Vorgeblättert

Peter Mathews: Harro Harring - Rebell der Freiheit, Leseprobe Teil 1

09.08.2017.

Aus der Einleitung - Harro Harring, Giuseppe Mazzini, Karl Marx

"In London ist meine Qual eingetroffen, jener skandinavische Dichter, der der beste Mann auf der Welt ist und der quälendste Dummkopf dieser Zeit", schrieb 1842 der nach England geflüchtete Revolutionär und spätere Nationalheld Italiens Giuseppe Mazzini an seine Mutter.

Karl Marx überzog ihn 1852 in seinem "Die großen Männer des Exils" seitenlang mit Hohn und Spott und endete mit dem vernichtenden Urteil über "die Abenteuer unsres demagogischen Hidalgo aus der soderjylländischen Mancha. In Griechenland wie in Brasilien, an der Weichsel wie am La Plata, in Schleswig-Holstein wie in New York, in London wie in der Schweiz: Vertreter bald des Jungen Europa, bald der südamerikanischen Humanidad, (...) verkannt, verlassen, ignoriert, überall aber irrender Ritter der Freiheit, (...) wird aller Welt zum Trotz von sich sagen, schreiben und drucken, dass er seit 1831 das Haupttriebrad der Weltgeschichte war." Wer sich wie Harring über die "communistischen Spekulationen" von Marx erregte, konnte keine Gnade erwarten. Marx gab im Londoner Exil den scharfen Ton vor, den noch hundert Jahre später alle "Abweichler" von der kommunistischen Parteilinie zu erwarten hatten. (...).

Karl Marx hasste Harring und dessen Freund Mazzini als Konkurrenten. Er meinte, Harrings lächerliche Schriften hatten "am 4. November 1831 das unverhoffte Glück, vom Bundestag verboten zu werden. Das allein hatte dem braven Streiter noch gefehlt, jetzt erst erhielt er die verdiente Bedeutung und zugleich die Märtyrerweihe." Der Kommunist freute sich als mitfühlender Zeitgenosse über die reaktionären Aktionen des Absolutismus, weil sie einen Gegner trafen. Marx verspottete "Die Großen Männer des Exils" im Sommer 1852. Er übergab den Text im Juli an den Ungarn J. Bangya, der ihm versprach, das Werk in Berlin zu veröffentlichen, und dem Autor ein stattliches Honorar zahlte. Ungewöhnlich für einen Boten, der das Manuskript denn auch in Berlin nicht an einen Buchhändler, sondern an die preußische Polizei auslieferte. Den Buchhändler, der es angeblich bestellt hatte, gab es nicht. Zufällig - oder doch nicht? - stand der empfangenden Polizeibehörde Ferdinand von Westphalen vor. Der war preußischer Innenminister und Halbbruder von Jenny von Westphalen, der Frau von Karl Marx.

Familienbande waren in den Jahren der deutschen Reaktion nichts Ungewöhnliches, und dass revolutionär Gesinnte gegen Geld als informelle Mitarbeiter der monarchischen Geheimdienste arbeiteten, auch nicht. Man nannte diese informellen Mitarbeiter Konfidenten, Vertraute. Der Deutsche Bund unterhielt mit Russland und Österreich in dem Mainzer Informationsbüro schon seit den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts einen international arbeitenden politischen Geheimdienst. Das war neben der mangelnden Einigkeit der Demokraten der entscheidende Grund, warum sich die Opposition in Deutschland nie richtig organisieren konnte und ins Exil getrieben wurde. (...)


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