Im Kino

A little bit of male attention

Die Filmkolumne. Von Nicolai Bühnemann
11.01.2024. Ein Work-and-Travel-Programm lässt zwei junge Kanadierinnen in einer Bar in den australischen Outbacks stranden. Ausgeliefert sind sie da weniger der Natur als den Männern. Kitty Greens "The Royal Hotel" zeigt anhand alltäglicher Situationen, wie leicht Geschlechter- in Gewaltverhältnisse kippen können.


Die kanadischen Touristinnen Liv (Jessica Henwick) und Hanna (Julia Garner) feiern sich durch Sydney. Dass über dem Partyschiff im Hafen längst wieder die Sonne aufgegangen ist, spielt für sie keine große Rolle; dass das Geld auf ihrem Konto nicht einmal mehr für die nächsten zwei Drinks reicht, hingegen schon. Ein Work-and-travel-Programm soll ihre Finanzen retten. Die Wahl fällt auf das Royal Hotel, eine Pension mit eigener Bar in den Outbacks. Die Angestellte des Reisebüros, die ihnen den Job vermittelt, warnt sie, dass sie sich dort gefasst machen sollen auf "a little bit of male attention".

Einen ersten Vorgeschmack darauf, was das bedeutet, gibt ihnen Billy (Hugo Weaving), der bärbeißige Besitzer des Etablissements, als er die beiden jungen Frauen zuerst in der Dusche überrascht, dann Hanna eine "smart cunt" nennt. Im Gespräch mit ihrer Freundin verteidigt Liv ihn, das sei bestimmt nicht so gemeint gewesen. Aber es sind Vorkommnisse wie dieses, Worte und kleine Gesten der männlichen Stammgäste des Hotels, durch die der Film der Regisseurin Kitty Green für seine Protagonistinnen im Royal Hotel nach und nach eine Atmosphäre kreiert, unter der besonders die zurückhaltende Hanna leidet, während die ausgelassene Liv sie dazu anhält, durchzuhalten; ein paar Wochen noch, bis sie genug Geld verdient haben, um weiterzureisen.

Green versteht es, diese Welt mit den richtigen Details auszustatten, um ihr Leben einzuhauchen, zum Beispiel durch Tiere: ein Hund im Kofferraum, eine Katze auf der Treppe, die gar nicht daran denkt, Platz zu machen, wenn jemand nach oben möchte, in Formaldehyd eingelegte Schlangen hinter der Bar. Doch der Schein eines friedlichen Zusammenlebens des Menschen mit der Natur trügt: Der Rest der Welt ist weit weg. Aber die Menschen hier in den Outbacks sind genauso kaputt wie anderswo auch - mindestens. Billy trinkt und schuldet seinen Lieferanten Geld. Die Stammgäste Matty (Toby Wallace) und Teeth (James Frecheville) verrennen sich in ihrem vom Alkohol befeuerten, besitzergreifenden Anspruchshaltung gegenüber den Frauen immer mehr - bis zur finalen Eskalation, in der sich die bis dato angestaute und aufgebaute Spannung in einer buchstäblichen Explosion entlädt.



"The Royal Hotel" flicht sein feministisches Anliegen eher subtil in seine Erzählung ein, als dass er es plakativ vor sich hertragen würde. Beispielhaft eine Szene, in der sich Hanna und Matty am Ende eines durchfeierten Abends küssen, sie aber letztlich doch nicht mit ihm schlafen möchte. Zwar setzt er sich über ihr "Nein" nicht hinweg, sondern lässt schließlich widerwillig von ihr ab; der Punkt ist aber, dass es dafür keine Garantie gibt; dass die Möglichkeit, dass Frauen Opfer sexualisierter oder anderer Gewalt werden könnten, sich zu einem konstanten Bedrohungsszenario verdichtet - und das sicher nicht nur im Royal Hotel.

Dass es Green um Geschlechter- als Gewaltverhältnisse geht, zeigt sich nicht nur am Verhalten der Männer, sondern auch an weiblicher Solidarität; sowohl zwischen den beiden Freundinnen, die ihre sich immer weiter zuspitzenden Differenzen schließlich überwinden, als auch am Sinneswandel von Billys Frau Carol (Ursula Yovich): Begegnet sie Liv und Hanna zunächst noch kurz angebunden und unfreundlich, verabschiedet sie sich schließlich mit der zutraulichen Geste einer Frau, die genau weiß, wie schwierig diese Typen einer das Leben machen können.

Die letzte Szene des Films ist zwar per se ziemlich effektiv, wirkt aber doch etwas enttäuschend: War die große Stärke von "The Royal Hotel" bis hierher gerade, wie es dem Film gelang, Thrillerspannung aufbaute, indem er die Art, wie Männer Frauen das Leben zur Hölle machen können, in ihrer belastenden Alltäglichkeit zeigte, setzt er am Ende ein bisschen zu sehr auf die große kathartische Geste.

Nicolai Bühnemann

The Royal Hotel - Australien 2023 - Regie: Kitty Green - Darsteller: Julia Garner, Jessica Henwick, Herbert Nordrum, Hugo Weaving, Ursula Yovich, Toby Wallace, James Frecheville - Laufzeit: 91 Minuten.