Peter Blickle

Das Alte Europa

Vom Hochmittelalter bis zur Moderne
Cover: Das Alte Europa
C.H. Beck Verlag, München 2008
ISBN 9783406571718
Gebunden, 320 Seiten, 26,90 EUR

Klappentext

Peter Blickle erläutert in seiner umfassenden Darstellung, wie die politische Organisationsform der Häuser die Gesellschaft der Bauern und - später - der Bürger auf einer horizontalen Ebene verbindet und sie über das Haus der Adligen und des Fürsten hierarchisch strukturiert. Die hohe Bedeutung des Hauses für die Entwicklung der Werte Solidarität und Recht erweist sich, wenn die Vielzahl der Häuser zur Gemeinde wird und Bauern und Bürger ihr Miteinander gemeinverträglich und so frei wie möglich organisieren. Diese Struktur - so zeigt der Autor anschaulich - ist in ihrer europaweit flächendeckenden Ausbreitung die Voraussetzung für den Siegeszug des Christentums, in dem der Erlöser als leidender Christus in die Mitte von Sakralität und Spiritualität rückt: Christus und die Märtyrer fördern durch ihr Vorbild die für die Gemeinschaft konstitutionell unverzichtbare Ethik des Mitleidens; zudem erscheint Christus als Inkarnation des gegen die herrschaftliche Unterjochung gerichteten Freiheitsbegriffs: Wenn Christus den Menschen befreit, dürfen weder weltliche noch geistliche Herren den Menschen wieder in Unfreiheit pressen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.01.2009

Peter Blickles Abhandlung über das "Alte Europa" vom 13. Jahrhundert - als sich die sesshafte Besiedelung durchsetzte - bis Anfang des 19. Jahrhunderts hat Urs Hafner gefesselt, auch wenn ihm die Darstellung des emeritierten Berner Historikers mitunter allzu sehr von seinen "normativen" Quellen geprägt scheint. In Anlehnung an Otto Brunners durchaus umstrittenes Bild des "Ganzen Hauses", das für die mittelalterliche Gesellschaft steht, spricht Blickle dem dritten Stand mit seinen kommunalen und familiären Strukturen prägende Wirkung zu. Die Verteidigung der "kommunal-häuslichen Freiheiten" und der auf wahrem Mitleid gestützten Frömmigkeit gegenüber Adel und Geistlichkeit spiele dann beim Autor auch eine entscheidende Rolle in der Geschichte Europas, so Hafner weiter, der jedoch einwirft, dass es in der historischen Realität weniger "idealtypisch" zuging. Die zivilisatorischen Errungenschaften durch Bauern und Bürger seien interessant und manchmal gar "ergreifend" dargestellt, die "Schattenseiten der Zivilisation" allerdings würden vornehmlich verschwiegen, gibt der Rezensent mit Blick auf Hexenverfolgung und Judenpogromen  zu bedenken.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.12.2008

Ein weiteres Buch zum "Jahr der großen Summen" hat Christian Jostmann gelesen. Peter Blickles aus der Schweizer Perspektive verfasster Versuch einer intellektuellen Vergewisserung des Alten Europas, also seiner Geschichte von 1200 bis 1800, findet er allerdings ehrgeizig und gelungen genug, um in der Menge der großen Überblicksbücher zu bestehen. Eher schmal im Umfang, erscheint der Inhalt des Bandes dem Rezensenten durchaus als systematisches, abstrahierendes Konstrukt, das, ausgehend vom "Grundbaustein" des Hauses und von der Kommune Sozialstrukturen und die ihnen eigenen Spannungen untersucht. Was Jostmann vermisst, ist ein weniger scharfer Trennstrich zwischen dem Mittelalter und Alteuropa, der auch längerfristige Entwicklungen berücksichtigt, sowie der Einbezug des Alteuropa mitprägenden Fremden, die Türkenkriege etwa oder die Kolonisierung.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.08.2008

Als allzu widerspruchslose Identitätsbehauptung liest Michael Borgolte den Band von Peter Blickle. Dessen teleologische Darstellung eines kompakten Europas mit verbindlichen Wurzeln und Werten erscheint Borgolte zu nonchalant und generalisierend. Das von Borgolte als Blickles "Universalschlüssel" für die Vergangenheit erkannte Interpretament des "ganzen Hauses" als Basiselement für vormoderne, vertikale und horizontale Gesellschaftsordnungen, möchte der Rezensent so nicht gelten lassen. Zu sehr lässt Blickles ideengeschichtlicher Ansatz ihn anthropologische und kulturwissenschaftliche Denkweisen und den Einbezug wichtiger Forschungsergebnisse vermissen.
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