Fassade aus "engagierten Bürgerinnen und Bürgern". Diese Technik hatte es sich von der
Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und dem
Bürgerkonvent abgeschaut. Mit Hilfe derartiger Initiativen-Strategien wird ein
Wir-Nebel um ein politische Ziel gelegt, der Absender verschleiert und eine breite Akzeptanz behauptet.
Prominent eingebunden ist das "TeamArbeit" seit einiger Zeit bei der
Netzeitung, die ohnehin unter den ungläubigen Blicken der Branche keck bei der Vermarktung vorprescht. Dort "unterstützt" das "Team" die Rubrik
Neuer Arbeitsmarkt, eine struppige Kombination aus
Netzeitungs-Meldungen und
PR-Texten.
Publikationen in
allen Medien können sich angesichts hart umkämpfter Werbe-Etats solchen "Partner-Modellen" immer weniger entziehen (siehe hierzu diesen
älteren Virtualienmarkt). Auch weitaus größere Medien als die
Netzeitung lassen sich darauf ein. Neu ist, dass sich nun auch die
Bundesregierung solcher Formate bedient. Mit dem "Neuen Arbeitsmarkt"
sponsort sie, für die Leser wegen der nebelhaften Herkunft des "Teams" schwer erkennbar, eine Online-Verlagsbeilage, die ihre Politik zugleich
bewirbt und über sie
berichtet.
Nicht nur
Google, auch
Netzeitung und
Bundesregierung sind dabei, dem Begriff Nachrichten eine völlig neue Bedeutung zu geben.
P.S.: Die Welt verlangt seit einigen Tagen ein LogIn auf ihrer Site. Was das aus Sicht des Datenschutzes bedeutet, steht hier.