Dorothea Nolde

Gattenmord

Macht und Gewalt in der frühneuzeitlichen Ehe
Cover: Gattenmord
Böhlau Verlag, Köln 2003
ISBN 9783412166007
Broschiert, 462 Seiten, 59,00 EUR

Klappentext

Eheliche Machtverhältnisse waren in der Frühen Neuzeit immer auch Gewaltverhältnisse. Wie in anderen Bereichen der Gesellschaft auch bedeutete Gewalt in der Ehe aber nicht notwendig eine Störung der Ordnung, sondern war im Gegenteil integraler Bestandteil der Regelung sozialer Beziehungen und Machtverhältnisse. Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vollzog sich ein Wandel der Ordnung der Ehe, bei dem die Neuordnung der Gewaltverhältnisse eine zentrale Rolle spielte. Die Studie zeigt diesen Prozess anhand einer vergleichenden Untersuchung von erzählender Literatur und Gerichtsakten aus dem Frankreich des beginnenden Absolutismus auf: Mehr und mehr trat die unbedingte Gehorsamspflicht der Ehefrau an die Stelle der zuvor vom Ehemann - nicht zuletzt vermittels physischer Gewalt - zu leistenden Unterwerfung der Frau.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.01.2004

Inhaltlich wie methodisch wegweisend findet Rezensentin Bea Lundt die Untersuchung von Dorothea Nolde über Macht und Gewalt in frühneuzeitlicher und mittelalterliche Ehe. Durch die Auswertung von Gerichtsakten und narrativen Quellen zeigt die Autorin eine Veränderung im Machtkampf der Geschlechter, die sie als "Verschiebung von der Unterwerfung zum Gehorsam" definiert, berichtet die Rezensentin. Im sechzehnten Jahrhundert werde das Recht des Mannes auf Gewaltanwendung gegen seine Frau eingegrenzt und von der Frau eine "freiwillige Gefügigkeit" verlangt, die ihre vormaligen Status als "willensstarkes und eigensinniges Gegenüber" und "die Ehe als Herrschaftsmodell" weiter etabliere, aber andererseits ihr "Machtpotential" erheblich steigere, fasst Lundt die These des Buches zusammen. Erstaunliches Resultat und "neu" sei der Nachweis, wie "häufig sich auch Frauen gewaltsamer Mittel bedienten", berichtet die Rezensentin. So zeige das Titelbild des Buches eine Abbildung aus dem sechzehnten Jahrhundert, auf dem eine Frau ihrem Mann mit "Triumph und Stolz im Gesicht", so Lundt, ein Schlüsselbund um die Ohren schlage, wohingegen der Mann, die Hand erschrocken auf die schmerzende Stelle haltend "vor ihr halb zusammengesunken" und "hilflos" sei.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.10.2003

Dorothea Nolde widmet sich in ihrer Dissertation dem Gattenmord im Frankreich der frühen Neuzeit, erklärt Rezensentin Caroline Schnyder. Im ersten Teil untersuche die Autorin das Eheverständnis im 16. und 17. Jahrhundert. Im zweiten Teil hat Nolde dann 202 Gattenmordprozesse analysiert, die in Paris zwischen 1580 und 1620 geführt wurden. Mit Hilfe der Gerichtsakten kann Nolde belegen, dass die Prozessbeteiligten für ihre Argumentation häufig "Geschlechterstereotypen" benutzten, schreibt unsere Rezensentin. So wurden Männer meist nach dem Tathergang befragt, Frauen dagegen nach ihrem Lebenswandel. Nolde könne auch das Vorurteil revidieren, dass Frauen weniger hart bestraft wurden als Männer: "aufgrund des Stereotyps der 'aufsässigen Ehefrau'" wurden sie im Gegenteil sogar schneller angeklagt. Nicht überzeugend findet Schnyder die These der Autorin, die Einschränkung des Züchtigungsrechts des Ehemanns habe zu einem Wandel im Gewaltverhältnis zwischen Eheleuten geführt. Für Nolde habe sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts damit die Rolle der Frau verändert: sie war jetzt eher symbolischer als physischer Gewalt ausgeliefert, nicht nur Gehorsam, 'aktive Unterordnung' wurde von ihr gefordert. Diese These sieht Schnyder nicht ausreichend belegt. Ihrer Ansicht nach hat die Beschränkung des Züchtigungsrechts eher zur "Befriedung der Gesellschaft" beigetragen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.08.2003

Dorothea Noldes "Gattenmord" ist nach Ansicht von Rezensent Gerd Roellecke eine "typische Genderstudie". Anhand von literarischen Zeugnissen und zweihundert Entscheidungen des Pariser Berufungsgerichtes sucht Nolde die Verhältnisse zwischen Eheleuten in Frankreich von 1580 bis 1620 zu analysieren, berichtet Roellecke. Aus den literarischen Zeugnissen ziehe sie dabei ein Bild der Ehe, dessen Bestätigung sie dann in den Gerichtsentscheidungen suche. Zwar will Roellecke nicht bestreiten, dass die Verhältnisse "wahrscheinlich so gewesen" sind, wie die Verfasserin sie schildert. Dennoch hat ihn "Gattenmord" insgesamt nicht überzeugt. Was, wie er hervorhebt, weniger an der Verfasserin als an der Genderforschung liege. Daran nervt ihn zum einen die ständige Wiederholung des Satzes von der Gleichberechtigung von Mann und Frau, zum anderen die "platte, gefügige Universalität" der Unterscheidung von Mann und Frau, die auf alle Fragen mit "männlich" oder "weiblich" antworte.
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