Im Kino

Im übermütterlichen Auftrag

Die Filmkolumne. Von Benjamin Moldenhauer
12.06.2024. Ein Designer, der einen Shitjob sucht, eine randalierende Kritikerin und ein eingefrorener Eierkünstler stehen im Zentrum von "Problemista". Julio Torres' Film gefällt vor allem da, wo er im Vorbeigehen überrascht und wird von einem Hauch Nostalgie umweht. 

Alejandro kommt aus El Salvador in die USA, um sich als künstlerisch ambitionierter Designer bei der Spielzeugfirma Hasbro zu bewerben. Das klappt nicht, und Alejandro, habituell lieb und eher tapsig, muss schnellstens Geld und irgendeinen Shitjob auftreiben, um sich auf einen echten Job bewerben zu können. Regisseur Julio Torres spielt den Helden als verträumten, etwas naiven Kindmann, der am Ende dann doch noch alles richtig macht und triumphiert.

In "Problemista" regieren Bürokratie und überzeichnete urbane Sozialcharaktere die Welt und das Leinwandgeschehen. Im Zentrum aber stehen die Außenseiter und die Übersteuerten. Da ist zum einen der Held, der, gutherzig und von einem übermütterlichen Auftrag getrieben, seinen Weg in der Fremde sucht, wie man so sagt. Vor allem aber ist da die von Tilda Swinton gespielte Kunstkritikerin Elizabeth, die versucht, die dreizehn Bilder ihres Mannes, die im Wesentlichen klischierte Porträts von Eiern sind, in einer renommierten Galerie unterzubringen. Ihr Mann (gespielt von Wu-Tang-Clan-Mitglied RZA) hat sich einfrieren lassen, um in einer Zukunft aufzuwachen, in der seine Sachen, die die Aura eines Kunsthandwerkermarktes des Jahres 1988 abstrahlen, künstlerischen Wert zugesprochen bekommen und seine eierlastige Kunst also verstanden werden wird.

Überhaupt sind alle zentralen Figuren von Ambitionen besetzt, die ihre Fähigkeiten latent übersteigen. Seine komische Fallhöhe bezieht "Problemista" aus der Spannung zwischen hehrem Anspruch und Selbstüberzeugtheit auf der einen und der oft quälend wurstigen Praxis auf der anderen Seite. Die Tatsache, dass man es hier durchweg mit eher verlorenen Menschen zu tun hat, verschwindet hinter der manchmal grellen Oberfläche der Bilder, die, wenn es darum geht, Internetabsurditäten, Dauerprekarität und absurde Einwanderungsbestimmungen in Szene zu setzen, nicht eben subtil verfahren. Eine sich mehrfach wiederholende Parodie auf Craigslist versandet schon beim ersten Durchgang. Komisch und auch schön ist der Film jedoch, wenn er einen wie im Vorbeigehen überrascht, mit Details oder auch Momenten, aus denen andere eine eigene Storyline gemacht hätten. Ein Detail wie die immer wieder ins sanft Chaplineske ausgreifende Gangart Alejandros zum Beispiel. Oder eine queere Sexszene, die einfach so passiert, ohne dass daraus etwas weiter entwickelt wird. Das alles setzt Julio Torres, der bislang vor allem als Autor für "Saturday Night Live" aktiv war, mit einem traumwandlerischen Gespür für Timing und dezent Groteskes in Szene.


Zusammengehalten wird das Ganze von Tilda Swinton, die alles andere als dezent agiert, vielmehr ihrer Galerie von schrullig-überdeterminierten Charakteren mit roter Perücke und Dauergekeife eine weitere exaltierte Figur hinzufügt. Mit roter Perücke und im konstanten Krieg mit ihrer Umgebung randaliert Elizabeth durch New York, auf der Suche nach Anerkennung, Rache und Erlösung. Wie "Problemista" es schafft, diese zwar sehr komische, aber an sich auch sehr fürchterliche Figur Schritt für Schritt zu einer anrührenden werden zu lassen, die am Ende als so etwas wie die eigentliche Heldin der Geschichte dasteht und bekommt, was sie sich wünscht, das ist schon sehr gut geschrieben.

Mit diesem Verlauf, seinen freimütig absurden Wendungen, der manchmal etwas plakativen Sozialsatire und seiner Freude am verhalten Grotesken gehört "Problemista" in die Region der amerikanischen Erzähltradition, in der der sogenannte amerikanische Traum nur infrage gestellt wird, um ihn am Ende doch, auf Umwegen, zu bestätigen. Da an diesen Mythos sowieso kaum noch einer ernsthaft glaubt, umwehen "Problemista" und sein versöhnliches Happy End von Anfang an so etwas wie ein Hauch Nostalgie.  

Benjamin Moldenhauer

Problemista - USA 2023 - Regie: Julio Torres - Darsteller: Julio Torres, Tilda Swinton, RZA, Catalina Saavedra, James Scully - Laufzeit: 104 Minuten.