Críticas:
Am Anfang hat man den Eindruck, man sei irgendwo in Gregor von Rezzoris Balkanien gelandet. Auf einer Brücke im bergigen Norden Albaniens sind zwei amerikanische Staatsbürger ermordet und ihr albanischer Fahrer schwer verwundet worden. Die Aufarbeitung dieses Skandalons zieht sich quer durch die verschiedenen politischen und sozialen Sortierungen des Landes. Diese grimmige Geschichte liest sich zunächst allerdings wie ein charmantes, durchaus auch leicht karikierendes Porträt eines drolligen Bergvolkes und dessen urbaner Variante in der einzigen großen Stadt, Tirana. Aber nachdem die auf Albanisch und Deutsch (im vorliegenden Falle) schreibende, in Berlin lebende Anila Wilms, ihr Publikum sozusagen auf die leichte, die maghrebinische Schiene gelockt hat, dreht sie zunehmend an der Komplexitätsschraube. Der Mord an den beiden Amerikanern mutiert vom bizarren Zwischenfall in den Schluchten des Balkans zu einem hoch-politischen Ereignis. Aus der Mordsache, die schnell geklärt zu sein scheint in der Tat werden erst einmal ein paar Leute erschossen und wie weiland Mussolini und Clare Petacci zur Ausstellung aufgehängt. Apropos Mussolini, der wird sich mit seinem faschistischen Italien bald in die albanischen Angelegenheiten einmischen. Das albanische Öl Der Mord an den beiden US-Bürgern lenkt die Aufmerksamkeit aller handelnden Personen ein beeindruckendes Panorama albanischer Politiker und Machthaber aller Couleur sowie ein Ensemble diplomatischer Interessenvertreter fremder Mächte, einschließlich des frisch nach dem Ersten Weltkrieg gegründeten Völkerbundes auf eine tatsächlich vorhandene Ressource des Landes: seine beträchtlichen Erdölvorkommen. Die übrigens bis heute nicht erschöpfend ausgebeutet wurden. Anila Wilms zieht nun clever ihre Fäden Kleines und Großes, Lokales und Weltpolitisches treten ab jetzt in sich ständig neu formierende Verhältnisse und Konstellationen. Es geht um britische Ölambitionen und um amerikanische (in den 1920er durchaus noch in scharfer Konkurrenz), es geht um autokratische und demokratische Strömungen in der albanischen Innenpolitik, die wiederum mit den Dialektiken von archaischen Strukturen im Bergland und aufkommender Moderne in der Stadt zu tun hat. Die balkanischen Verhältnisse (Serbien, Montenegro, die Verwerfungen des Ersten Weltkrieges und der Balkankriege, die türkische Vergangenheit und der italienische Imperialismus) schlagen ebenso zu Buche wie die Diskussionen in den Kaffeehäusern und die Beachtung des grimmigen Verhaltenskodexes, des berühmten albanischen Kanuns , in den ländlichen Regionen. Vielleicht leidet der Roman an solchen Stellen hin und wieder ein bisschen unter TMI (= too much information), aber Anila Wilms federt die Komplexität der Situation und der Figurenkonstellationen immer wieder durch kluge Porträts, witzige Szenen und viel Atmosphäre ab. Auf 172 Seiten entsteht so ein Roman über eine uns fremde Welt, die uns aber, weil sie nicht als Insel ohne Bezüge zur Außenwelt gedacht und geschildert wird, doch bei genauerem Hingucken sehr bekannt vorkommt. Und genau hingeschaut zu haben, feine Verästelungen präzise erzählen zu können, ist die Qualität dieses feinen, erstaunlichen, charmanten und sinnvoll schrägen Kriminalromans resp. Polit-Thrillers aus den albanischen Bergen. (Thomas Wörtche, CULTurMAG)
Reseña del editor:
Zwei Amerikaner werden in den frühen zwanziger Jahren auf einer Brücke in den nördlichen, schwer zugänglichen albanischen Bergen ermordet. Drei Hirten beobachten die Tat, ein deutscher Ingenieur transportiert die Toten auf seinem Lastwagen nach Tirana. Dort bricht hektische Aktivität aus: In den Cafés diskutieren die Journalisten über das Motiv des Mords, der US-Botschafter vermutet einen Anschlag konkurrierender Geheimdienste aus England oder Italien auf amerikanische Öl-Interessen und ordert ein Kriegsschiff herbei, der Polizeichef lässt die angeblichen Täter erschießen und ihre Leichen auf dem Markt in Tirana ausstellen, und während des Trauergottesdienstes für die toten Amerikaner kommt es zum showdown zwischen dem albanischen Kriegsminister und dem Bischof. Am Ende klärt sich der Mord auf. Und das albanische Öl? Ein temperamentvoller, burlesker Roman aus einem uns weitgehend unbekannten Land voller eigenwilliger Figuren. Eine verrückte Geschichte, die tatsächlich passiert ist und weltpolitische Folgen hatte.
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