Vorgeblättert

Leseprobe zu Tidiane N'Diaye: Der verschleierte Völkermord. Teil 3

15.02.2010.
Anders als beim Christentum, das im Allgemeinen mit der Kolonisierung und dem Westen assoziiert wird, übernahmen die Afrikaner bald selbst die Verbreitung des Islam. Deshalb galt er fälschlicherweise als typisch afrikanisch. Zudem lebte der Islam von der allen traditionellen Kulturen eigenen mündlichen Überlieferung. Die Schlichtheit seiner Lehre beschrieb ein Gelehrter wie folgt : "Der Islam verdankt seine rasche Verbreitung in Afrika der Klarheit seiner Dogmen, der Anschaulichkeit seiner Gebote und der Gerechtigkeit seiner Gesetze." So setzte sich paradoxerweise der Islam - eine Nomadenreligion - in Afrika bei den Stammesführern und sesshaften Händlern durch. Allem Anschein nach ließen sich die Stammesführer vom Machtprestige - vor allem seit dem vernichtenden Durchzug der almoravidischen Streitkräfte -, vom Reichtum und den von dieser Religion gepriesenen Freiheits- und Gleichheitsprinzipien beeindrucken.
     Doch wie schnell trat Ernüchterung bei den Menschen ein, da mit der Islamisierung der entsetzliche Sklavenhandel hervorgebracht und legitimiert wurde. Von nun an wurde Reichtum mit der Zahl von Sklaven in Verbindung gebracht. Heiliger Krieg und Menschenjagd wurden zur gewinnträchtigsten Industrie. Die zunehmende Ausbreitung des Sklavenhandels traf Afrika an seinem Lebensnerv. Ganze Agrargemeinden verarmten. König- und Kaiserreiche machten kurzlebigen Despotien und der Willkürherrschaft Platz. So schrieb die guineische Publizistin Aminata Barry : "Der Islam ist die Ursache für die Bruderkriege und die ersten Tränen in Schwarzafrika. Seitdem fanden die Schwarzen vor dem gemeinsamen arabischen Aggressor und dem weißen Sklavenhändler nie wieder zur Geschlossenheit. Ihr Verhängnis ist die mangelnde Fähigkeit, sich zu verbünden."
     Der arabomuslimische Sklavenhandel, der Afrika ausblutete, stand fast ausschließlich unter der Kontrolle der Maghrebiner, die sich zu diesem Zweck mit arabischen Händlern verbündet hatten. Letztere zahlten beim Durchzug ihrer Karawanen den willfährigen afrikanischen Königen den Zehnten.

Sklavenhandel und Sklaverei sind historisch viel älter als der Islam. Auf der einen Seite gemahnte er die Herren zu größerem Wohlwollen ge gen über ihren Sklaven, auf der anderen Seite billigte er de jure die Möglichkeit, Menschen zu unterjochen. Seit Menschengedenken hatten Judentum, Christentum und Islam und andere monotheistische Konfessionen unter dem Vorwand eines Naturgesetzes oder einer obskuren göttlichen Bestimmung die Sklaverei unterstützt.
     Die Sklaverei wurde vom heiligen Paulus, vom heiligen Augustinus und von Aristoteles gesegnet und gebilligt. Erst im 19. Jahrhundert begann die katholische Kirche eine Kam pa gne gegen die Sklaverei, insbesondere die arabomuslimische. Jeder ist sich selbst der Nächste, heißt es doch ! Bei den Muslimen erlaubt das islamische Gesetz der Scharia, das sich auf den Koran und die Hadithe stützt, die Versklavung eines jeden Nicht-Muslimen. Gleichwohl erlangte ein konvertierter Sklave nie wirklich die vollständige Freiheit. Wie die Christen des Frühmittelalters hielten sich die Muslime selten an das Gebot, ihre Glaubensbrüder nicht zu versklaven. So knechteten die Arabomuslime beispielsweise schwarze Muslime unter dem Vorwand, ihre Bekehrung sei erst kürzlich erfolgt. Der Marokkaner Ahmed al-Wancharisi (16. Jh.) ordnete in einer etwas eigenwilligen Interpretation der Korantexte folgende Bestimmung an : "Nur ein Ungläubiger kann versklavt werden. Gibt es aber einen Zweifel bezüglich des Zeitpunktes, an dem ein Mensch zum Sklaven wurde und sich zum Islam bekehrte, kann sein Verkauf oder sein Besitz nicht in Frage gestellt werden." Weiter hieß es : "Die Bekehrung zum Islam führt nicht zwingend zur Freilassung, da die Sklaverei eine auf den gegenwärtigen oder vergangenen Unglauben zurückzuführende Demütigung ist." Ein Argument, das die "Soldaten Christi" in der Neuen Welt in Bezug auf die Völker mit der verbrannten Haut aufgriffen, die wohl "in der Gebärmutter zu stark gegart wurden" (Ibn al-Faqih, persischer Geograph des 10. Jahrhunderts). Ferner meinte al-Wancharisi, das die Entscheidung, ob ein Sklave freigelassen werden soll oder nicht, dem jeweiligen Herrn obliege. Das islamische Recht dagegen, das nur von Gläubigen und Ungläubigen spricht, erkennt keinerlei Form von Diskriminierung aufgrund einer, wie man nicht umhinkommt zu sagen, Rasse an. Und im Gegensatz zu den Griechen, insbesondere Aristoteles, verwarfen die ersten muslimischen Rechtsgelehrten die Vorstellung, der zufolge es unter den Menschen von Natur aus für die Sklaverei prädestinierte oder von der Vorsehung bestimmte Rassen gebe.

Der Koran allerdings, der keinerlei Anspielung auf eine besondere Rasse oder Hautfarbe macht, rechtfertigt den Sklavenhandel nicht. Handelte es sich jedoch um Muslime schwarzer Hautfarbe, versuchten die Araber und Maghrebiner - in ihrem rassistischen und menschenverachtenden Sklavenhaltersystem -, das Unmögliche durch irreführende Argumente in einer geschickt religiös verbrämten Sprache zu rechtfertigen. Unterjochten sie schwarze, zum Islam bekehrte Völker, wurden diese einfach zu Götzendienern erklärt. Derlei Beobachtungen machten General E. Daumas und A. de Chancel, die den Norden des Kontinents mit dem Auftrag bereisten, Erkundungen über die Völker im Süden der Sahara einzuziehen.
     1856 hatten sie sich einer Karawane schwarzer Sklavenhändler angeschlossen, die von Metlily in Algerien ins Land der Hausa reiste. Am Ende desselben Jahres veröffentlichten sie ihre Reiseberichte : "Mitten auf dem Platz stand eine riesige Trommel auf dem Boden, auf die ein kräftiger Neger mit einem mit Filz versehenen Stock schlug. [. . .] Es ist die Trommel des Sultans ; sie wird nicht nur gerührt, um die Armee zusammenzurufen. [. . .] ? Hier ist der Wille des Serki : Im Namen des Sultans Bellu des Siegreichen, Gott sei ihm gnädig, seid ihr alle, Leute aus Mutanin, dazu aufgerufen, euch morgen bei Sonnenaufgang bewaffnet und zu Pferde, mit ausreichend Proviant hier einzufi nden, wo die einen nach Zenfa, die anderen nach Zender auf die Jagd gegen die götzendienerischen Koholanen (9), die Feinde unseres Herrn, des glorreichen Sultans, ziehen. - Möge Gott sie verdammen ! ?" Woraufhin die Soldaten antworteten : "Wir beugen uns dem Befehl des Sultans, es geschehe alles nach dem Willen unseres Herrn und Gebieters !" Am folgenden Tag trafen die Mekhazenia in der Tat pünktlich ein, teilten sich in zwei Gruppen (goums), von denen die eine mit dem Auftrag nach Osten und die anderen nach Südwesten zog, um unbewachte Posten zu überfallen und heidnische oder götzendienerische Bewohner zu entführen. Dabei handelte es sich allerdings nur um einfache Bauern, die ihre Felder bestellten. Gleichzeitig gab es Befehle, die ebenfalls als götzendienerisch bezeichneten Koholanen im Landesinnern zu verfolgen. Anschließend wurden die Gefangenen verkauft, der Menschenhändler räumte dem Käufer günstige Bedingungen zur Überprüfung ihres Gesundheitszustandes ein. Es gab sogar ein Rücktrittsrecht von drei Tagen.

Wie bereits erwähnt, unterscheidet der Islam klar zwischen Gläubigen und Ungläubigen. Erstere dürfen gegen Letztere in den Krieg ziehen und sie versklaven. Dieses Willkürgesetz machte aus den einen die absoluten Herren und aus den anderen eine erbärmliche, jeglichen Rechts beraubte Ware. Zahlreiche bekehrte afrikanische Stammesfürsten erhoben dies zu einem heiligen Prinzip, um den arabischen Sklavenhändlern zu "dienen". So wurde im Namen des Islam, der mithin als ein Monopol der Herren galt, ein gegen die Freiheit gerichtetes und göttliches Pseudo-Gesetz instrumentalisiert, um die Unterjochung des Menschen zu rechtfertigen, die Macht der Herren zu verewigen und sämtliche Aufruhrbestrebungen im Keime zu ersticken. Dem Sklaven wurde eingeschärft, dass sein Heil von seinem Herrn abhängig und sein Zutritt zum Paradies an den Gehorsam ihm gegen über geknüpft sei. So wurde die Unterwerfung zur religiösen Pflicht erhoben.
     David Livingstone sagte über die afrikanischen Völker : "Jeder - unbefangene - Mensch, der sie nicht durch die Sklaverei erniedrigt erlebt, wird von ihrer Intelligenz, von ihrer Arbeit und ihrem Charakter eine völlig andere Vorstellung haben als derjenige, der sie in Knechtschaft herabgewürdigt gesehen hat." Mit der Ankunft der Araber führten diese Völker jenseits aller ethnischen Unterschiede Krieg gegen ein an der. Gefangennahme und Verkauf von Menschen entwickelten sich rasch zu den wichtigsten Ursachen für diese Bruderkriege. Die Afrikaner entführten sich gegenseitig Frauen, Kinder und Männer, um sie anschließend auf den Märkten von Kankan, Dialakoro, Keniera usw. zu veräußern.
     Die Araber haben viele afrikanische Reiche islamisiert und unter ihren Einfluss gestellt ; infolge der Heiligen Kriege verschoben sich immer wieder die territorialen Grenzen. In Wassulu, einem der bevölkerungsreichsten und am stärksten islamisierten Reiche Westafrikas, lebten Bambara und Fulbe zusammen. All diese Reiche, von Bornu bis nach Abessinien über Darfur, Wadai, Sokoto und Wassulu, wurden zu Schauplätzen eines schrecklichen und des wohl verabscheuungswürdigsten Sklavenmarktes im Dienste arabischer Händler.

In allen afrikanischen Ländern, in denen sich die Stammesfürsten zum Islam bekannt hatten, wich die traditionelle Leibeigenschaft im Allgemeinen dem Sklavenhandel und der Sklaverei, die nunmehr einem religiösen Prinzip untergeordnet wurden, das alle Ungläubigen zu Geächteten machte. Und die neuen Konvertiten, einst selbst bezwungen und gedemütigt, strebten nur noch danach, unter ihren götzendienerischen oder heidnischen Landsleuten neue Beute zu machen. Nach der Islamisierung der ghanaischen Bevölkerung durch die Almoraviden gingen die "neuen Muslime", Verbündete der aus Fouta Toro und Silla stammenden Bekehrten, auf Raubzug, um sich mit lamlam zu versorgen, mit animistischen Stämmen, die als ungläubig galten. Sie wurden dann in den von den arabischen Händlern eingerichteten zeribas verkauft. Diese in Afrika eigens für den Menschenhandel errichteten Vorposten beherbergten umzäunte Quartiere und Warenlager. Hier lebten die fakis (muslimische Priester), die selbst in großem Stil mit Sklaven handelten, da sie ein derartiges Gewerbe als ein berechtigtes Beiwerk ihrer Dienstbefugnisse betrachteten. Dabei begingen sie eines der schlimmsten Verbrechen, wie Stanley feststellte. Dreihundert afrikanische Händler verheerten die Region zwischen dem Kongo und Lubiranzi, die der Fläche nach genauso groß ist wie Irland. Sie versklavten zweitausenddreihundert Menschen. Die älteren Frauen brachen während des Transports unter der Last der Kohlenkörbe und Kassav- und Bananensäcke zusammen. Die jungen Leute trugen Halseisen, die durch Ringe unter einander verbunden waren. Kinder über zehn Jahre trugen Kupferringe an den Beinen, die ihre Bewegung einschränkten. Ketten hielten die Brüste der Frauen und ihre Kleinkinder. So schleppten sich die Sklaven durch die Sahara und den Nil entlang bis nach Arabien.
     Dieses Schicksal erlitten die afrikanischen Völker seit der Ankunft der Araber. Die Invasoren haben die Sitten der Menschen pervertiert und friedliche Marktflecken in Höllen verwandelt, wie Kuka, die Hauptstadt des Reiches Bornu, das seinerzeit zum größten Sklavenmarkt Westafrikas wurde, und dessen schwarzer Sultan sich nach seiner Bekehrung selbst als ein mächtiger Sklavenhändler im Dienste der Araber erwies. Ein Staatsbudget im eigentlichen Sinne hatte er nicht, denn sowohl er als auch seine Beamtenschaft lebten vom Handel mit den Sklaven, die auf ausgedehnten Razzien unter den sogenannten heidnischen Bevölkerungsgruppen aus den Grenzgebieten des Reiches sowie unter den eigenen, noch nicht konvertierten Untertanen erbeutet wurden. 1825, als der englische Afrikaforscher Hugh Clapperton (1788 - 1827) in der Lagune von Lagos anlegte, sah er lediglich einige Muslime, Prediger oder Händler auf der Durchreise. Berichtete Sir Richard Burton zwischen 1861 und 1862 von nur knapp einem Dutzend Muslimen hier, gab es 1865 bereits tausendzweihundert und 1880 sogar zehntausend, die inzwischen siebenundzwanzig Moscheen errichtet hatten.

Dennoch war Bornu eines der ältesten Reiche des Kontinents. Der Boden war fruchtbar und bot üppige Ernten. Hier waren die Völker der Region, ihre Traditionen und ihre Lebensweise verwurzelt. Vor der Ankunft der Araber wurden auf den lokalen Märkten Waren feilgeboten, die die ausländischen Besucher schätzten, wie etwa Elfenbein, Straußenfedern, Matten, Töpferwaren, Leder und Stoffe aus blauer und weißer Baumwolle. Im ersten Jahrtausend v. Chr. lebten in dieser Region, vor allem in Nigeria, Volksstämme aus der sogenannten Nok-Kultur, die bereits Landwirtschaft und Töpferei betrieben. Tausend Jahre später entstand eine zweite Kultur an den Ufern des Tschadsees, und sehr viel später eine dritte, die Ife-Kultur, im Westen Südnigerias.
     Die Bevölkerung von Bornu war geschäftig, klug und kultiviert. Die im Zentrum Bornus lebenden Yoruba wanderten zunächst nach Westen. Anfänglich hatten nur wenige von ihnen den Islam angenommen. Die meisten blieben ihrem altüberlieferten Glauben verhaftet, demzufolge alle Wesen und Dinge beseelt seien. Im Nordosten des Yoruba-Gebietes hatte sich der Islam im 11. Jahrhundert bis zum Kanem-Land und drei Jahrhunderte später bis zu den Ufern des Tschadsees ausgebreitet. Zwischen dem Tschadsee und dem unteren Niger lebten die Hausa, Landwirte und geschickte Handwerker, Sattler, Gießer und Weber, die sich allmählich von den muslimischen Predigern vereinnahmen ließen. Anfang des 19. Jahrhunderts führte Usman Dan Fodio im Gebiet des heutigen nördlichen Nigeria einen Dschihad und unterwarf zahlreiche Hausa-Staaten, die alsbald dem Kalifat, mit Sokoto als Hauptstadt, angeschlossen wurden.

Nur zwei Hausa-Staaten entgingen der Unterwerfung und Bekehrung : Katsina (Hauptstadt Maradi) und Gobir (Hauptstadt Tibiri), die ihren jeweiligen animistischen Glauben bewahrt hatten. Eine andere von den Hausa bevölkerte Region ist Arewa, die sich sowohl des von Osten als auch von Westen kommenden islamischen Einflusses erwehrte. In Ostnigeria, im Ibo-Land, entwickelte sich im 9. und 10. Jahrhundert eine Kultur, die für ihre mit Blei verzierten Waren aus Kupfer und Bronze bekannt war. Diese in der Region einzigartige, auch nicht mit der Nok-Kultur verwandte Ibo-Kultur war im gesamten Südosten Nigerias verbreitet. Doch die abscheuliche Wunde des arabomuslimischen Sklavenhandels sollte sehr rasch die moralische Kraft der in der Eisenindustrie und Landwirtschaft bewanderten Völker brechen.

Die Ankunft der Araber leitete den Untergang all dieser Kulturen ein. Die arabischen Räuber stachelten die Habsucht und Raffgier der bekehrten Stammesführer an. Sogar der Sultan organisierte Plünderungen, um die für den Export tätigen arabischen Händler zu beliefern. Auch die Thronfolger der Nachbarstaaten von Bornu (Kanem, Wadai, Baguirmi und Sokoto) betrieben Sklavenhandel. All diese muslimischen Stammesfürsten, die nicht dar an interessiert waren, einen für sie profi tablen Handel abzuschaffen, ersannen, sofern sie die vorbeiziehenden Karawanen nicht direkt plünderten, lukrative Wegezölle, um auf ihre Kosten zu kommen. Im Land der Fellata leitete Ahmadou, Sohn und würdiger Erbe von El Hadschi Omar Seydou Tall, die Menschenjagd unter der Flagge des Dschihad.

Im Innern des Kontinents war dieses Verbrechen im Auftrag der meist animistischen Monarchen Dahomeys noch widerlicher, da sich hier die Mittäterschaft nicht durch die Islamisierung erklären lässt. Diesen blutrünstigen Usurpatoren, die sich an ihre Privilegien klammerten, ging es vor allem um Macht und Prestige, die sich an diesen Orten nur durch das Waffenverdikt sichern ließen. Deshalb "kollaborierten" sie zunächst mit den Arabomuslimen, dann mit den europäischen Sklavenhändlern. Sie lebten vom Blut, vom Schweiß und der Agonie ihrer Völker. In ihrer Gier ersannen sie immer neue ausgeklügelte und mörderische Methoden.
     Ihr Streben nach Macht, symbolisiert durch die Anzahl von Kriegsgeräten und Pferden, zwang sie, immer mehr Sklaven an die Menschenhändler zu verkaufen. Das führte wie der um zu einer Zunahme der kriegerischen Konflikte gegen die Nachbarreiche. Doch schnell gerieten diese afrikanischen Stammesführer durch die Tauschmechanismen des Sklavenhandels in eine Falle. Denn bald führten die internen Kriege, beflügelt durch die Verlockungen des Absatzmarktes, zu einem Überschuss an Sklaven. Schließlich erwies sich die Ankunft der Seefahrer als glückliche Fügung für den Handel dieser von der Sahara weit entfernt liegenden Staaten.
     Die in großer Menge zur Verfügung stehenden Sklaven wurden entweder gegen Waffen, Pferde oder Textilien getauscht bzw. mit einer entsprechenden Zahl von cauris beglichen, kleinen Schneckenmuscheln, die in diesem Teil des vorkolonialen Afrikas als Zahlungsmittel dienten. Andere Stammesführer tauschten geraubte Menschen gegen Ochsen, Waffen, Stoffe oder jegliche Art von nutzbringenden Gütern. Die Verantwortung, die diese habgierigen Stammesfürsten und anderen geldgierigen Verräter dabei trugen, ist allzu offensichtlich. Besonders tragisch ist die Mitwirkung von einheimischen Potentaten, die sich aus Profitgier wenig um das Schicksal ihrer Landsleute scherten. Nicht nur berberische und ägyptische Sklavenhändler sowie andere ausländische Schurken widmeten sich diesem kriminellen Handel. Unleugbar ist die Mittäterschaft einiger afrikanischer gewinn- und rachsüchtiger Herrscher und ihrer Handlanger, schamloser Agenten und Zwischenhändler, die die von den Arabern gelieferten Gefangenen aus weit entfernt liegenden Gegenden zu profitablen Preisen weiterverkauften. Der Mensch wurde für seinesgleichen zu einer "interessanten" Ware. Die beteiligten Herrscher trugen unbestritten Mitverantwortung für das traurige Schicksal ihrer Untertanen, deren Schutz ihnen anempfohlen war.
     Die traurige Realität ist, dass Schwarze andere Schwarze ausgeliefert haben. Wahr ist, dass kein Volk tugendhafter oder verbrecherischer ist als ein anderes, und dass zumeist schwarze Treiber den arabischen Menschenjägern zur Hand gingen und den Sklavenhändlern schwarze Gefangene lieferten.

Wie in allen Kriegen und in allen besetzten Ländern konnten sich die Sieger der Mitwirkung der lokalen Würdenträger und eines Teils der Bevölkerung versichern, die willens waren, ihre "Brüder" an die jeweilige Besatzungsmacht auszuliefern. Im Laufe dieses arabomuslimischen Sklavenhandels stand Afrika in der Tat unter arabischer Besatzung. Kolonisiert im eigentlichen Sinne waren zwar Nord- und Ostafrika, aber in spiritueller Hinsicht galt dies auch für den Rest des Kontinents, nicht zuletzt durch die Islamisierung seiner Eliten und seiner Völker. Die Geschichte lehrt uns : Sobald es ein Verhältnis von Herrschenden / Beherrschten bzw. Peinigern / Opfern gibt, finden Erstere stets freiwillige oder erpresste Helfershelfer unter den Opfern.
     Dieses Phänomen ist unabhängig von Zeit und Raum. Noch heute werden die schwarzen Bevölkerungsgruppen aus dem Darfur von den dschandschawidischen Milizen regelrecht ausgerottet. Doch wird diese ethnische Säuberung, deren Opfer Schwarze sind, von Schwarzen selbst ausgeführt : von dschandschawidischen Söldnern, die im Auftrage der Araber handeln. Damals, in Judäa beispielsweise, waren die Steuereintreiber unter der römischen Besatzung Juden. Auch in jüngster Zeit, während des Zweiten Weltkriegs, konnten sich die Nazis auf jüdische Mittäter stützen. Doch widerspricht es jedem gesunden Menschenverstand, dem jüdischen Volk die Schuld für die eigene Ausrottung anlasten zu wollen ; dieses verbrecherische Unternehmen wurde bekanntlich von einem Haufen Psychopathen ersonnen. In Frankreich wollten weder General de Gaulle - der von seinem Land sagte, es stelle eine geistig-moralische Größe in der Geschichte dar - noch der ehemalige Staatspräsident Mitterrand jemals die Verantwortung des französischen Volkes für die Verbrechen von Vichy anerkennen. Dabei handelten die damaligen französischen Machthaber und ihre Kollaborateure doch nicht im Namen Frankreichs, denn Vichy mit seinen achtunddreißig Millionen Renegaten war nicht etwa Frankreich, sondern ein System innerhalb von Frankreich, wo die Republik und ihre demokratischen Werte, die jegliche Art von Sexismus, Rassismus und Antisemitismus ausschließen, von einer Bande von Opportunisten, Faschisten und Verbrechern "ausgeschaltet" wurde.

Deshalb muss in Bezug auf die Verwicklung der Afrikaner in das schmerzhafte Kapitel ihrer Geschichte, den arabomuslimischen Sklavenhandel, ein offenkundiges Postulat berücksichtigt, anerkannt und akzeptiert werden, dass nämlich die Verantwortung hierfür keineswegs den afrikanischen Völkern, sondern objektiv jenen despotischen und blutrünstigen Monarchen anzulasten ist, die seinerzeit zwar in der Minderheit, doch als willige Komplizen der Sklavenhändler aufgetreten waren. Andernfalls wäre es, als würde man versuchen, nach einer Rechtfertigung zu suchen, um den Römern zu vergeben, dass sie Christus gekreuzigt haben, nur weil es die Mittäterschaft und den Verrat seines "Bruders" und Jüngers Judas gab. Jene afrikanischen Stammesführer und ihre Handlanger unter den Militärangehörigen oder der Zivilgesellschaft waren die einzigen objektiven Verbündeten der Sklavenhändler. Deswegen stand die Zahl dieser Kollaborateure und Renegaten in keinem Verhältnis zu den Dutzenden Millionen Toten oder Deportierten. Die ihrer Heimat beraubten oder ermordeten afrikanischen Völker sind nach wie vor die Hauptopfer einer einmaligen Tragödie, die einen ganzen Kontinent erfasste. Unabhängig von der Mitschuld und dar über hinaus einer zugleich zweifelhaften und schändlichen Buchführung über die Opfer gebieten es Ethik und Moral, sich angesichts der Abscheulichkeit dieses Völkermordes und der Verzweiflung vor all den Kindern, Frauen und Männern zu verneigen, deren Leben mit einem Schlag und unwiederbringlich zur Hölle wurde. Dem Versuch einiger Autoren, Täter und Opfer in einen Topf zu werfen, sollte der mutige Widerstand zahlreicher afrikanischer Stammesführer und ihrer Untertanen gegen diese Schändlichkeit entgegengestellt werden.


Mit freundlicher Genehmigung des Rowohlt Verlages

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