Eva Menasse

Quasikristalle

Roman
Cover: Quasikristalle
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2013
ISBN 9783462045130
Gebunden, 432 Seiten, 19,99 EUR

Klappentext

Was wissen wir wirklich über uns selbst? Und was vom anderen? In dreizehn Kapiteln zerlegt Eva Menasse die Biografie einer Frau in ihre unterschiedlichen Aspekte, zeigt sie als Mutter und Tochter, als Freundin, Mieterin und Patientin, als flüchtige Bekannte und treulose Ehefrau. Aus diesem Mosaik tritt auf magische Weise ein kühner Roman hervor, der wie nebenbei die Fragen nach Wahrnehmung und Wahrheit stellt. Zu Beginn ist Xane Molin vierzehn Jahre alt und erlebt mit ihrer besten Freundin einen dramatischen Sommer. Am Ende ist sie Großmutter und versucht, für den Rest des Lebenswegs das Steuer noch einmal herumzureißen. Dazwischen nähern wir uns ihr aus verschiedensten Blickwinkeln: Da ist ihr Vermieter, der sie misstrauisch beobachtet und eigene Geheimnisse hat, da ist der Überlebende eines Bürgerkriegs, der sich in sie verliebt, da ist die ungestüme Jugendfreundin, die Xane nach Jahrzehnten plötzlich nicht mehr zu ertragen glaubt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.04.2013

Rezensent Tim Caspar Boehme berichtet von einer eher durchwachsenen Lektüre: Zwar weckt die strukturelle Gestaltung von Menasses Schilderung eines Lebens aus kapitelweise unterschiedlichen Perspektiven durchaus seine Neugier und das versammelte Figurenensemble - darunter ein selbstzerstörerisch veranlagter Holocaustforscher - ist zuweilen recht wuchtig. Doch stellt sich dem Rezensenten auch bald die Frage nach der Erkenntnis, die er aus dieser "Binnenansicht eines eher geschlossenen Milieus" und den Nöten von Intellektuellen im Alltag ziehen soll: Vieles ist reichlich unspektakulär, findet Boehme, der dann auch noch in Menasses sprachlicher Eleganz die eigentliche Krux des Buches identifiziert: Gerade deren Makellosigkeit unterstreiche die Belanglosigkeit einiger Passagen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.03.2013

Rezensentin Sabine Peters kann Eva Menasses Roman "Quasikristalle" durchaus Positives abgewinnen, großes Vergnügen etwa bereiteten ihr die ätzend-geistreichen Bemerkungen, welche die Autorin einzustreuen versteht. Und unbenommen scheinen ihr Menasses Lebenserfahrung und Menschenkenntnis. Trotzdem wird sie nicht warm mit dem Roman. Zum einen findet sie die Konstruktion, das Leben der Heldin Xane aus Sicht verschiedener Menschen zu beschreiben, sehr raffiniert, aber nun auch nicht sehr originell. Zum anderen aber, und das wiegt für sie schwerer, laufen die verschiedenen Erzählungen über Xane nur formal auf Entfremdung hinaus, inhaltlich aber auf die absolute Affirmation. Im Grunde, mein Peters, sind sich nämlich alle im Großen und Ganzen einig über Xane, die sich der Rezensentin als ganz "normale Superfrau" mit ein paar Macken darstellte.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.02.2013

Bei Christopher Schmidt läuten die Alarmglocken, wenn sich Literatur zu sehr naturwissenschaftlicher Begrifflichkeiten bedient. Die "Experimente" und "Versuchsanordnungen" verbergen ihm zu oft nur dürftig einen mangelhaften Stil, und der "sekundäre Reiz eines literarischen Suchspiels", der in systematischen Tüfteleien stecken mag, kann ihn dafür nicht entschädigen. Für Schmidt ist Eva Menasses Roman "Quasikristalle" ein Paradebeispiel für diese Kategorie. Sie erzählt das ganze Leben ihrer Protagonistin Xane Molin aus immer neuen Perspektiven sie umgebender Personen und versucht so, Molin umfassend auszuleuchten. Dem Rezensenten kommt es aber so vor, als wäre die Protagonistin nachträglich in eigentlich unabhängige Erzählungen retuschiert worden, gestützt durch ein überformalisiertes Gerüst. Ihr Fehlen wäre ihm kaum aufgefallen. Die Charaktere lösen sich allgemein nicht von ihrer Funktion, findet Schmidt, überhaupt ist ihm alles schon zu sehr metaphorisch gedeutet, "jede Sache zu oft 'wie' eine andere". Er gesteht Menasse zwar zu, dass sie charmant, spöttisch und melancholisch schreiben kann, aber als Roman funktioniert "Quasikristalle" nicht, urteilt der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.02.2013

Alle Anzeichen des experimentellen Romans entdeckt Hannelore Schlaffer im neuen Buch von Eva Menasse: Verzicht auf eine sukzessiv erzählte Lebensgeschichte, Zusammensetzung aus thematisch disparaten, rasch wechselnden Sequenzen, Bewusstseinsstrom etc. Leider scheinen Schlaffer weder die topaktuellen Themen (Ehebruch, Sterbehilfe, Depression, Generationenproblematik) noch die schöne essayartige Herangehensweise vom Stuhl zu reißen. Lieber wäre ihr gewesen, Menasse hätte ihr Erzähltalent, ihre Beobachtungsgabe und ihre Fantasie dafür nicht weitgehend an den Nagel gehängt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.02.2013

Echte Erkenntnis, die sich auch noch vergnüglich liest - viel zu selten finden sich im deutschen "Stilhaushalt" Versuche, wie der von Eva Menasse, meint Ijoma Mangold. Das Thema von "Quasikristalle" ist nicht neu, aber toll in Szene gesetzt, findet der Rezensent: es geht um die Zeit, nicht als abstraktes Hintergrundrauschen sondern als ganz konkretes Medium in dem wir uns bewegen, erklärt Mangold. Durch sie gewinnen Entscheidungen erst ihr Gewicht, weil wir nicht wieder hinter sie zurück können, weil verpasste Chancen wahrscheinlich nicht wiederkommen. Das lässt sich zwar leicht sagen, aber es in einer Geschichte erfahrbar zu machen, das ist Kunst, erinnert der Rezensent. Menasse gelingt dieses Kunststück, indem sie die Geschichte ihrer Protagonistin Xane Mole in fortschreitenden Fragmenten aus immer wechselnden Perspektiven erzählt, von Freunden, Kollegen und ihrer Familie. Das Buch fließt so auch aus unserer Vergangenheit in unsere gegenwärtige Zukunft, bis in die Mitte des Jahrhunderts, und zwingt den Leser der Gegenwart, Xane auf zeitlicher Augenhöhe zu begegnen, erklärt Mangold. Die Fragmente funktionieren wie die titelgebenden Quasikristalle: sie bilden "Verknüpfungsmuster, die nach Zufall aussehen, weil wir ihre aperiodische Ordnung nicht erkennen", beschreibt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.02.2013

Hymnisch bespricht Rezensentin Sandra Kegel Eva Menasses Roman "Quasikristalle". Allein der Titel, der auf die von dem Nobelpreisträger Daniel Shechtmann entdeckten, als "verbotene Symmetrien" bezeichneten Kristalle verweist, versetzt die Kritikerin in Entzücken. Geradezu genialisch gelinge es Menasse, die chemischen Strukturen in Literatur umzusetzen, schwärmt Kegel, die hier der multiperspektivisch erzählten, zwischen "Wahrnehmung und Wahrheit" oszillierenden Geschichte der Heldin Xane Molin folgt.  Die Rezensentin begegnet Xane zunächst als junges Mädchen, deren Kindheit durch schwere Schicksalsschläge ein jähes Ende nimmt, später als junger Frau, die bei einer Auschwitz-Exkursion von ihrem Dozenten aufgrund ihrer von Angst, Schmerz, ironischer Distanz und Selbstüberschätzung geprägten Persönlichkeit als "klassischer Fall halbjüdischer Doppelhelix" bezeichnet wird und schließlich als starke und selbstsichere Unternehmerin in Wien. Während die Kritikerin Menasses Protagonisten in schwindelerregend vielen verschiedenen Identitäten erlebt, hat sie im Laufe der Lektüre doch das Gefühl, dem eigenen Dasein immer näherzukommen. Nicht nur deshalb rät sie: Unbedingt lesen.
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