9punkt - Die Debattenrundschau
In einer narrativen Prosa
Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
Geschichte
Ulrich Lappenküper, der die Otto-von-Bismarck-Stiftung leitet, fordert im Gespräch mit Klees heute zwar ein differenziertes Bismarck-Bild ein, hält aber auch mit Blick auf die AfD fest: "Aus der Sicht eines Demokraten taugt er nicht als Vorbild, weil Bismarck mit Sicherheit kein Demokrat war. Leider hält sein Politikverständnis heute an vielen Stellen der Welt wieder Einzug. Bismarck sah die Politik als Kampf, in dem es galt, Freund und Feind zu unterscheiden und die Feinde zu bekämpfen, möglichst sogar zu vernichten - zumindest politisch."
In der FR erinnert Arno Widmann an eine frühe Emanzipierte: die Schriftstellerin Louise Aston (1814-71) "In Berlin pflegte Louise Aston Zigarren rauchend und in Männerkleidung - sie folgte damit ihrem Vorbild George Sand - begleitet von junghegelianischen Revoluzzern spazieren zu gehen. Immer unter den Blicken einer aufmerksamen Polizei. Sie hielt mit ihren Ansichten über die Ehe oder die organisierte Religion nicht hinter dem Berge. Die Behörden hatten sie im Verdacht, einen Klub emanzipierter Frauen gegründet zu haben. Das führte sehr schnell dazu, dass die preußische Polizei verfügte, sie habe 'Berlin binnen acht Tagen zu verlassen, weil ich Ideen geäußert, und ins Leben rufen wolle, welche für die bürgerliche Ruhe und Ordnung gefährlich seien'. Ihr kleines Buch war schon darum, weil sie diesen Vorgang öffentlich machte, eine weitere Provokation. Die Lektüre lohnt sich bis heute."
Internet
Europa
Dass die Ostdeutschen unter der Wende mehr zu leiden scheinen als andere Ostblockstaaten erklärt sich der Schriftsteller Christoph Brumme in der NZZ damit, dass die meisten DDR-Bürger eigentlich gar keine Revolution wollten: "Erst als die Menschen die Reichtümer des Westens sahen, versiegten ihre Hoffnungen auf die Reformierbarkeit des sozialistischen Systems. Der Umschwung in den Meinungen fand seinen konzentriertesten Ausdruck in der Ablösung des Rufes 'Wir sind das Volk' durch 'Wir sind ein Volk'. Opposition und Widerstand waren in der DDR bis zuletzt immer schwach geblieben, im Gegensatz etwa zum Nachbarland Polen mit seinen Arbeiteraufständen, der starken unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc und der regimekritischen katholischen Kirche. Die Zahl der Bürgerrechtler in der DDR oder der in oppositionellen Kreisen engagierten Menschen war bis zum Sommer 1989 winzig klein."
Ideen
Wissenschaft
Kulturpolitik
Medien
Gesellschaft
Joscha Wölbert erklärt bei hpd.de, warum Kritik am Islam im Sinne von Religionskritik keineswegs "rechts" ist und untersucht den Diskurs rechtsextremistischer Bewegungen und Parteien wie der AfD, deren Begriff vom Islam auf einer Vorstellung von "Ethnopluralismus" beruhe: "Das Problem der Neuen Rechten ist nicht der Islam. Auch die Muslime sind es nur vordergründig. Was sie stört, ist das angebliche Vakuum, welches das säkularisierte und immer weiter schwindende Christentum und der gerade in Deutschland geringe Patriotismus hinterlassen haben. Ihr Problem ist die liberale Demokratie. Was sie kritisieren, ist nicht die Ideologie eines politischen Islam, sondern, dass die eigene Gesellschaft keine eigene, ebenso feste, autoritäre Ideologie als Gegengewicht vorzeigen kann."