Vorgeblättert

Leseprobe zu Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Bd. 3. Teil 3

07.05.2012.
The New York Times: Interview mit Nahum Goldmann vom Jüdischen Weltkongress, in dem dieser am 25. Juni 1940 vor der Vernichtung von sechs Millionen europäischer Juden warnt(39)


Nazi-Agitation dient als Deckmantel. Propaganda nur Tarnung, um Demokratie zu zerstören

Der Versuch des Nazi-Regimes, Amerika durch Propaganda und Antisemitismus zu erobern, ist nur der Deckmantel, hinter dem es sein eigentliches Ziel verbirgt: die Zerstörung der demokratischen Institutionen. Dies stellte Dr. Nahum Goldmann,(40) der Vorsitzende des Verwaltungskomitees des Jüdischen Weltkongresses, gestern fest, nachdem er letzten Freitag, aus der Schweiz kommend, hier eingetroffen war.
"Falls die Nazis den Endsieg erringen sollten", sagte Dr. Goldmann in einem Interview im Hotel Astor, "sind sechs Millionen Juden in Europa zum Untergang verurteilt. Ihre einzige Hoffnung liegt in einem Sieg der Briten."
Er forderte die amerikanischen Juden auf, sich dem Beispiel des amerikanischen Volks anzuschließen, und drängte sie zur Bildung einer geschlossenen Verteidigungsfront. Er kündigte die Gründung eines Panamerikanischen Jüdischen Kongresses an, um die Rechte der Juden zu schützen, und teilte mit, dass diese Körperschaft schon bald unter Beteiligung der lateinamerikanischen Delegationen hier in diesem Land zu ihrer ersten Sitzung zusammentreffen werde.(41)
"Die Chancen für eine Massenemigration und Ansiedlung der europäischen Judenheit scheinen gering zu sein, und die europäischen Juden sehen sich mit der drohenden physischen Vernichtung konfrontiert", führte er weiter aus. "Selbst die 4 000 000 Juden unter sowjetischer Herrschaft, die zurzeit frei von rassistischer Diskriminierung sind, werden im Fall eines Endsiegs der Nazis nicht sicher sein."
Dr. Goldmann erklärte, dass der Hauptsitz des Jüdischen Weltkongresses in den Vereinigten Staaten eingerichtet werde. Er ergänze die bereits bestehenden Niederlassungen in London und Genf sowie das neu eingerichtete Büro in Buenos Aires. Die Pariser Niederlassung der Organisation sei an dem Tag, an dem die Nazis Paris besetzten, geschlossen worden.

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Paul Eppstein notiert am 20. Dezember 1940, wie anlässlich seiner Vorladung bei der Gestapo seine eigene Inhaftierung erörtert wird(42)

Aktennotiz (Dr. E./My), gez. Dr. Eppstein,(43) zur Vorladung im Geheimen Staatspolizeiamt, Regierungsassessor Jagusch,(44) am 20.12.1940, 10 Uhr


2.(45) Betrifft: Schutzhaft Dr. Paul Israel Eppstein
Ass. Jagusch bemerkt, daß mir der Grund für die Schutzhaft wohl bekannt sei. Ich erwidere darauf, daß mir nicht bewußt sei, einer Weisung der Zentralstelle nicht entsprochen zu haben, daß vielleicht ein Mißverständnis, namentlich im Hinblick auf die Ausgestaltung des Nachrichtenblatts, worüber eine Erörterung mit Herrn HSTF Dannecker(46) stattgefunden habe, vorliege. Ich wies darauf hin, daß während der gesamten Zeit, in der ich die einschlägigen Arbeiten im Auftrag der Reichsvereinigung und nach dem Willen der Behörde zu führen hatte, keinerlei Beanstandungen in dieser Hinsicht erfolgt sei[en]. Ich wäre daher für eine Mitteilung des Grundes dankbar. Ass. Jagusch bemerkt, daß einmal die Behandlung der Frage des Nachrichtenblatts beanstandet wurde,(47) darüber hinaus aber die Befolgung von Anordnungen oder ihre verzögerte Durchführung zur Beanstandung Anlaß gegeben hätten, weiterhin Vorstellungen bei Behörden ohne Wissen oder gegen die ausdrückliche Anordnung des zuständigen Referats. Ich bemerke, daß mir in dieser Hinsicht nichts bewußt sei, namentlich was solche Behördenvorstellungen angehe, es sei denn, daß sie, mir unbekannt, von Mitarbeitern erhoben worden sind und ich als verantwortlicher Abteilungsleiter dafür einzustehen hatte. Ass. Jagusch hält dies für möglich. Auf meine Frage, ob hierüber eine Erörterung mit Herrn STBF Eichmann ermöglicht werden könne, antwortet Ass. Jagusch nach einem Telefongespräch, daß Anfang Januar eine solche Erörterung stattfinden könne.
Ich bemerke, daß die allgemeine Begründung in dem Schutzhaftbefehl im Unterschied zu dem besonderen Anlaß der Verhaftung von Dr. Seligsohn(49) keinen Tatbestand enthielt, der den unmittelbaren Anlaß der Verhaftung klargestellt hätte.(50) Ass. Jagusch bemerkt, daß die Gründe, die zu meiner Verhaftung Veranlassung gegeben hätten, auch schwerwiegender gewesen seien als diejenigen bei Dr. Seligsohn. Ich bemerke darauf, daß diese Tatsache die Hoffnung begründe, daß die Haft bei Dr. Seligsohn nicht so lange dauere wie die meinige. Ass. Jagusch bemerkt darauf, daß diese Frage zunächst bis zur nächsten Erörterung ruhen müsse.
Ich erbat die Möglichkeit einer Unterredung mit STBF Eichmann mit der Begründung, daß ich mich durch die Schutzhaft in der etwaigen Fortsetzung meiner Arbeit behindert und mich verpflichtet fühle, um die Entlassung aus dem Amt zu bitten. Ass. Jagusch bemerkt hierauf, daß dies nicht in Betracht komme, daß er mich vielmehr neu in die Arbeit einsetze.(51)

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Martha Svoboda aus Wien macht sich am 20. Februar 1941 Sorgen wegen der Deportation ihrer Eltern aus Wien ins Generalgouvernement(52)

Handschriftl. Tagebuch von Martha Svoboda,(53) Wien, Eintrag vom 20.2.1941


Nach dem Besuch bei den Großeltern bin ich jedesmal in furchtbarer Stimmung. Wir wissen jetzt, daß es keine Altersgrenze gibt, alle werden weggeschickt, kleine Kinder, Greise, ja sogar Kranke werden aus dem Spital geholt und werden abtransportiert, ins Ungewisse, ins Elend.(54) Gipfelpunkt der Niedertracht: Die Kultusgemeinde muß Lebensmittelpakete beistellen, die dann am Bahnhof von den nationalsozialistischen Ordnern verteilt werden, das Ganze wird gefilmt und dem Ausland vorgesetzt,(55) dem dann auch erzählt wird, wie gut doch die Juden hier behandelt würden und wie zufrieden und glücklich sie seien, in die neue Heimat zu kommen. Arme, arme Mama!(56) Und ich muß zusehen, wie sie immer mehr und mehr verfällt, und kann ihr nicht helfen. Grete(57) in Amerika, Paul(58) irgendwo in Rußland, ich weiß, wie schwer sie unter dem Gedanken leidet, beide vielleicht nicht mehr zu sehen. Ich frage mich mit Entsetzen, wie die beiden alten Leute eine solche "Übersiedlung" überstehen werden. Wann endlich werden diese furchtbaren Verbrechen gesühnt werden! Wann werden wir wieder leben können?

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Das Ehepaar Malsch berichtet seinem Sohn am 24. Juni 1941 von der Schließung des US-Konsulats in Stuttgart und der damit verhinderten Auswanderung(59)

Handschriftl. Brief des Ehepaars Malsch,(60) Düsseldorf, an seinen Sohn Wilhelm und dessen Frau Trude(61) vom 24.6.41(62)


Meine lieben lieben Kinder! Unsern Brief vom 19. ds, worin wir Euch die Anschrift des Konsulats in Stuttgart(63) mitteilen, habt Ihr wohl inzwischen erhalten. Stuttgart ist ab Donnerstag den 26. ds geschlossen. Wie wir Euch schrieben, war ich zu heute bei dem Hilfsverein hier bestellt. Ich bin trotzdem mal hingegangen. Es ist jetzt ein Herr Kluger aus Essen hier für die hiesige Stelle. Er hatte unsere Akten vorliegen. Wenn nun nichts dazwischengekommen wäre hätten wir Euch ein Kabel gesandt. Also Herr Kluger sah sich unsere Akten durch, er sagte, Frau Malsch, Sie hätten todsicher das Visum bekommen, Trust, Bond, Reise bezahlt alles in Ia Ordnung. Er sagte, ich könnte mir selbst vor den Kopf schlagen Sie waren so nahe dran, der Konsul wollte nur noch mal eine Rückfrage wegen des Herrn Marschütz haben. Es war bei Ihnen alles prima. Jetzt ist leider nichts mehr zu machen, wir müssen abwarten, wie alles kommt. Geliebte Kinder wie mir zu Mute war, könnt Ihr Euch überhaupt gar nicht vorstellen. Sollen wir denn gar nicht zusammenkommen? Es ist doch zu schrecklich, alles und alles geht uns schief. Ihr habt alles nun mit größter Mühe und großen Kosten zusammengebracht, und jetzt war alles umsonst. Es ist einfach nicht auszudenken. Wie sind wir jetzt mit allem wieder zurückgeworfen, vielleicht um Jahre, ob wir dann noch leben, das weiß der l. Gott nur allein. Unser Herzens-Wunsch Euch wiederzusehen, hat uns noch aufrechterhalten, und weiß wie alles noch kommt. Ich bin so niedergeschlagen wie noch nie in meinem Leben, alles ist so hoffnungslos für uns geworden, was haben wir denn sonst noch auf der Welt als Euch. Herr Marschütz schrieb uns dieser Tage, er wird nun mit abreisen, hoffentlich. Was soll man machen, wir müssen alles wagen, wie es kommt, aber das ist ein Schlag für uns, den Ihr Euch nicht denken könnt. Ihr tut mir auch schrecklich leid, ich glaube, ich hätte vor lauter Freude in den ersten Stunden keine Silbe herausbringen können, wenn wir dort angekommen wären. Es hat nicht sollen sein. Bitte gebt uns sofort eine Antwort. Euer letzter Brief war vom 21. Mai, seitdem haben wir nichts mehr von Euch gehört, wir warten täglich auf Post von Euch.
Geliebtes Mäusle. Zu Deinem 28. Geburtstage meine allerherzlichste Gratulation, möge der l. Gott dich weiter behüten und beschützen und Dich segnen, Gesundheit und Glück sei Dir an der Seite deiner lb. Trudi beschieden. Ich kann es in Worten gar nicht sagen, was ich Euch als Mutter alles wünsche. Einen herzhaften Geburtstags-Kuß gebe ich Dir hiermit, Du lb. Trudi, gib ihn Willy für mich. Feiert den Tag ein bißchen. So haben wir bestimmt gehofft, in diesem Jahr bei Euch sein zu können, es hat nicht sollen sein, das Schicksal wollte es anders. Wer weiß, wann wir uns nun wiedersehen, hoffen wir weiter, es ist das einzige noch was wir haben. Wir werden leider immer älter und nicht schöner. Ich kann mir oft gar nicht vorstellen, daß Du nun schon 28 Jahre alt bist. 4 ½ Jahre haben wir Euch nun schon nicht gesehen und wer weiß, wie lange es noch dauert. So meine geliebten Kinder, laßt es Euch weiter recht gut gehen, bleibt gesund und glücklich. Wir müssen abwarten, was weiter kommt und alles hinnehmen und ist es noch zu schwer für uns. Es hat nicht sollen sein, die Freude wäre zu groß für uns gewesen. Grüßt alle Lieben, auch Frau Fraenkel, recht herzlich.
Schreibt recht bald eine Antwort. Seid herzl. gegrüßt und geküßt Euch Euch sehr liebende und betrübte Mutter.

Meine lieben Kinder. Das ist nun das Ergebnis Eurer Mühe, unseres Hoffens u. Harrens. Wenn nicht ein Wunder geschieht, daß die Regierung dort [???] Eltern "auch so" hereinläßt, dann kann's noch lange dauern! Dir l. Willy zu Deinem Geburtstag beste, herzlichste Glückwünsche, bleib gesund, bleib zu Haus in diesen Zeiten. Viele Grüße u. Küsse Euch beiden in alter Liebe Euer Papa

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Kurt Mezei notiert am 19. September 1941 in sein Tagebuch, er trage den gelben Stern mit Stolz(68)

Tagebuch von Kurt Mezei,(69) Wien, Eintrag vom 19. September 1941


Freitag, 19. September.
Große Premiere der Judensterne. Ich gehe gegen 10 h in die Kartenstelle,(70) wo [ich] bis 1 h [war]. Ich stehe fast die ganze Zeit vor der Kartenstelle, da es mir Freude bereitet, von den Leuten angestarrt zu werden. Habe Schlosseranzug an. Nachher mit Mimi, die [ich] vor der Kartenstelle treffe, zum Kai, von dort fahre [ich] in Pension. Von hier ins Spital, von wo [ich] mit Stadtbahn heimfahre...
Zu Mittag ist Miry kurz da, am Nachmittag schreibe [ich] an Papa,(72) stopfe. Um 6 h im Tempel (von heute bis inkl. 10 Oktober beginnt der G'ttesdienst um 6 h), nachdem [ich] vorher für Feldsberg die Zeitung hole - und lese - und bei Mama.(73) G'ttesdienst heute ohne Chor. Stehe neben Murmelstein(74) - Loge. Heim am Abend mit Ilse(75) & Edith. Letztere trägt seit vergangener Woche Brillen und ist heute besonders mies...
Der Judenstern stört mich gar nicht, im Gegenteil: Ich trage ihn mit Stolz!(76)

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(39) The New York Times, Nr. 30103 vom 25.6.1940, S. 4: Nazi Publicity here held smoke screen. Das Dokument wurde aus dem Englischen übersetzt. Die Tageszeitung The New York Times erscheint seit 1851.
(40) Dr. Nahum Goldmann (1895-1982), Jurist; Redakteur der Encyclopaedia Judaica; 1926-1933 Vorstandsmitglied der ZVfD; emigrierte 1933 in die Schweiz, 1934-1940 Vertreter der Jewish Agency for Palestine beim Völkerbund, 1936 Mitbegründer und dann Vorsitzender des geschäftsführenden Vorstands des jüdischen Weltkongresses; 1951-1977 Präsident des Jüdischen Weltkongresses sowie 1956-1968 der Zionistischen Weltorganisation.
(41) Die erste panamerik. Konferenz des Jüdischen Weltkongresses fand im Nov. 1941 in Baltimore statt. Zu den dort aufgestellten Forderungen zählten Hilfs- und Entschädigungsleistungen für Opfer des Nationalsozialismus, die Wiedererlangung der Rechtsgleichheit für Juden und die Beteiligung an einer etwaigen Friedenskonferenz; NYT, Nr. 30621 vom 25.11.1941, S. 6, sowie Nr. 30622 vom 26.11.1941, S. 9.
(42) BArch, R 8150/45, Bl. 101.
(43) Dr. Paul Eppstein (1902-1944), Soziologe; Vorstandsmitglied beim Verband der jüdischen Jugendvereine, Zionist; 1926-1933 Privatdozent an der Handelshochschule Mannheim, 1933 Entlassung, lehrte in den 1930er-Jahren an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin Soziologie; von 1935 an Sozialreferent in der Reichsvertretung der Juden und deren Verbindungsmann zur Gestapo; wurde am 26.1.1943 nach Theresienstadt deportiert, war dort von Jan. 1943 bis zum 27.9.1944 Judenältester und wurde einen Tag später ermordet.
(44) Dr. Walter Jagusch (1912-1981), Jurist; 1932/33 SA Mitglied, 1933 NSDAP-, 1939(?) SS-Eintritt; von 1939 an im Gestapa, dann im RSHA, leitete das Referat IV A 5 (Emigranten), von 1940 an zusätzlich für "Judenangelegenheiten" zuständig, Ende 1940 bis 1942 zeitweise Leiter der Gestapo in Straßburg; 1942/43 in Riga, wo er 1943 eine Einsatzgruppe gegen Partisanen führte, von Mai 1943 an beim SS- und Polizeigericht in Metz; nach Kriegsende untergetaucht, von 1952 an Rechtsanwalt in Bielefeld.
(45) Das Protokoll beginnt hier, die Bedeutung der Ziffer ist unklar.
(46) Theodor Dannecker (1913-1945), Kaufmann; 1932 NSDAP- und SS-Eintritt; seit 1936 im SD tätig, von 1937 an im SD-Referat II 112 bzw. im Referat IV B 4 des RSHA für die "Judenfrage" zuständig; von Sept. 1940 an "Judenberater" beim BdS im besetzten Frankreich, organisierte 1942 die Deportation der franz. Juden, 1943 die Deportationen aus Bulgarien, 1944 die aus Italien und Ungarn; 1945 von US-Truppen gefangen genommen, nahm sich das Leben.
(47) Eppstein wurde vorgeworfen, einen Artikel im Jüdischen Nachrichtenblatt geändert zu haben, nachdem dieser bereits genehmigt worden war.
(48) STBF: Sturmbannführer.
(49) Dr. Julius Ludwig Seligsohn (1890-1942), Jurist; von 1924 an Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Berlin, bis 1933 Rechtsanwalt in Berlin, von 1933 an Präsidialmitglied der Reichsvertretung und Präsidiumsmitglied des Hilfsvereins der Juden in Deutschland, nach Gründung der Reichsvertretung 1939 Vorstandsmitglied; Nov. 1940 Verhaftung, am 18.3.1941 nach Sachsenhausen deportiert, dort am 28.2.1942 gestorben.
(50) Der Schutzhaftbefehl liegt nicht in der Akte. Eppstein war am 15.8.1940 mit der Begründung verhaftet worden, er habe sich Anordnungen der Zentralstelle widersetzt. Vermutlich ging es um die Abfahrt eines illegalen Transports nach Palästina, den Eppstein nicht abgehen lassen wollte. Die Gestapo ordnete jedoch die Abreise an; siehe Dok 120 zum Herbst 1940. Julius Seligsohn war ins KZ Sachsenhausen verschleppt worden, da er für eine öffentliche Protestaktion der Reichsvereinigung gegen die Deportation der Juden aus Baden und der Pfalz verantwortlich gemacht wurde.
(51) Eppstein, der kurz vor dieser Vorladung aus der Haft entlassen worden war, durfte in der Folge keine Auswanderungsangelegenheiten mehr bearbeiten.
(52) Original in Privatbesitz, Kopie: IfZ/A, F 601.
(53) Martha Svoboda (1900-1984), Hausfrau, lebte in Wien in einer "privilegierten Mischehe". Das Tagebuch schrieb sie für ihr Kind.
(54) Im Februar und März 1941 wurden etwa 5000 Juden aus Wien ins Generalgouvernement deportiert.
(55) Nicht ermittelt.
(56) Sara Müller (1867-1942), wurde am 28.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie drei Monate später starb.
(57) Grete Wagschal, geb. Müller (1914-1998); die Schwester von Martha Svoboda emigrierte in die USA, lebte zuletzt in Denver, Colorado.
(58) Paul Müller (1905-1941?), Tapezierer, war Martha Svobodas Bruder. Er wurde am 20.10.1939 nach Nisko deportiert, floh in Richtung Lemberg, kam vermutlich 1941 ums Leben.
(59) USHMM, RG-10.086 /13 of 13.
(60) Amalie Malsch, geb. Samuel (1889-1942); verheiratet mit dem Handelsvertreter Paul Malsch (1885-1942). Das Ehepaar lebte in Düsseldorf und wurde am 27.10.1941 mit dem ersten Düsseldorfer Transport ins Getto Litzmannstadt (Lodz) deportiert und im Mai 1942 in Kulmhof ermordet.
(61) Wilhelm Malsch, später William Ronald Malsh (1913-1994), einziger Sohn von Amalie und Paul Malsch, emigrierte um die Jahreswende 1935/36 nach Großbritannien, von dort im Jan. 1937 in die USA, wo er im Sommer 1940 Trude heiratete.
(62) Interpunktion wie im Original.
(63) Gemeint ist das US-Konsulat in Stuttgart, wo das Ehepaar Malsch ein Visum beantragt hatte.
(64) Vermutlich: Siegfried Kluger (*1899), lebte zuletzt in Essen und leitete von 1941 an die Bezirksstelle der Reichsvereinigung der Juden; am 10.11.1941 nach Minsk deportiert und dort vermutlich umgekommen.
(65) Trust: Vermögenswerte-Verwaltung zugunsten eines Dritten, dem Treuhandverhältnis ähnlich; Bond: Anleihen, Schuldverschreibung mit fester Verzinsung.
(66) So im Original. Gemeint: "Eure".
(67) Ein Wort unleserlich.
(68) JMW, Inv.Nr. 4465/3, Tagebuch von Kurt Mezei, Heft 3.
(69) Kurz Mezei (1924-1945), Schüler; besuchte mit seiner Zwillingsschwester Ilse das Wiener Chajes-Gymnasium bis zu dessen Schließung im Okt. 1938; nahm an Umschulungskursen der IKG teil, 1940/41 als Elektriker und Bote der IKG tätig, wurde am 15.10.1941 ins "Zimmer 8" versetzt, wo er an der administrativen Vorbereitung der Deportationen mitwirken musste; er wurde am 12.4.1945 von einer SS-Einheit erschossen.
(70) In dieser Abt. der IKG wurden seit Nov. 1940 die Lebensmittelkarten für die Wiener Juden ausgegeben. Hier wurde die jüdische Bevölkerung vollständig erfasst, da Juden nirgendwo sonst Bezugsmarken bekamen.
(71) Vermutlich: Marianne Neuwirth (1924-1942), Schülerin; wurde am 14.9.1942 nach Maly Trostinez deportiert und dort ermordet.
(72) Moritz, auch Maurus Mezei (1886-1944), Journalist, Schriftsteller; bis zu deren Verbot 1934 SPD-Mitglied; floh Ende 1938 nach Ungarn, im Sommer 1939 nach Italien, 1940 im Internierungslager in Urbisaglia, Nov. 1943 im Lager Fossoli inhaftiert, wurde im April 1944 nach Auschwitz deportiert, dort im Sept. ermordet.
(73) Margarete Mezei (1899-1993), Sekretärin; arbeitete für die IKG Wien, war u.a. Sekretärin Benjamin Murmelsteins, überlebte schwer verletzt einen Bombenangriff am 12.3.1945; arbeitete nach dem Krieg wieder für die IKG Wien.
(74) Dr. Benjamin Murmelstein (1905-1989), Rabbiner; von 1938 an in leitender Position in der IKG tätig, u.a. Leiter der Auswanderungsabt.; im Jan. 1943 nach Theresienstadt deportiert, dort 1944/45 Judenältester; 1945-1947 wegen Kollaboration in tschechoslowak. Untersuchungshaft, wanderte danach nach Italien aus.
(75) Ilse Mezei (1924-1924), Schülerin; die Zwillingsschwester von Kurt Mezei besuchte einen Umschulungskurs der IKG Wien für Musiker, 1940/41 Arbeit in der Telefonzentrale der IKG; kam am 12.3.1945 bei einem Bombenangriff auf Wien ums Leben.
(76) In der Jüdischen Rundschau vom 4.4.1933 hatte der Schriftsteller und Journalist Robert Weltsch (1891-1982) als Reaktion auf den Boykott vom 1.4.1933 von den deutschen Juden gefordert: "Tragt ihn mit Stolz, den gelben Fleck!"; VEJ 1/25.


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