Tim Wihl

Wilde Demokratie

Das Recht auf Protest
Cover: Wilde Demokratie
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2024
ISBN 9783803137401
Kartoniert, 144 Seiten, 16,00 EUR

Klappentext

"Völlig bescheuert" nannte Bundeskanzler Scholz die Aktionen der Klimaaktivisten "Letzte Generation". Andere verurteilen den zivilen Ungehorsam der Umweltschützer gar als "Terror", mittlerweile wird gegen den verhassten Protest sogar mit Präventivhaft vorgegangen. Entgegen der landläufigen Meinung, die solche wilden Protestformen als antidemokratisch abkanzelt, macht der Rechtswissenschaftler Tim Wihl in seiner Analyse deutlich, dass gerade diese Aktionen entscheidend zur Stärkung und Legitimierung der Demokratie beitragen. Wihl untersucht verschiedene Protestformen von Adbusting über Massendemonstrationen bis hin zu Besetzungen und Blockaden. Er vergleicht die Chancen politischer Freiheit in Deutschland, Frankreich, den USA oder Chile. Und er zeigt, dass das deutsche Protestrecht wesentlich an die Verfassung der Kaiserzeit anknüpft - und nicht etwa an das fortschrittliche Erbe der Revolution von 1918. Entschieden plädiert Wihl dafür, einem alternativen Verfassungsdenken zum Durchbruch zu verhelfen. Denn ziviler Ungehorsam ist keine Straftat, sondern eine demokratische Errungenschaft.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.05.2024

Tim Wihl bringt mit seinem Band frischen Winde in die Debatte über die Verteidigung der Demokratie, freut sich Rezensent Lennart Bade. Dabei bereitet Wihl, so Bade, ein "assoziatives Ideennetz" von Rousseau bis Rosa Luxemburg aus, das mit neuen Gedanken zur Demokratie besticht. Wihl betont besonders deren "wilde", unvorhersehbare Seite, die mehr eine "Lebensform" denn eine Regierungsform ist, und stellt die Frage nach einer neuen Form von Protests, die Gleichheit einfordern soll, stellt der Kritiker heraus. Allerdings ist das Buch eher ein wissenschaftlicher Beitrag und hält "keine To-go-Ergebnisse" oder gar Antworten bereit, schreibt der Kritiker. Doch die Lektüre lohnt sich  auf jeden Fall - auch aufgrund der Anreicherung des Bandes mit Bezügen zur Rechtsgeschichte - und ist ein "wilder Ritt durch die ziellose Ideenwelt", schließt Bade.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.04.2024

Brauchen wir mehr wilde Demokratie? Rezensent Dieter Thoma ist sich da angesichts kapitolstürmender Schamanen nicht so sicher, Tim Wihl hingegen stellt das Konzept ins Zentrum seiner politischen Theorie. Die möchte Demokratie als soziale Bewegung denken und unterscheidet dabei unter anderem, wie Thoma darstellt, zwischen "Herrschaftsform" und "Lebensform". Soweit kann der Rezensent noch mitgehen - Wihl trifft Thoma zufolge durchaus einen wichtigen Punkt, wenn er darauf hinweist, dass Demokratie nur über Teilhabe und durchaus auch über Protest funktioniert. Wenn Wihl diesen Unterschied allerdings hemdsärmelig zur Großtheorie aufzublasen versucht, und dabei noch Spinoza und Hegel ins Boot holt, steigt Thoma aus. Auch der Versuch des Buches, die sogenannte "protestative Gewalt" als vierte Machtquelle neben Exekutive-Legislative-Judikative zu platzieren, ist aus Sicht des Rezensenten keineswegs überzeugend angesichts zahlloser Beispiele demokratiefeindlicher Protestbewegungen. Am Ende bleibt für den Rezensenten ein Buch, das auf einen zentralen Motor des Demokratischen hinweist, als politische Theorie jedoch misslungen ist.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de