Ein süßes NichtsIm Kino 14.01.2021 006, bitte übernehmen Sie, ruft es aus dem Secret Service. Und schon saust der Spion auf Wasserskiern über den Atlantik. "Serenade für zwei Spione", eine Agentenparodie von Michael Pfleghar und Alberto Cardone aus dem Jahr 1965, ist eine B-Movie-Fantasie mit Ambitionen. Romy Schneider bringt 1971 in Claude Sautets "Das Mädchen und der Kommissar" die Leinwand zum Glühen. Von Nicolai Bühnemann, Thomas Groh
Polyphonie der PerspektivenIm Kino 21.10.2020 Kantemir Balagovs "Bohnenstange", nach dem dokumentarischen Roman von Swetlana Alexijewitschs "Der Krieg hat kein weibliches Gesicht", erzählt vom Existenzkampf zwei Frauen im noch von der Hungerblockade erstarrten Leningrad. In Jean Beckers "Ein mörderischer Sommer" von 1983, sucht Isabelle Adjani den Vergewaltiger ihrer Mutter und ihren Vater. Von Nicolai Bühnemann, Katrin Doerksen
Geburtsname HoffnungIm Kino 16.09.2020 "Ich sah einen Mann/eine Frau/Leute..." Roy Anderssons Film "Über die Unendlichkeit" erzählt in minimalistischer Abstraktion von einer hermetisch abgeriegelten Welt. Nicola Hens porträtiert in ihrem Dokumentarfilm "Chichinette: The Accidental Spy" die französische Widerstandskämpferin und Spionin Marthe Kohn, die die Rückzugsstrategien der Nazis auskundschafte. Von Nicolai Bühnemann, Rajko Burchardt
Spitzes Licht, stumpfes Licht, gemaltes Licht, gefilmtes LichtIm Kino 19.08.2020 Hinreißende Lichtorgien von Kameramann Sean Price Williams und eine recht sympathische Hauptfigur zeichnen Michael Almereydas "Tesla" aus. Leider wäre der gerissene Thomas Edison das interessantere Objekt für ein Biopic gewesen. Schöne Atmosphäre, fliegende, das Gehirn aussaugende Stahlkugeln und eine ansprechende Filmmusik bietet Don Coscarellis Splatterfilm "Phantasm" von 1978. Von Nicolai Bühnemann, Lukas Foerster
Luftballett des SchreckensIm Kino 12.08.2020 Faktentreu, aber mit einem leichten Drall ins Surreale erzählt Marco Bellocchio in "Il Traditore" von dem Mafia-Aussteiger Tommaso Buscetta, der gegen den Capo di Capi, Totò Riina, aussagte. Marcell Jankovics imaginiert in seinem ungarischen Zeichentrick-Klassiker "Sohn der weißen Stute" die psychedelischen Fantasien, die wir mit der Muttermilch aufsaugen. Von Nicolai Bühnemann, Katrin Doerksen
Arie aus Licht und SchattenIm Kino 03.07.2020 "Domino", Brian de Palmas erster Film seit sieben Jahren, erzählt vom größten Krieg des 21. Jahrhunderts: dem Bilderkrieg, den der Westen schon verloren hat. Exzellente Vorlage für den Meister der Suspense-Oper, der diesmal islamische Terroristen, fiese CIA-Agenten und dänische Polizisten zusammenspannt. In Jonas Alexander Arnbys "Suicide Tourist" versucht ein Mann mit der Diagnose Hirntumor fertig zu werden. Doch das selbstbestimmte Sterben gestaltet sich als schwierig. Von Nicolai Bühnemann, Karsten Munt
Gnadenlose IntelligenzIm Kino 25.06.2020 Nuri Bilge Ceylan blickt in "The Wild Tree" mit schonungsloser Konsequenz auf Träume und Alpträume in der türkischen Provinz: Ein Entsagungsdrama von äußerster Dichte. David Mamet folgt in seinem Filmregiedebüt "House of Games" von 1987 einer Psychiaterin in das schummerige Neonlicht ihres Unbewussten. Von Nicolai Bühnemann, Ekkehard Knörer
Docht in der Lampe BuddhasIm Kino 20.05.2020 Mit Wortwitz und atemberaubender Akrobatik zeigt Jeffrey Lau in "A Chinese Odyssey", dass Logik und Verstehen völlig überbewerte Konzepte fürs Filmschauen sind. Anthony Hickox' "Hellraiser III: Hell on Earth" - ein Querschläger im amerikanischen Horrorkino - erzählt von lesbischer Liebe, ohne darum großes Aufheben zu machen. Von Nicolai Bühnemann, Robert Wagner
Haarsträubendes KompositIm Kino 11.03.2020 Alle lügen in Hirokazu Kore-edas "La Vérité", in dem Catherine Deneuve eine Mutter und Schauspielerin spielt, die Hader in Bösartigkeit konvertiert, und Juliette Binoche ihre Tochter. Julie Dashs 1992 entstandener Film "Daughters of the Dust" erzählt von afroamerikanischen Kulturen auf der Insel Ibo Landing: ein kontemplatives Plädoyer für immer weitere Diversifizierung. Von Nicolai Bühnemann, Stefanie Diekmann
Er blickt, sitzt und wartetIm Kino 15.01.2020 Elia Suleiman ist in seinem Film "Vom Gießen des Zitronenbaums" seine eigene - stumme - Hauptfigur, die in Nazareth, Paris und New York von Palästina träumt. Wolfgang Büld und Reinhard Klooss mischen den DDR-Klischees in "Go Trabi Go 2 - Das war der wilde Osten" noch etwas Kapitalismusgroteske bei. Von Nicolai Bühnemann, Ekkehard Knörer
Sie ist nicht traurig, sie ist wütendIm Kino 31.10.2019 Céline Sciamma fügt in "Porträt einer jungen Frau in Flammen" dem männlichen Kanon eine andere, ihre eigene Perspektive hinzu. In "Die traurigen Mädchen aus den Bergen" zeichnen Candy Flip und Theo Meow eine trauriges Bild linker Diskurse über Pornographie und andere Aspekte der Gesamtscheiße. Von Nicolai Bühnemann, Katrin Doerksen
Die Larvenartigkeit des Arthur FleckIm Kino 10.10.2019 Das Elend soll im Elend bleiben - Todd Phillips geht es in seinem "Joker" nicht um gekränkte Männlichkeit, sondern um gesellschaftliche Realitäten. Joaquin Phoenix erzählt das in der Titelrolle virtuos als Geschichte eines zugerichteten, sich eine Vaudeville-Eleganz erobernden Körpers. Louis-Julien Petit erzählt in "Les invisibles" von obdachlosen Frauen und Sozialarbeiterinnen, ihren Kämpfen und Widersprüchen - alles in Cinemascope. Von Nicolai Bühnemann, Thomas Groh
Ins Herz der FinsternisIm Kino 19.09.2019 Buggyverfolgungsjagden mit Mondpiraten, Kämpfe gegen Paviane in der Schwerelosigkeit, tödliche Energiestrahlen , ödipale Komplexe und dann wieder - Schweben im All, in Selbstreflexion und Zweifeln. Nichts davon erscheint wie ein Fremdkörper in James Grays "Ad Astra". Sylvester Stallone sieht inzwischen zwar aus wie ein Außerirdischer, aber der fünfte Rambo-Film, "Rambo: Last Blood" spielt eher mit Westernelementen, während der Held in seinen nächsten blutigen Rachefeldzug zieht. Von Nicolai Bühnemann, Robert Wagner
Der Glanz alter ZeitenIm Kino 15.08.2019 Quentin Tarantinos "Once Upon a Time in Hollywood" denkt der Realität die Monster aus und lässt Brad Pitt und Leonardo di Caprio in gewagten Geistervariationen schweben. Harald Reinls Karl-May-Klassiker "Der Schatz im Silbersee" ist zurück in den Kinos und zeigt: Auch Bleichgesichter werden mit den Jahren blasser. Von Nicolai Bühnemann, Janis El-Bira
Raub, Liebe und BesitzIm Kino 13.06.2019 Agent M träumt seit ihrer Begegnung mit einem sußersüßen Außerirdischen davon, einer der "Men in Black" zu werden. Regisseur F. Gary Gray hat daraus ein buntes Allerlei angerührt, das zeigt: Auch Diversität kann ganz schön langweilig sein. Luis Ortega romantisiert und respektiert den Freiheitsdrang seines "Schwarzen Engels", des Serienmörder Carlos, bei dem alles Rhythmus und Musik wird. Von Nicolai Bühnemann, Michael Kienzl