Verletzte Seelen: Möglichkeiten und Perspektiven einer historischen Traumaforschung - Softcover

9783898064064: Verletzte Seelen: Möglichkeiten und Perspektiven einer historischen Traumaforschung
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Críticas:
Das Überraschende an der Psychotraumatologie als eine sich derzeit ausdifferenzierende Disziplin ist ihre steigende Popularität. Zwar lässt die von kriegerischen Konflikten gezeichnete Geschichte des letzten Jahrhunderts eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Folgewirkungen extremer Gewalt erwarten. Aber gerade deswegen erstaunt es, dass der ,,Boom" der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit traumatischen Erfahrungen erst in den letzten Jahren eingesetzt hat. So wurde das Konzept der posttraumatischen Belastungsstörung erst 1980 in das DSM III aufgenommen. Inzwischen schulen immer mehr Weiterbildungsmaßnahmen Fachkräfte in der Behandlung von Traumaopfern. Die Frage nach den Folgen von Gewaltereignissen ist jedoch nicht nur in Bezug auf ein optimales medizinisches "Management" des Traumas zu untersuchen, sondern auch in einen historischen und kulturtheoretischen Zusammenhang einzubetten. Der Aufsatzband "Verletzte Seelen" stellt sich einem solchen Vorhaben. Die Herausgeber haben dazu sehr unterschiedliche Beiträge zusammengetragen, deren gemeinsames Interesse sich auf folgende Fragestellungen bezieht: Wie werden Gewalterfahrungen auf individueller Ebene in psychosomatische und auf kollektiver Ebene in psychosoziale Strukturen vermittelt? In welcher Weise formen derartige Strukturen den Ausdruck von Gewalt und deren Verarbeitung? Wie wird eine Kultur durch Traumatisierungen beeinflusst, und wie reagiert sie auf Traumatisierung und Traumatisierte?Die Zugänge der Autoren zu diesen Fragestellungen sind heterogen: Der Band umfasst einerseits historische Darstellungen, wie zum Beispiel einen Artikel zur Geschichte der Traumatherapie (Venzlaff) oder einen Beitrag zum Traumatisierungsbegriff aus medizinhistorischer Perspektive (Schott). Andererseits werden aber auch Schlaglichter auf aktuelle Fragestellungen der psychotraumatologischen Forschung geworfen, wie zum Beispiel die Reaktionen von US Amerikanern auf die Anschläge des 11. September (Piven), oder die Frage nach der Glaubwürdigkeit in Erzählungen von Vergewaltigungsopfern (Künzel) gestellt. Die Vielfalt der Facetten einer historischen Traumaforschung kann so zwar einerseits die Neugier des Lesers wecken, doch auch Verwirrung stiften. Die etwas wahllos wirkende Zusammenstellung der Beiträge lässt einen roten Faden vermissen, der durch die vorgegebenen Fragen eigentlich doch hätte ausgerollt sein sollen. Vor allem aber gelingt es auch diesem Sammelband nur in Ansätzen, die beklagenswerte Spaltung der Psychotraumatologie zwischen klinisch psychiatrischer Operationalisierbarkeit und Interventionsanspruch und einem sozialen, politischen und kulturwissenschaftlichem Betrachtungswinkel zu überwinden. So empfiehlt sich das Buch wohl vor allem all denen, die sich bereits mit historischer Traumaforschung auseinander gesetzt haben und hier weitere Anregungen durch die Diskussion spezifischer Fragestellungen finden. (Deutsches Ärzteblatt, Heft 2 / Februar 2006)

Traumatisch bedingte psychische Störungen haben Konjunktur, Traumatherapie ist »hip«. Die Herausgeber des vorliegenden Buches - Seidler leitet die Sektion Psychotraumatologie der Psychosomatischen Universitätsklinik in Heidelberg, Eckart ist dort Ordinarius für Medizingeschichte - fühlen sich allerdings nicht als Modemacher. Sie warnen vor einer »zu vorschnellen« Theorie- und damit Dogmenbildung, durch die die Chancen des noch jungen Fachs, »zu einem neuen Paradigma für die Psychosomatische Medizin« zu werden, verspielt werden können. Das Buch stellt die Frage nach dem historischen Kontext in mehrfacher Weise: Warum entstand die Psychotraumatologie als Disziplin erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, obwohl die in ihr thematisierte Realität schon sehr alt ist? Und umgekehrt: Welche Auswirkungen hatte es zum Beispiel für die deutsche Nachkriegsgeschichte, »dass es - wahrscheinlich - Mitte 1945 eine Unzahl psychisch traumatisierter Menschen in Deutschland gab«? Selbstverständlich muss diese Frage auch gestellt werden für andere Epochen und Regionen, etwa den Dreißigjährigen Krieg. »Sind Kulturen und einzelne kulturelle Phänomene vielleicht in einem viel stärkeren Ausmaß, als es manchem verträglich ist, dieses zu akzeptieren, mitunter auch als kollektive Bewältigungsformen individuell erlittener Gewalt verstehbar zu machen? Was sind die Transmissionsvorgänge zwischen individuellen Gewalterfahrungen und kulturell geronnenen Phänomenen?« Spannend sind die verschiedenen Beiträge zur Entstehung und Wandlung des Traumabegriffes in der Medizin, instruktiv, teilweise aber auch beschämend, was der emeritierte Göttinger Psychiatrie-Ordinarius Venzlaff zur Geschichte der Traumatherapie aus seiner eigenen Erinnerung zusammenträgt (z.B. dass eine unwissenschaftliche Polemik des NS-Reichsarbeitsministeriums 1953 in der Schriftenreihe des Bundesarbeitsministeriums wieder aufgelegt wurde). Außerdem geht es um die Traumatisierung von Kindern in den Kriegen der Gegenwart und das Vergewaltigungstrauma und das Problem der Glaubwürdigkeit, aber auch um kollektive Reaktionen am Beispiel des 11. September sowie um Zusammenhänge von kollektivem Trauma und kollektiver Identität am Beispiel der Serben und des Serbenführers Milosevic. Kern der Psychotraumatologie ist für Seidler, dass ein einzelnes Ereignis einen Menschen zerstören, zumindest aber »wesentlich« verändern kann. Damit ist ein fundamentaler Widerspruch formuliert zu herkömmlichen Konzepten überdauernder psychischer Strukturen; Seidler kritisiert aber auch die Psychoanalyse, obwohl diese die Psychotraumatologie wesentlich befördert hat; er wirft ihr vor, »dass im Rahmen eines herkömmlichen psychoanalytischen Ansatzes alles, was von außen auf das Subjekt einwirkt, unmittelbar in eine ihm unterstellte Wunsch(oder Trieb- oder Antriebs-) Dynamik übersetzt wird«,woraus die Frage nach dem »eigenen Anteil« am Geschehen folgt. Der Psychoanalytiker Seidler brandmarkt die Psychoanalyse als »Täterpsychologie par excellence«, denn sie ignoriere, dass Menschen jenseits aller Psychodynamik bloßes Objekt anderer Menschen, aber auch Spielball von traumatisierenden Großereignissen sein können, »dass Menschen Widerfahrnissen ausgesetzt sind, die ob ihrer Ungeheuerlichkeit keine Repräsentanz im vorher bestehenden Wunschsystem aufweisen können«... (Soziale Psychatrie Heft2 April/2006)

Was für ein wunderbarer, aber leider auch treffender Titel für eine Krankheit, deren Ausmaß sich erst in den letzten Jahren zeigt. In dem vorliegenden Band wird vorwiegend die Traumatisierung dargestellt, die zum Beispiel bedingt durch den Krieg in Bosnien - und hier besonders die der Kinder - oder aber in der Folge des 11. September 2001 zutage getreten ist, weil darüber die meisten Forschungen vorliegen. Die wirklich manifeste Traumatisierung der Kriegskinder des Zweiten Weltkriegs zeigt sich erst allmählich, da diese Generation gegenwärtig ins Rentenalter tritt und sich mit einem Mal - bedingt durch den relativen Müßiggang, in der Nachsicht auf das vorherige Leben - plötzlich Traumata der frühen Jahre zu zeigen beginnen. Auch der Tod eines nahen Angehörigen kann die PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) genannte Krankheit auslösen. Auch durch die Öffnung des ehemaligen Ostblocks ist es den Nachfahren der Flüchtlinge und Vertriebenen ein Bedürfnis, zu sehen, wo komme ich und meine Familie her. Viele Schriftsteller der zweiten und dritten Generation haben sich des Themas angenommen, auf den eigenen Spuren oder denen der Vorfahren in den kriegsbedingt verlorenen Gebieten zu forschen. Die Trauer um die (menschlichen) Verluste und die eigene Opferrolle spielen dabei eine große Rolle. Das Kind K. Da das Buch »Verletzte Seelen« in den meisten Teilen hoch theoretisch ist und nur von den Möglichkeiten einer historischen Traumaforschung, kaum aber konkreten Beispiele der Traumatisierung spricht, insbesondere der Spättraumatisierung, möchte ich ein Beispiel aus meinem persönlichen Umfeld benennen - auch deshalb, weil Betroffene ermutigt werden sollen, für ihr Leiden Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nur mit einer persönlichen Leidensgeschichte lässt sich auch einem Außenstehenden vermitteln, wie Spättraumatisierung funktionieren kann und welch eine große Trauer und Chance für den Umgang mit Traumatisierung in der Generation der ehemaligen Zweiter-Weltkriegskinder schlummert. Das Kind K. wird 1942 in Deutsch-Böhmen geboren, evangelisch getauft (ungewöhnlich), mit der böhmischen Mutter im Juli 1945 bei den wilden Vertreibungen außer Landes geschickt, der rheinische Vater ist in Kriegsgefangenschaft. Der Bruder der Mutter holt sie und das Kind aus der Illegalität im sächsischen Erzgebirge in den rheinischen Geburtsort des Vaters. Mutter und Kind werden von der einheimischen Verwandtschaft abgelehnt, das Kind K. beginnt sich zu erinnern. Es findet die fremde Sprache unverständlich, im Kindergarten, wo es gutes Essen gibt, versteckt es sich im Klo, es muss den Kindergarten verlassen. Der böhmische Opa, der von den Tschechen verschleppt worden war, findet sich ein. Das Kind erinnert sich, dass der Opa das liebste ist, was es auf der Welt hat. Fortan verbringt es jeden freien Tag bei Opa und Oma, die in Bonn eine neue Heimat gefunden haben... (Die Berliner Literaturkritik)
Reseña del editor:
Das Buch geht aus von der Frage nach der Möglichkeit einer historischen Traumaforschung. Diese Perspektive wird erweitert um die Einbeziehung klinischer und kultureller Deutungsmuster für Traumafolgestörungen. Leitend sind dabei die Fragen, wie eine Kultur durch Traumatisierungen beeinflußt wird und wie sie auf Traumatisierungen und auf Traumatisierte reagiert.

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Seidler, Günter H/Eckart, Wolfgang U
Verlag: Psychosozial-Verlag (2005)
ISBN 10: 3898064069 ISBN 13: 9783898064064
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moluna
(Greven, Deutschland)
Bewertung

Buchbeschreibung Kartoniert / Broschiert. Zustand: New. Das Buch geht aus von der Frage nach der Moeglichkeit einer historischen Traumaforschung. Diese Perspektive wird erweitert um die Einbeziehung klinischer und kultureller Deutungsmuster fuer Traumafolgestoerungen. Leitend sind dabei die Fragen, wie eine Kultur . Bestandsnummer des Verkäufers 5648550

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Günter H. Seidler
Verlag: Psychosozial-Verlag (2005)
ISBN 10: 3898064069 ISBN 13: 9783898064064
Neu paperback Anzahl: 1
Anbieter:
AHA-BUCH GmbH
(Einbeck, Deutschland)
Bewertung

Buchbeschreibung paperback. Zustand: Neu. Neu Neuware, auf Lager - Die Psychotraumatologie ist dabei, eine eigene Fachdisziplin zu werden. Zu Krankheitsbildern und zu Therapieverfahren liegen bereits klinisch erprobte Konstrukte und Ansätze vor. Es wird aber immer deutlicher, dass die Psychotraumatologie jenseits ihrer klinischen Anwendbarkeit eine historisch und kulturtheoretisch relevante Perspektive darstellt. Wenn in der Psychotraumatologie die Folgen von Gewaltereignissen auf den menschlichen Organismus thematisiert werden, stellt sich sehr bald die Frage nach den Folgen von Gewalterfahrungen für kulturelle Phänomene, wie Werteorientierungen, aber auch für die Folgen sozialer Einrichtungen, wie Bildungssysteme, Versicherungssysteme, Gesundheitsversorgungssysteme, politische Strukturen usw. Das Buch bietet eine interessante, weiterführende Zusammenfassung der neuesten Überlegungen und Ergebnisse auf dem Gebiet der Psychotraumatologie. Bestandsnummer des Verkäufers INF1000632008

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