Herfried Münkler

Die Deutschen und ihre Mythen

Cover: Die Deutschen und ihre Mythen
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2009
ISBN 9783871346071
Gebunden, 606 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Herfried Münkler schreibt über die Deutschen und ihre Geschichte im Spiegel ihrer Mythen. Dabei erweckt er alte Sagen - etwa um die Nibelungen - zu neuem Leben, besichtigt schicksalhafte Orte wie Weimar, Nürnberg oder den Rhein und lässt historische Persönlichkeiten wie Hermann den Cherusker, Friedrich den Großen oder den Papst auftreten - selbst die D-Mark fehlt nicht in diesem Reigen. In einer großen historischen Analyse zeigt Münkler, wie Mythen unsere nationale Identität geformt haben und welch motivierende und mobilisierende Kraft ihnen eignet - im Positiven wie im Negativen. Denn in der deutschen Geschichte gingen Mythos und Politik stets Hand in Hand. So dienten die Schlacht im Teutoburger Wald oder der Drachentöter Siegfried der inneren Militarisierung der Deutschen, und das "Unternehmen Barbarossa" führte sie direkt in den Untergang. Nach 1945 erblühte die Bundesrepublik im Mythos vom "Wirtschaftswunder", die DDR richtete sich am "antifaschistischen Widerstand" auf. Heute dagegen ist Deutschland ein mythenarmes Land - ist das ein Fluch oder ein Segen?

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.03.2009

Zufrieden scheint Uwe Justus Wenzel mit Herfried Münklers Buch über die Mythen der Deutschen. Den Ansatzpunkt des Werks sieht er in der wichtigen Rolle für die symbolischer Ordnung eines politischen Gemeinwesens, die der Politikwissenschaftler den Mythen zuschreibt. Interessiert verfolgt er, wie Münkler die Mythen der Deutschen Revue passieren lässt. Nicht weiter verwunderlich scheint ihm, dass die meisten Mythen vom Nationalsozialismus diskrediert wurden. Gleichwohl habe auch die junge Bundesrepublik ihren Gründungsmythos gehabt: den des Wirtschaftwunders. Ob aufgeklärte Gemeinwesen wirklich politische Mythen brauchen, scheint Wenzel freilich nicht so gewiss wie dem Autor. Und wenn schon Mythen, fragt der Rezensent schließlich, "warum also nicht an dem Mythos der - sei es aufgeklärten, sei es durch die Geschichte aufgezwungenen - Mythenarmut festhalten?"

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.03.2009

Herfried Münklers Buch über "Die Deutschen und ihre Mythen" hat dem Rezensenten Nils Minkmar nicht gefallen. Viel zu gemütlich, zu wenig Provokation und Risiko. Auf über 600 Seiten lasse Münkler, der als herausragender Berliner Theoretiker gilt und selbst von der Kanzlerin geschätzt wird, zwar vom Faust über den Rhein bis zum Siegfried kein Mythos aus, dafür fehlt es dem Rezensenten aber an anderer Stelle. Er vermisst eine Auseinandersetzung mit dem Begriff "Mythos" an sich, sowie die Aufarbeitung der Rezeptionsseite genauso wie der Konkurrenz von Mythos und Religion. "Es ist eine gemütliche Theorie", meint Minkmar und preist dafür Roland Barthes' "Mythen des Alltags" von 1964 als um einiges reduzierter und gewagter.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.03.2009

Kenntnisreich und luzide findet Rezensent Harro Zimmermann diese "Erkundungsfahrt ins abgründige Fabelgespinst deutscher Mythen". Bereits Herfried Münklers "erzählerische Odyssee" in Sachen Kaiser Barbarossa vom "rotbärtigen Urkaiser" über seine Ikonisierung im Mittelalter bis zu Hitlers "wahnhaftem Unternehmen Barbarossa" nötigt dem Rezensenten viel Respekt ab. Auch beeindruckt Zimmermann, wie Münkler die Interpretationen des Faust-Mythos aus den Zeitverhältnissen heraus erklärt. Und die pointierte geschichtliche Exkursion durch die deutsche Städte- und Burgenlandschaft in Sachen "Junker Jörg". Manchmal kritisiert der Rezensent eine gewisse Unschärfe des Mythensammlers und mag auch nicht jedem Befund beipflichten. Auch vermisst er im Gegensatz zum Autor den Untergang mythischer Großerzählung nicht sonderlich, findet das Buch trotzdem höchst lesenswert.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.03.2009

Durchaus angeregt, aber letztlich doch unbefriedigt zeigt sich Rezensent Arno Widmann nach der Lektüre von Herfried Münklers "Die Deutschen und ihre Mythen". Münkler behandele Faust, die Nibelungen und den Rhein ebenso wie das Wirtschaftswunder, das den Gründungsmythos der BRD darstelle. Wilhelm Tell und Sissi dagegen bleiben zu Widmanns Bedauern außen vor, da Münkler nur das als deutschen Mythos betrachte, was "in den Grenzen von 2001" deutsch ist, kritisiert der Rezensent. Eher einen "Zettelkasten" und einen "Rohentwurf für ein noch zu schreibendes Buch" als eine abgerundete Geschichte deutscher Mythen habe Münkler da vorgelegt, beanstandet Widmann. Dabei sieht er das Motiv von Münklers Mythenschau darin, einen eigenen Gründungsmythos für das wiedervereinigte Deutschland einzufordern. Auf den mag Widmann nach der Lektüre von Münklers Buch aber allzu gern verzichten.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.03.2009

Lobend äußert sich Johan Schloemann über Herfried Münklers Buch "Die Deutschen und ihre Mythen", das pünktlich zum Gedenkjahr der Bundesrepublik erschienen ist. Er schätzt das Werk des Politologen als umfassende und kritische Auseinandersetzung mit politischen Mythen, die in der deutschen Geschichte eine Rolle gespielt haben. Ob Nibelungen, Barbarossa, Luther, Preußen oder Germanen, ob Antifaschismus oder Wirtschaftswunder - Münklers Analysen deutscher Mythen und ihrer Instrumentalisierung findet Schloemann allesamt überzeugend. Andererseits kann er den Wunsch des Autors nach Sinnstiftung durch kollektive Erzählungen auch in der Gegenwart nachvollziehen. Er attestiert Münkler, Geschichts- und Selbstbilder als Konstruktionen zu erkennen und als gesellschaftliche Realität ernst zu nehmen. Das Buch zeichnet sich in seinen Augen durch gute Lesbarkeit aus. Zudem scheint ihm hier eine "klare Stimme der Vernunft" zu sprechen.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Themengebiete