Elias Canetti

Party im Blitz

Die englischen Jahre
Cover: Party im Blitz
Carl Hanser Verlag, München 2003
ISBN 9783446203501
Gebunden, 248 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Ein unverblümter Text über seine Jahre in England, den sich Canetti nicht zu veröffentlichen traute: über verarmende Adlige und wirklich arme Emigranten, über eitle Dichter und schöne Malerinnen und über seine Liaison mit der später berühmten Autorin Iris Murdoch. Mit dem Nachwort des Londoner Literaturwissenschaftlers Jeremy Adler und Fotografien aus der Zeit ein wichtiges Stück zu Canettis Autobiografie.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.10.2003

Eins muss Martin Meyer "Party im Blitz" lassen: Die aus dem Nachlass zusammengestellten Erinnerungen Elias Canettis an die Jahre in England geben sich unversöhnlich, "streitbar, mitunter rabiat, und insofern vollkommen authentisch". Canetti berichtet von der Nichtbeachtung, die ihm in England widerfahren ist, als ob es erst gestern gewesen und noch "keineswegs verdaut" wäre, wie der Rezensent bemerkt. Dieses Pathos des Verkannten ziehe sich als Grundmuster durch das ganze Buch, was die Lektüre etwas störe. Davon abgesehen aber gibt es "allerlei humoristisch gefärbte Überraschungen" wie etwa die gelungenen Kurzporträts von Bekannten wie Bertrand Russell oder T.S. Eliot, versichert Meyer. Mit seiner "kargen, ungelenken, ein wenig rhythmusschwachen" Prosa bringe Canetti einen "Schweif von Anekdoten" hervor, dessen schönstes Exemplar für Meyer ein friedlich-philosophischer Spaziergang auf dem Friedhof von Hampstead Church darstellt, ohne Geltungsdrang und Außenseiterschmerz. "Daraus wäre zu lernen gewesen", seufzt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.09.2003

Ein Fall von unerwiderter Liebe? Elias Canetti, schreibt Susanne Mayer, schwärmte für England und seine Literatur wie für nichts anderes, und als er dort im Exil war, ab 1938, da suchte er nach der Einlösung dieser Liebe, wollte finden, was er vergötterte. Er fand: eine Idylle aus Landschaft und Hochkultur, er fand auch "vollendete Höflichkeit", aber er suchte vergeblich nach dem, wonach es ihm verlangte, der Überwindung der Distanz - eine Niederlage, die sich Mayer zufolge in seinen Erinnerungen an die Exiljahre niederschlug, in den Skizzen und "böse infamen Karikaturen", die er von den Engländern anfertigte, am bösesten die von seiner Ex-Geliebten Iris Murdoch. "Canetti", schreibt Mayer, "seziert mit scharfem Besteck das Menuett britischer Geselligkeit", an dem er abprallte, und "er beschreibt - und dafür lohnt sich die Lektüre - das stoische Leben unter der Bombendrohung nicht ohne Komik". Komisch, aber doch ohne die Souveränität seiner englischen Figuren, auf denen er rumhackt und dabei, so die Rezensentin, die Aufmerksamkeit vor allem auf sich selbst lenkt: auf das enttäuschte "Prinzchen im Autor".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.08.2003

Harry Nutt ist fasziniert von diesem Nachlassband des 1994 gestorbenen Autors Elias Canetti, auch wenn die "letzten Glättungen" durch den Tod des Autors ausgeblieben sind und das Buch als Fragment veröffentlicht wurde. Nutt ist auf jeden Fall beeindruckt, dass Canettis "große Kunst der Selbstmythologisierung hier seinen Maskensprung erlebt" - das liegt nach Ansicht des Rezensenten an der sexuellen Kränkung, die er durch die Affäre mit Iris Murdoch erfahren hat. Auch sonst ist diese Beschreibung von Canettis Jahren in England aus verschiedenen Gründen interessant: etwa durch seine "beinahe soziologischen Bemerkungen über das englische Partywesen". Auch lässt sich das Buch als Werkstattbericht lesen, denn in diesen Jahren "nimmt Canettis wichtigstes Werk Masse und Macht Form an". Nur bei der Gattungsbezeichnung ist sich Nutt nicht ganz sicher, wie so oft bei Canetti: Kann man dieses Buch nun als Fortsetzung seiner autobiografischen Roman-Trilogie lesen? Das "poetologische Konzept Canettis" spricht für Nutt eigentlich dagegen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.08.2003

Nicht sehr gnädig verfährt Willi Winkler mit einem Nachlassband Elias Canettis, der - laut Nachwort - an seine autobiografische Trilogie anknüpfen soll. Davon kann nicht die Rede sein, stellt Winkler fest. Nur der zeitliche Rahmen passt: "Party im Blitz" umfasst Canettis englische Emigrantenjahre. Ansonsten sei der Band verworren, stilistisch unzureichend und keineswegs autobiografisch zugespitzt. Canetti habe sich wohl mehr als Mentalitätshistoriker betätigen wollen - ein Vorwand, meint Winkler, um gnadenlos über sein ihm Hilfe gewährt habendes englisches Umfeld herzuziehen. Canettis Englandhass sei nicht mal authentisch, behauptet Winkler, sondern schlicht nachtragend: er speise sich aus Sozialneid für lange erfahrene Missachtung als Autor, weshalb vor allem T.S. Eliot und Canettis Geliebte Iris Murdoch besonders schlecht wegkämen. Dem Leser und Canetti-Fan, als welcher sich Winkler zu erkennen gibt, hätte man solcherlei Kleinlichkeiten und Niedrigkeiten lieber ersparen sollen, schreibt der Rezensent. Canetti hätte viele Kriege erlebt; der Krieg gegen sich selbst aber ginge "in einer langweiligen Party zu Ende".
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 12.08.2003

Kurz vor seinem Tod im Jahr 1994 hatte sich Elias Canetti daran gesetzt, seiner autobiografischen Trilogie "Fackel im Ohr", "Die gerettete Zunge" und "Das Augenspiel" einen vierten Band hinzuzufügen. Dieser sollte, erläutert Cristina Nord, Canettis Zeit in England beschreiben, wohin er 1938 emigriert war, doch das Buch blieb fragmentarisch. Es knüpft insofern nicht an die Trilogie an, meint Nord, als die Person des Autors außen vor bleibe. Nord sieht "Party im Blitz" eher in der Tradition der "Hampstead Intellectuals", da Canetti hierin vor allem ein Bild seiner Londoner Freunde und des englischen Gesellschaftslebens zeichnet, das er als ausgesprochen distanziert und gefühlskalt beschreibt: von "Vertrocknungen" und einem "Leben als gesteuerte Mumie" sei die Rede, zitiert Nord. Je mehr Canetti sich ereifere, desto mehr relativiere er auch, bemerkt Nord. Den ersten Satz des Buches "Ich bin in Verwirrung über England" sieht sie deswegen bestätigt. Auch Canettis teils böswilligen Beschreibungen seiner Freunde und insbesondere seiner Geliebten Iris Murdoch empfindet die Rezensentin als zwiespältige Angelegenheit, denn die böswillige Beschädigung anderer Personen falle letztlich wie eine Peinlichkeit auf den Autor zurück, findet Nord.
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